Donnerstag, 16. Juli 2015

Ein neues Fehlbarkeits-Dogma?

In seinem blog CRUX  schreibt Vaticanist John Allen über ein eigenes Fehlbarkeitsdogma von Papst Franziskus. Hier geht´s zum Original:   klicken


"UNTER FRANZISKUS GIBT ES EIN NEUES DOGMA: DIE PÄPSTLICHE FEHLBARKEIT"   
Als das I. Vaticanische Konzil 1870 förmlich das Unfehlbarkeitsdogma verkündete, wurde die Unfehlbarkeit sehr sorgfältig umschrieben.
Nach der Formulierung des Konzils wird ein päpstliches Edikt nur dann als unfehlbar angesehen, wenn es:

1. Glauben und Moral behandelt

2. der Hl. Schrift und der Göttlichen Verkündigung nicht widerspricht

3. für die gesamte Kirche gelten soll

Wie Benedikt XVI es im Juli 2005 ausdrückte: "Der Papst ist kein Orakel. Er ist nur bei sehr seltenen Gelegenheiten unfehlbar."
Er verstärkte das noch, als er bei der Veröffentlichung seines Buches "Jesus von Nazareth" die Menschen dazu ermutigte, ihm zu widersprechen.

Von der breiten öffentlichen Meinung jedoch werden diese Grenzen oft nicht wahrgenommen. Viele glauben, daß Katholiken alles, was ein Papst sagt, als evangelische Wahrheit akzeptieren müßten, wenigstens führt das zu größeren Peinlichkeiten, wenn ein Papst eines Irrtums überführt wird.




In diesem Zusammenhang ist es besonders verblüffend, daß Papst Franziskus entschlossen zu sein scheint, diesen Eindruck zurechtzurücken, indem er etwas für sich annimmt, das man sein eigenes Fehlbarkeitsdogma nennen könnte.
Der Pontifex scheint völlig unbeeindruckt davon, Fehler und Unwissenheit zuzugeben und anzuerkennen, daß er Grund für Mißverständnisse gegeben habe.

Ob so eine Offenheit charmant ist oder einfach nur verwirrend und uns fragen läßt, ob dieser Papst wirklich das meint, was er sagt, liegt vielleicht im Auge des Betrachters.

Auf alle Fälle ist diese Haltung zu einem Charakteristikum seines Stils geworden.

Ein klassischer, fast sinnbildlicher Fall war die Pressekonferenz während des Rückfluges von seiner Lateinamerikareise nach Rom.
Während der 65-minütigen Sitzung mit den Journalisten demonstrierte Franziskus seine eigene Fehlbarkeit mindestens 7 mal.


- als er über den Streit zwischen Bolivien und Chile gefragt wurde , antwortete er, er würde das nicht   kommentieren, weil "ich will nichts Falsches sagen"  ein indirektes Eingeständnis, daß er fähig ist, genau das zu tun.


- zur Kontroverse in Equador  und der Frage, was er mit dem Satz "Die Menschen sind aufgestanden" gemeint habe, antwortete Franziskus :" ein Satz, der manipuliert werden kann" und daß "wir sehr vorsichtig sein müssen"- vielleicht die Erkenntnis, daß er nicht immer so vorsichtig gewesen ist.

- zu den Spannungen zwischen Griechenland und der EURO-Zone befragt, sagte Franziskus, daß er "eine schwere Allergie gegen Wirtschaftsthemen habe" und zu den Gewerkschaftsaktivitäten seines Vaters in Argentinien "Ich verstehe das nicht sehr gut." Für einen Pontifex, der wirtschaftliche Gerechtigkeit und globale Finanzfragen zum Kernstück seiner Sozialrhetorik gemacht hat, eine wirklich atemberaubende Feststellung.


- Auch zur Lage in Griechenland sagte Franziskus, er habe vor einem Jahr von einem Plan der UN gehört, Ländern zu erlauben, sich als bankrott zu erklären, fügte aber hinzu. "Ich weiß nicht ob das wahr ist" und er bat bemerkenswerterweise mit ihm reisende Reporter darum, ihm - wenn sie es wüßten- das zu erklären. 
(Franziskus hat sich hier möglicherweise auf eine UN-Debatte von 2014 über ein internationales Konkursgesetz bezogen)

- zur Zurückweisung seiner Kapitalismus-Rhetorik in den USA, sagte Franziskus, er sei sich dessen bewußt, aber weigere sich, darauf zu reagieren, weil " ich außerhalb eines Dialogs nicht berechtigt bin, Meinungen zu äußern."

- herausgefordert mit der Frage, warum er so viel über die Armen und so relativ wenig über den Mittelstand spreche- gab Franziskus ganz offen zu " Das ist mein Fehler, nicht daran zu denken" und " Sie sagen mir etwas, was ich tun muß".

-gefragt, ob er besorgt sei, daß seine Äußerungen von Regierungen und Lobby-Gruppen ausgenutzt werden könnten, sagte er "Jedes Wort ist in Gefahr aus dem Zusammenhang gerissen zu werden" und fügte hinzu "wenn ich einen Fehler mache, bitte ich ein wenig verschämt um Entschuldigung und mache weiter."

Um es klar zu sagen, das ist kaum so, als ziehe Franziskus seine beißende Kritik an dem zurück, was er in Bolivien ein globales Wirtschaftssystem nannte, das "seine Mentalität des Profits um jeden Preis" zu Lasten der Armen aufzwingt.

Im Gegenteil, er schlug während der Pressekonferenz noch einmal in die Richtung zu dem, was er " eine neue Kolonialisierung", die Kolonialisierung des Konsusmismus" nannte, zu, - die, wie der Pontifex sagte- "ein Ungleichgewicht der Persönlichkeit, der inneren Ökonomie, der sozialen Gerechtigkeit und sogar der physischen und mentalen Gesundheit hervorruft."

Was er allerdings hinzufügte, war eine Dosis persönlicher Bescheidenheit in der Anerkennung seines mangelnden technischen Wissens und seiner Fähigkeit zum Irrtum, wenn er über solche Dinge spricht- sowohl ihre Substanz als auch die Formulierung betreffend. 

Franziskus hat dieses Bewußtsein schon vorher mehrmals erkennen lassen. Im November 2013 z.B. als er mit dem traditionalistischen italienischen Schriftsteller  Mario Palmaro telefonierte, der zu der Zeit im Krankenhaus lag und Co-Autor eines kritischen Artikels über Franziskus war. Palmaro berichtete, Franziskus habe ihm gesagt, er wisse, dass der Essay "aus Liebe zum Papst geschrieben worden sei " und habe hinzugefügt "das sind Dinge, die ich hören muß."

In gewissem Sinn paßt dieses persönliche Fehlbarkeitsdogma zum Gesamtstil Franziskus´. Z.B. - spricht er von sich selbst eher als vom "Bischof von Rom" als vom "Pontifex Maximus" und fährt lieber in einem Kia oder Ford herum als in der traditionellen Limousine. Mit anderen Worten, das ist ein weiteres Kapitel in der gegenwärtig betriebenen "Demythologisierung" des Papsttums.

Man kann eine solche Selbstkritik sowohl als Stärkung als auch als Unterminierung der päpstlichen Botschaft verstehen, je nachdem, wie man es betrachtet und beide Reaktionen werden vermutlich die Runde machen.

Auf alle Fälle haben Theologen, Kirchenhistoriker und einfache Katholiken große Teile des letzten Jahrhunderts damit verbracht, sich zu beschweren, daß die Außenwelt das Konzept der päpstlichen Unfehlbarkeit über das hinaus., was es eigentlich bedeutet, aufgeblasen hat.

Wenn auch sonst nichts, so scheint die Wiederherstellung einer gesunden Fehlbarkeit unter Papst Franziskus eine echte Chance in dieser Gemengelage zu sein.
Quelle: Crux, John Allen Jr.



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