Montag, 20. Juli 2015

Montag im Vatican- Legendenbildung und ihre Hintergründe

Im blog Monday in the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci u.a. mit denen, die hinter den Mauern des Vaticans (the hidden vatican)  an der Konstruktion und Legende des Bergoglio-Pontifikates arbeiten und den "Enthüllungen" des kürzlich verstorbenen Jesuitenpaters Fausti zum Konklave 2005, dem Benedetto-Rücktritt und der Wahl Bergoglios 2013, die er in einen korrigierenden historischen Kontext stellt.
Hier geht´s zum Original: klicken

"PAPST FRANZISKUS: WIE DIE GESCHICHTE UM IHN HERUM KONSTRUIERT WURDE"
Die jüngste Interpretation vom Rücktritt Benedikts XVI in den vergangenen Wochen, lieferte Pater Silvano Fausti, ein Jesuit, der der Beichtvater Kardinal Carlo M. Martinis gewesen war.
Kurz bevor er im letzten Monat starb, hat Fausti ein Video-Interview gegeben und erzählt, dass Kardinal Martini dem Papa emeritus bei ihrer letzten Begegnung  gesagt habe, daß die römische Kurie nicht verändert werden könne und daß es gut wäre, wenn er abdanke.
Nach Fausti sagte Martini das zu Papst Benedikt so, als erinnere er ihn an eine alte Übereinkunft zwischen ihnen beiden.
Dieser Rücktritt pflasterte den Weg für Papst Franziskus, den Pater Fausti bewunderte.

Aber diese Geschichte muß dechiffriert werden.
Es ist jetzt evident, daß man zum Konklave von 2005, zurückkehren muß, um die Gründe zu verstehen, aus denen dann Papst Franziskus gewählt wurde.
Während dieses Konklaves wurde Benedikt XVI gewählt, aber die Manöver hinter seinem Rücken haben nie aufgehört.
Das Pontifikat Benedettos war konstant und auf jeder Ebene unter Beschuss. Besonders die alten Seilschaften der Kurie konnten seine Regentschaft kaum ertragen.
Das Pontifikat wurde so schlecht ertragen, daß ein Kardinal, der am Konklave teilnahm, sogar sein Tagebuch der Ereignisse veröffentlichte- in der Kirchengeschichte bisher einmalig.
Nach dem Kardinals-Tagebuch erhielt bei diesem Konklave Kardinal Bergoglio, der dann beim folgenden Konklave zum Papst gewählt wurde, die zweitmeisten Stimmen. 

War das Bekanntwerden des Tagesbuches Teil einer 8-jährigen Kampagne für Bergoglio? Das kann niemand sagen.
Sicher haben Pater Faustis Enthüllungen- er starb am 24. Juni im Alter von 75 Jahren- eine Geschichte aufgebracht, die entziffert werden muß.
Nach Fausti traf sich der bereits schwer kranke Kardinal Martini am 2. Juni 2012 anläßlich des Weltfamilientages in Mailand mit Benedikt XVI . Kardinal Martini starb am 31. August  2012.
Als er den Papst traf, so Fausti,  sagte er zu ihm "Du kannst die Kurie nicht reformieren, du kannst nichts anderes tun, als aufzugeben."

Benedikt war im vorhergehenden März sehr erschöpft  von der Mexiko-und Kuba-Reise nach Rom zurück gekehrt. Während dieses Sommers begann er, zu seinen engsten Mitarbeitern von der Möglichkeit eines Rücktritts zu sprechen. Die versuchten, ihn davon abzubringen, diese Entscheidung  zu treffen.
Im Dezember 2012 berief er zur Ernennung von 6 neuen Kardinälen ein Konsistorium ein (kein Italiener, kein Europäer, kein Angehöriger der Kurie), um das Kardinalskollegium wieder auszubalancieren und am 11. Februar 2013 verkündete er öffentlich seine Absicht, auf die aktive Ausübung des Petrinischen Amtes zu verzichten.



Aber nach Pater Fausti war dieser Rücktritt schon zu Beginn des Pontifikates programmiert worden, für den Fall, daß die Dinge sich nicht so entwickelten wie geplant.
Und er war sogar schon während des Konklaves 2005 geplant worden- "als Martini seine Stimmen auf Kardinal Ratzinger übertrug, um die schmutzigen Spielchen einiger Kardinäle zu umgehen, die darauf abzielten, sie beide als Bewerber zu eliminieren, so daß sie statt dessen einen "sehr schlauen Mann aus der Kurie" hätten wählen können, der es nicht schaffte", enthüllte Pater Fausti.

Nachdem er einmal den Trick entdeckt hatte, ging Kardinal Martini am Abend zu Kardinal Ratzinger und sagte zu ihm: "Akzeptiere du morgen die Wahl zum Papst mit meinen Stimmen. Du solltest annehmen, weil du seit 30 Jahren in der Kurie gearbeitet hast und intelligent und ehrlich bist. Wenn du in der Lage bist, die Kurie zu reformieren, o.k., wenn du es nichts kannst, kannst Du das Amt verlassen."

Diese Erzählung ist sicherlich suggestiv und sie enthüllt einige Aspekte, die im Allgemeinen nicht bedacht werden.
Zunächst diese: die Unterscheidung zwischen Konservativen und Progressiven war 2005 aus der Mode gekommen. Diese Entwicklung wird vom langjähruigen Vatican-Beobachter Giuseppe Carli bestätigt, der in seinem Buch "Brevario del nuovo millenio" schreibt, daß die Progressiv-Konservativ-Dialektik  überholt sei-
Danach standen konsequenterweise Kardinal Martini und Kardinal Ratzinger nicht auf verschiedenen Seiten.
Pater Federico Lombardi, Direktor des Pressesaales des Hl. Stuhls, hat das bewiesen, als er das dritte Buch Papst Benedikts über Jesus von Nazareth vorstellte.
Er verlas einige der Äußerungen Kardinal Martinis dazu, darunter diese: "ich wollte ein Buch über Jesus schrieben, dann hat Ratzinger all das getan, was ich getan hätte." Das von dem Kardinal der von den Progressiven so geliebt wurde.

Diese Interpretation des Konklaves von 2005 hat jedoch einige Löcher.
1. Pater Fausti sagte, daß Kardinal Martini mehr Stimmen gehabt hätte als Ratzinger, ein Detail das alle irgendwie Beteiligten, einschließlich des berühmten "Tagebuch des Konklaves" zurückweisen.
Ratzinger hatte immer die meisten Stimmen und Kardinal Martini war nicht einmal in Erwägung gezogen worden, weil er bereits an M. Parkinson erkrankt war.

2. Die Identität des "schlauen" Kurienkardinals ist auch ein Geheimnis. Wenn wir uns aus dem Fenster lehnen und die Rekonstruktion des Tagebuchs des Konklaves akzeptieren, war kein anderer Kardinal auf der Bühne, der einzige Opponent für die Wahl Benedikts XVI war Jorge Mario Bergoglio.
8 Jahre später wurde der Name Bergoglio von den meisten alten Kurienkardinälen wieder vorgeschlagen, die ihn 8 Jahre zuvor unter die Papabili  gesetzt hatten.
So gesehen- ging von der Wahl von Papst Franziskus die Botschaft aus, dass das Pontifikat Benedikts XVI in der Kirchengeschichte "in Klammern stehe" und daß die Kardinäle sich vielleicht bei ihrem ersten Angang getäuscht hätten, aber heute- durch die Wahl Bergoglios auf dem besseren Weg seien, dichter am Geist der Welt.

3.Der Eindruck eines "Diskurswechsels" war sofort nach der Wahl von Papst Franziskus spürbar. während der neue Papst erstmals mit der kurialen Realität kämpfte, die so anders ist, als das, was er in seiner Erzdiözese Buenos Aires kannte.
In seinem Kampf half Franziskus sein politischer Instinkt, aber seine Berater taten es nicht.
Deshalb hat der "hidden vatican" Schritt für Schritt einen wichtigen Platz im Pontifikat von Papst Franziskus erobert, das heißt, jener Vatican über den niemand spricht und der dennoch der ist, der unermüdlich für die Institution arbeitet.
Benedikt XVI hat sich auch mehr und mehr als einer von Franziskus "versteckten Ratgebern" erwiesen, zumal er der einzige Mensch ist, der einige von Franziskus´ Äußerungen und Ausdrücken kritisieren kann ( obwohl der Papa emeritus niemals den ersten Schritt macht, sondern immer darauf wartet, dass er von Papst Franziskus um seine Meinung gebeten wird)

Die Art wie sich Pater Fausti in der gedruckten Version ausdrückt, bestätigt das derzeitige dringende Verlangen, das einige fühlen, die Legende von Papst Franziskus als Mann der Vorsehung zu verstärken, des Papstes, der half, das Hindernis des Konklaves von 2005 zu überwinden und der mit seiner Frische und Neuheit in der Lage ist, das Image der Kirche zu verändern.

Allerdings schwächt Papst Franziskus selbst diese Darstellung ab. Nicht öffentlich - die Tatsache, daß dieses Pontifikat sein Image sehr aufmerksam beobachtet, wurde zuletzt durch die Einrichtung eines Sekretariates für Kommunikation bewiesen. Aber er tut das, indem er einzelne Stücke aus der Geschichte rezitiert, indem er Teile der Darstellung spontan demontiert und eine Lesart zur anbietet, die besser zur Realität paßt,
Das hat er z.B. bei der Pressekonferenz während des Rückfluges von Südamerika  getan.
Der Papst wurde über das Kruzifix mit Hammer und Sichel gefragt, das von Pater Luis Espinal entworfen wurde, dem Jesuiten der 1980 von einer Todesschwadron ermordet wurde. Papst Franziskus hatte ihn geehrt, indem er an dem Platz, an dem er ermordet worden war, betete.
Während der Pressekonferenz klärte Franziskus später darüber auf, daß er durch das Geschenk von Evó Morales (wie es seinem Gesichtsausdruck nach und durch die falsche Beschreibung durch die Reporter geschienen hatte) nicht verletzt gewesen sei.
Er betonte dann die Notwendigkeit einer Hermeneutik des Kontextes, soll heißen eine Kontextualisierung der Gedanken und Werke von Pater Espinal.
Am Ende erklärte Franziskus, man müsse die Befreiungstheologie relativieren, um zu verstehen, daß in Lateinamerika das wirkliche Thema der Kirche sei, auf einer Seite zu stehen und zu sehen, daß die Befreiungstheologie dazu Raum bot, hat manche Jesuiten dazu bewogen, ihn zu nutzen.

Der Jesuitenorden hat diese Bemerkung des Papstes sofort auf seiner website wiederveröffentlicht, als ob sie so die kontroverse Wahl rechtfertigen wollten, die einige Jesuiten getroffen hatten, die von der Glaubenskongregation getadelt worden waren. Ein Beispiel für die Verurteilung durch die Glaubenskongregation war der Theologe Jon Sobrino, in dessen Denken die Armen und nicht Jesus Christus im theologischen Mittelpunkt von allem standen,
Papst Franziskus erwähnte die "Hermeneutik des Kontextes" am Beginn seiner Pressekonferenz  und zeigte damit an, daß er nicht überinterpretiert werden möchte, weil viele seine Gesten und Aktionen eher in einem pragmatischen als in einem präzisen und konsistenten theologischen Rahmen zu betrachten seien.

Um seine Position zur Befreiungstheologie zu rechtfertigen, erwähnte der Papst zwei Instruktionen der CDF zur Befreiungstheologe - die 1984 und 1986 herausgegeben worden waren.
Die erste verdammt die irrige Vergöttlichung der Befreiungstheologie, während die zweite ihre positivem Aspekte würdigt. Aber der Papst erwähnte auch einen internen Brief der Jesuiten über Christen und Marxisten, eine Analyse, die vom damaligen Ordensgeneral der Gesellschaft Jesu Pater Pedro Arrupe ausgesandt worden war.

Der Inhalt dieses Briefes zerstört die Darstellung, die Pater Bergoglio als den verhaßten Jesuiten-Provinzial zeichnete, der der Befreiungstheologie feindlich gegenüber stand, während andere Jesuiten und ihr General Arrupe sie akzeptierten oder zumindesst einige ihrer pragmatischen Aspekte.

Pater Arrupe erklärt den Jesuiten, daß einige der Marx´schen Analysen wegen der Themen, die sie behandeln, nützlich sein können, daß aber die selben Analysen nicht genutzt werden können, ohne den Marx´schen Materialismus zu akzeptieren, so daß die Religion praktisch zur Seite geschoben wird.
Pater Arrupe fand diesen Weg inakzeptabel aber er wollte die Tür nicht zuschlagen, für den Fall, daß spätere Studien zeigen würden, daß es doch möglich ist, die historisch kritische Analyse von der materialistischen Philosophie zu trennen.

Als er sich der Befreiungstheologie entgegen stellte,  hat Bergoglio also nichts anderes getan, als die Instruktion seines Ordensgenerals in die Tat umzusetzen, indem er die scharfe Trennungslinie zwischen Marx und dem Volk beachtete und sich einer Bewegung anschloß, die in Argentinien weit verbreitet ist - der sogenannten "Theologie des Volkes", die sich mehr in großen Manifestationen von Volksfrömmigkeit  als in sozialen Kämpfen ausdrückt.

Warum also mußte man rund um Papst Franziskus die Legende eines unbeugsamen Mannes, fern von den Jesuiten schreiben? Und warum wurde, als er einmal gewählt war - die Geschichte der Revolution des Papstes Franziskus umso mehr gepuscht?
Ein Beispiel für diese triumphale Erzählung,wird durch den Medienhype rund um die Mediation des Hl.Stuhls zwischen Kuba und den USA gegeben, die dabei half, erneut diplomatische Beziehungen aufzunehmen.
Während der fliegenden Pressekonferenz gab Papst Franziskus unschuldig zu, daß er in dieser Beziehung gar nicht so viel getan habe - außer zu beten und einen Kardinal abzustellen, der die Gespräche vorbereiten sollte, wenn er es für nötig hielt (vielleicht  Kardinal Bertone, ein Langzeitbesucher Kubas, der für einige Wochen auf der Insel war, bevor die neuen diplomatischen Beziehungen verkündet wurden?)
Am Ende gab Papst Franziskus zu, daß die Kirche die Wiederannäherung zwischen Kuba und den USA- die schon begonnen hatte, nur begleitet habe, eine Annäherung die eines außergewöhnlichen Partners bedurfte.

Indem er so sprach, hat der Papst einen anderen Teil des Bildes von seinem Charakter entmythologisiert. und so seine kommende Kuba-Reise  vorbereitet - auf der bereits viele Erwartungen ruhen.
So ähnlich war auch die Reise Benedikts XVI nach Kuba 2012 von vielen Erwartungen begleitet worden.
Der Emeritus hatte zunächst geplant,  nur auf die Insel zu reisen, der Aufenthalt in Mexiko wurde vor allem deshalb eingebaut, weil die mexikanischen Bischöfe die Möglichkeit eines Papstbesuches hatten durchblicken lassen, bevor darüber entschieden worden war.
Als Resultat der Schwierigkeiten, die er auf dieser Reise erlebte, schloß Benedikt, dass es Zeit sei, das Pontifikat jemandem Jüngeren zu überlassen.
Er hat die persönliche Lebenskraft als für das Petrinische Amt so nötig angesehen, daß sein Rücktritt nicht als Konsequenz eines Paktes mit Kardinal Martini angesehen werden kann.
Nichtsdestoweniger zeigt die Tatsache, dass der Rücktritt von Papa emeritus als Ergebnis genau dieses Paktes, kombiniert mit auf verwirrende Weise aus dem Konklave von 2005 bekannt gewordenen Fakten - präsentiert wird, Details die weder bestätigt noch widerlegt werden können, daß die Agenda hinter dem Rücken von Papst Franziskus mit beträchtlicher Energie weiter verstärkt wurde,
Diese Agenda zielt auf eine Art De-Ratzingerianisierung der Kurie und der Kirche, ein Prozess, der einen Bruch in der Kirchengeschichte darstellen würde, mit einem Papst, der von anderen als Propagandainstrument ausgebeutet wird.

Die Agenda hinter dem Rücken von Papst Franziskus ist letztlich keine Agenda zugunsten des Papstes. Sie ist eine Agenda in Opposition zu einem bestimmten Kirchenmodell. Das wurde bei der Synode 2014 demonstriert, und es wird sich auch bei der kommenden Bischofssynode klar zeigen. Die Bischöfe werden sicher nicht den Erwartungen dieser Agenda entsprechen. Und noch weniger werden es die Gläubigen tun.

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci

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