Freitag, 19. Dezember 2014

Sandro Magister: "Bergoglios Pendel zwischen Kapitalismus und Revolution"

Über eines der Rätsel um die Standpunkte des Papstes hat sich Sandro Magister  im L´Espresso Gedanken gemacht:   klicken    

Titel:     "Bergoglio’s Pendulum, Between Capitalism and Revolution"

Marxist, Libertärer, Peronist. Man hat ihm die verzweifeltsten Etiketten aufgeklebt  Die widersprüchlichen Urteile des Acton-Institutes und der "Freunde von Papst Franziskus".

"Ein weiteres Geheimnis des Papstes betrifft seine Sicht der Weltwirtschaft.

Es gibt Menschen, die ihn unter die unbelehrbaren Marxisten eingeordnet haben, nachdem sie das die Agenda seines Pontifikates vorbereitende Dokument, die Apostolische Exhortation "Evangelii Gaudium" gelesenen hatten. Dann sind da jene, die aus dem selben Dokument den entgegengesetzten Schluß gezogen haben, daß Jorge Mario Bergoglio ein großer Freund des Freien Marktes sei.

Der Papst hat sich wiederholt von dieser ersten Definitionen, ein Kommunist zu sein, bis zu dem Punkt darüber zu scherzen, distanziert. Vom zweiten, prokapitalistisch zu sein nicht. Aber es idt nicht sicher, daß das mit seinem Denken korrespondiert.

Franziskus wurde von manchen als Champion der Freien Wirtschaft identifiziert, und zwar nicht von irgendwelchen isolierten exzentrischen Geistern, sondern vom Acton-Institut, einem der geachtetsten Think-tanks der USA, deren Kern-Idee ist, dass der Kapitalismus umso besser funktioniert, je freier und je religiöser die Gesesllschaft ist, in der er wirkt.

Am vergangenen 4. Dezember hat das Acton Institut seine höchste jährliche Ehrung einem brillanten jungen finnischen Wirtschaftswissenschaftler, Oskari Juurikkala, verliehen, der für seine Dankesrede das Thema: "Die Wertschätzung des freien Marktes durch Papst Franziskus" wählte.
Der Preis wurde in Romm an der Päpstlichen Heilig-Kreuz-Universität verliehen, der Akademie des Opus Dei, wenige Schritte vom Vatican entfernt.

Nach Juurikkalaas These sind die Botschaft Bergoglios und seine Emphase für die Armen nicht nur kein Widerspruch zum Freien Markt sondern unterstützen diesen, weil sie helfen, ihn zu "reinigen und zu bereichern."

Juurikkalas These hatte- beim gleichen Ereignis- ihren Widerpart in der Rede Carlo Lotteris, eines Rechtsphilosophens und Mitglieds des Bruno-Leoni-Institutes, einem anderen sehr libertären Think-tank.
Lotteri, der an der Universität von Siena und in der Schweiz an der Theologischen Fakultät von Lugano lehrt, bleibt bei seiner Überzeugung, Franziskus nicht als Freund sondern als Feind ökonomischer Freiheit zu sehen, nicht zuletzt wegen des Peronistischen Experimentes, dessen Zeuge er in Argentinien war und "das nie wirklich abgeschlossen wurde und als Ganzes katastrophal war."

Aber das ist nicht alles. Vor einigen Monaten wurde in Rom der "Kreis der Freunde von Papst Franziskus" gegründet, der mit seinen eifrigsten Mitgliedern, den Kardinälen Kasper und Coccopalmero, Angelo Spadaro, dem Direktor von "Civilta Cattolica" und mit Mario Toso, Sekretär des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden prahlt.

Sie haben ihr jüngstes Treffen, am 10. Dezember, dem gewidmet, was sie als das wahre Manifest der wirtschaftlichen und politischen Visionen des Papstes bezeichnen: nicht Evanghelii Gaudium sondern die Rede, die er am 28. Oktober im Vatican vor den großen Bewegungen hielt, eine Rede, die sie "historisch" und "revolutionär" nennen.

Unter denen, die dem Papst an jenem Tag zuhörten, gehörte ein Großteil zum äußersten linken Spektrum, von den Zapatisten Chiapas bis zum Leoncavallo-Sozialzentrum aus Mailand. Besonders zahlreich waren die Südamerikaner ( zu sehen auf dem Foto des Osservatore Romano) , einschließlich des Bolivianischen Präsidenten Evo Morales in seiner Eigenschaft als Führer der "Cocaleros".

Und was sagte der Papst? Dass die Erneuerung der Welt ihnen gehört, ihnen, der Peripherie, die nach Volk und Kampf duftet, der Masse der Ausgeschlossenen und Rebellen, Dank ihrer Erhebung an die Macht, die die logischen Prozeduren der formalen Demokratie überschreitet."

Da gibt es eine verblüffende Ähnlichkeit zwischen dieser Rede von Papst Franziskus und den vom Philosophen Toni Negri und seinem Schüler Michael Hardt in dem 2001 erschienenen Buch "Empire" aufgestellten Theorien, die viel Aufsehen erregten und in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

Beide, Franziskus und Toni Negri, identifizieren die wahre globale Macht als eine transnationale Herrschaft des Geldes, die um ihre eigenen Profite zu vermehren, Kriege fördert und gegen die nur die Menge der Volksbewegungen eine Wiederherstellung der Demokratie durchsetzern könne- nicht formal aber substantiell.

Auch in Straßburg versäumte Papst Franziskus es bei seiner Rede vor dem Europäischen Parlament am 25. November nicht, gegen die "normierenden Systeme der Finanzmacht im Dienst unbekannter Imperien" aufzustehen.

Doch dann, einige Tage später, empfing er Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währunfgsfonds, der eben genau das Symbol dieses Imperiums ist- mit allen Ehren.


Das Rätsel ist weit davon entfernt, gelöst zu werden."
Quelle: www.chiesa, L´Espresso, Sandro Magister,



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