Freitag, 17. Juli 2015

Hat der Vatican die Lehre Johannes Pauls II schon vergessen?

das fragt George Weigel in der National Review. Hier geht´s zum Original :   klicken

Dieser partielle Kurzzeitgedächtnisverlust im Vatican fällt besonders auf, wenn man den Bolivien-Besuch von Papst Franziskus mit den Polenreisen des Hl. Johannes Pauls II in den Jahren 1979 und 1983 vergleicht.
Da möchte man Psalm 137 intonieren.

       "HAT DER VATICAN DIE LEHRE JOHANNES PAULS II SCHON VERGESSEN?"
"Es liegt vielleicht daran, daß ich in den letzten zweieinhalb Wochen in der Stadt, die Johannes Paul II "mein geliebtes Krakau" nannte, gelebt habe, aber es verblüfft mich (und nicht nur mich), daß der gegenwärtige Vatican einige der fundamentalen Lektionen der Lehre und Diplomatie des Heiligen vergessen hat, der aus Krakau nach Rom kam und dessen Pontifikat das folgenreichste der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde.

Beginnen wir mit der Diplomatie- oder besser gesagt- mit dem Bischof von Rom als dem führenden öffentlichen Zeugen der Katholischen Kirche.
Die pastorale Pilgerreise von Johannes Paul  II nach Polen 1979 wird zu Recht als einer der Schlüssel zur Wende im Kalten Krieg angesehen, weil er die Revolution der Gewissen auslöste, die die Revolution von 1998 in ihrer einzigartigen Form ermöglichte.

Aber hier in Krakau haben viele  auch noch lebhafte Erinnerungen an Johannes Pauls zweiten Pastoralbesuch in seinem Heimatland 1982, der unter sehr schwierigen Bedingungen stattfand.
Es herrschte Kriegsrecht, der polnische Staat unter General Jaruzelski benahm sich weiterhin wie eine Besatzungsarmee, die die polnische Zivilgesellschaft knebelte, die große Hoffnung auf die "Solidarität", eine Bewegung zugleich der nationalen als auch der gewerkschaftlichen  Erneuerung  schien in Schutt und Asche zu liegen.
Als Johannes Paul II am 16. Juni 1983 in Polen ankam, umarmte er weder General Jaruzelski noch irgendeine andere polnische Staatsautorität, sondern- hatte während der gesamten Begrüßungszeremonie den Blick gesenkt, Kummer und Sorgen auf seinem ausdrucksvollen Gesicht.
Eine ältere Frau, die ihn so sah, sagte: "Sehen Sie? Er versteht. Er ist traurig."
Als Johannes Paul II sich unter 4 Augen mit Jaruzelski traf, hörten die, die vor der Tür warteten-wie sie später berichteten- eine Faust, die auf den Tisch zwischen den beiden Männern schlug.
Johannes Paul eröffnete- wie berichtet wurde- die Unterhaltung mit dem Satz: "Ich habe den Eindruck, daß dieses Land ein großes Konzentrationslager ist" ( eine Anspielung auf die Polnische Erfahrung unter der Nazibesatzung, die sehr einschneidend gewesen war) .

Dann gab es die päpstlichen Reisen nach Chile 1987 und Paraguay 1988.
Zwei kulturell katholische Länder, besetzt von Militärdiktatoren.
Die Konfrontationen mit General Pinochet und General Arturo Stroessner fanden hinter verschlossenen Türen statt.
Aber weniger als 2 Jahre nach dem Besuch des Papstes stimmte Pinochet einem Plebiszit zu, in dem sein Volk ihn von der Macht abwählte. In Paraguay ging die Entwicklung sogar noch schneller. als Stroessner , zu der Zeit der langlebigste Diktator der Welt- 1989 nach 35 Jahren der Herrschaft die Macht verlor.

Diese demokratische Verschiebung- hatte- wie alle derartigen Ereignisse- komplizierte Gründe.
Aber es machte sicher einen Unterschied, daß Johannes Paul II bei seinen Besuchen die Unausweichlichkeit autoritäter Herrschaft nicht anerkannte (Pinochet gegenüber bestand er darauf, daß  das Volk ein  Recht auf Freiheit habe, sogar wenn sie diese mißbrauche).
Und vielleicht noch wichtiger, er handelte so, daß er in beiden Ländern der demokratischen Opposition neuen Mut und neue Hoffnung gab.



Und dann kam Kuba 1998.
Viel zu klug, um sich mit Castro, dem rhetorischen Vulkan, auf eine öffentliche Auseinandersetzung einzulassen, wandte er die Taktik von 1979 in Polen an.
Nach dem üblichen Höflichkeitsritual ignorierte er das Kubanische Regime und seinen Anspruch die Gerechtigkeit zu repräsentieren, konsequent und versuchte, dem Volk seine eigene Kultur zurück zu geben, die Castro brutal unterdrückt und ihre authentische Geschichte, die das Castro-Regime neu geschrieben hatte.

Das überzeugendste Beispiel dafür war die Rede, die Johannes Paul II  in der Universität von Havanna hielt, Fidel Castro saß im Auditorium- in der er die Repräsentanten des kubanischen intellektuellen und kulturellen Lebens daran erinnerte, daß es der historische katholische Glaube der Insel gewesen war, der Kubaner aus einer Mischung von Eingeborenen, Spaniern und Afrikanern gemacht hatte.
Und daß es dieser Katholische Glaube war,- so fuhr er fort- der viele der Befreier Kubas inspiriert hatte (eingeschlossen den heldenhaften Pater Felix Varela, dessen Beispiel nach diesem päpstlichen Besuch eine Menschenrechtsinitiative auf der Gefängnisinsel  inspirierte) die Ketten des Kolonialismus abzuwerfen.

Diese in ihrer Substanz robuste aber taktisch gewiefte Konfrontation mit den Diktaturen von rechts und links war eine ausdrückliche Herausforderung für die Diplomatie Kardinal A.Casarolis, Architekt der vaticanischen "Ostpolitik"  von Mitte 1960 bis 1978, als Johannes Paul II gewählt wurde.
Casaroli wurde von den Medien der Welt oft als der Kissinger des Vaticans ernannt.
In Wirklichkeit war er eher der Willy Brandt des Vaticans.
Er glaubte, daß die Teilung Europas im Kalten Krieg eine immerwährende Tatsache der Weltpolitik sein würde und hoffte, daß durch ein Entgegenkommen sowohl der Kirche als auch der Nato an die Sowjet-Union und die Kommunistischen Regime des Warschauer Paktes einen Prozess der Annäherung erleichtern würde- mit einer daraus resultierenden  langsamen Liberalisierung des Ostens und Sozialdemokratisierung des Westens, die mit der Zeit enger zusammen rücken würden und die Mauer eventuell fallen machen würden.

Kardinal Casaroli hatte hochentwickelte diplomatische Fähigkeiten und viele Kontakte hinter dem Eisernen Vorhang. Darüber hinaus verkörperte er die Tradition einer Vatican-Diplomatie, die sich selbst als ehrlichen Makler zwischen den europäischen Mächten sah.
Manchmal sah es so aus, als sähe sich Casaroli als einen Kardinal Ercole Consalvi des 20. Jahrhunderts, den klugen päpstlichen Diplomaten beim Wiener Kongress.
Aber Johannes Paul II, der den Kommunismus und die Kommunisten viel besser kannte als Casaroli, stimmte dem Casaroli-Konzept nicht zu und er ließ Casaroli nicht sein eigenes päpstliches Aktionsfeld festlegen.

Johannes Paul war gerissen genug, Casaroli seine Diplomatie hinter dem Eisernen Vorhang weiter betreiben zu lassen.
Die Kommunistischen Mächte sollten diesen Pontifex nicht öffentlich bezichtigen können, zuvor getroffene Absprachen zu negieren und als Frontmann der Nato zu handeln.
Dennoch würde er es nie so dargestellt haben, wie es Ronald Reagan tat, als der zukünftige Präsident sagte, sein Idee vom Ende des Kalten Krieges sei : "wenn wir gewinnen und sie verlieren."
Der Polnische Papst wußte, daß es in der Tat ein Nullsummenspiel war, jemand würde gewinnen und jemand würde verlieren, nicht so sehr aus Machtgründen, sondern weil der Kommunismus auf dem falschen Verständnis der menschlichen Person, der menschlichen Gemeinschaft, des  menschlichen Ursprungs und des menschlichen Schicksals beruht.
Und indem er für sein eigenes polnisches Volk die Wahrheit wieder herstellte. half Johannes Pauk II die Instrumente zu schmieden, denen der Kommunismus nichts entgegenzusetzen hatte, und bestärkte die säkularen antikommunistischen Menschenrechtsaktivisten, wie Vaclav Havel, in einer ähnlichen Strategie des Widerstandes -ein Leben in der Wahrheit, eine Strategie, die Havel "die Macht der Machtlosen nannte"

Die Menschen, die heute Vaticanische Diplomaten sind, scheinen das alles nicht verstanden oder vergessen zu haben- oder sie ignorieren es vielleicht absichtlich (nicht zuletzt vielleicht wegen der überwältigenden Archivbeweise, daß der wichtigste Effekt der Ostpolitik gewesen war, den Vatican für Geheimdienstler des Warschauer Paktes zugänglich gemacht zu haben, ein sehr unglückliche Tatsache, die ich gründlich im 2. Band meiner Johannes Paul II -Biographie dokumentiert habe) .
Diejenigen, die jetzt an der Schnittstelle der vaticanischen Diplomatie stehen, wurden in der Casaroli-Schule geboren und aufgezogen und sie kopieren fleißig Casarolis Akkomodationsformeln.
Das scheint klar zu sein und ist unglücklich klar geworden bei der vaticanischen Diplomatie gegenüber Vladimir Putins Rußland, der Weigerung des Hl. Stuhls, das, was in der Ukraine geschehen ist, als eine schwere Verletzung internationalen Rechtes und eine bewaffnete Aggression eines Staates gegen einen anderen Staat zu beschreiben,
Es scheint klar, daß bei der Begrüßung, die Raoul Castro vor einigen Monaten Im Vatican zuteil wurde,
wenn man von der gerade beendeten Südamerika-Reise des Papstes ausgeht- und dem Zugehen des Vaticans auf die neuen Machthaber Lateinamerikas Casaroli 2.0 steckt."
 Quelle: National Review, George Weigel

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