Mittwoch, 29. Juli 2015

Pater Lombardi - Bocca della Verita

Sandro Magister schreibt heute bei www. chiesa im LÉspresso über Pater Lombardi  und verweist in seinem Wortspiel auf den antiken, bei Rom-Touristen sehr beliebten "Mund der Wahrheit" am Forum Boarium. Lügner konnten da leicht mal ihre Hand einbüßen..glaubte man dazumal. Ähnliches muß man beim guten Pater Lombardi nicht befürchten.
Hier geht´s zum Original:     klicken

                          "PATER LOMBARDI - MUND DER WAHRHEIT"

"Er gibt eine Beschreibung von Franziskus,die weit vom schmeichelhaften mainstream entfernt ist- und sehr viel glaubhafter. Und spricht zu Fragen wie der Reform der Kurie und Diplomatie. Aber er läßt eine Frage offen, ob dieser Papst mehr instinktiv oder eher strategisch handelt.


I

In den ersten Monaten des Pontifikates haben viele bei Papst Franziskus u.a. drei Züge identifiziert.
Der erste war Ungeduld mit der Kurie. Anstatt sich ihrer zu bedienen, schien Franziskus seinen eigenen Weg gehen und um sich herum ein winziges aber aktives Team vertrauter Mitarbeiter schaffen zu wollen, ein bißchen so wie Pius X es ein Jahrhundert vor ihm mit seiner persönlichen "segretariola" gemacht hatte.
Die "Segretariola" von Franziskus- der Papst der alles selber machen will    klicken

Ein zweites besonderes Element wurde in der neuen Form und den neuen Inhalten seiner Beiträge auf dem Feld der Geopolitik ausgemacht. Ein emblematisches Beispiel dafür war der "Tag des Gebetes und Fastens" gegen die Militäraktion des Westens gegen Syrien am 7.9.2013- fast wie der Ausdruck seiner eigenen, neuen globalen Strategie.

Das dritte war das offensichtlich Spontane und Improvisierte vieler seiner Handlungen und Worte. Mehr und mehr verließ Franziskus die vorbereiteten Texte- um frei zu sprechen und gab Interviews, ohne sie vorher oder nachher zu bewerten und handelte unter Bruch des Protokolls.

Aber heute -nach mehr als 2 Jahren- scheint keiner dieser 3 Eindrücke bestehen zu können. Und eine entschiedene Zurückweisung der ersten kommt von einem Zeugen mit sicherer Glaubwürdigkeit, jemandem, der Papst Franziskus von sehr Nahem kennt und ihn jeden Tag sieht- dem Jesuiten Pater Federico Lombardi, Direktor des Vaticanischen Presseamtes.

Pater Lombardis Sicht ist in einen langen Artikel über das Pontifikat von Papst Franziskus eingebettet, das im August im berühmten internationalen Magazin National Geographic erscheinen wird.

Der Autor des Artikels, der amerikanische Journalist Robert Draper, präsentiert einige Auszüge aus einer Unterhaltung zwischen Pater Lombardi und einem seiner argentinischen Kollegen, Federico Wals, dem früheren Pressesprecher Jorge M.Bergoglios in Buenos Aires- die in Rom stattfand.
"Wie fühlen Sie sich mit meinem früheren Boss?" fragte Wals. Und Lombardi: "Verwirrt".


Weit vom kleinen aber kompakten Parallelteam im direkten Dienst des Papstes entfernt, erklärt Lombardi, daß jeder der Mitarbeiter von Franziskus, selbst die engsten, nur einen Teil dessen weiß, was der Papst entscheidet und tut.
Als Beispiel dafür berichtet Lombardi von einem Treffen zwischen dem Papst und Jüdischen Führern in Santa Marta, von dem er und das Vaticanische Presseamt erst erfuhren, als es vorbei war: "Keiner weiß alles."
Lombardi sagt "Sogar sein persönlicher Sekretär weiß es nicht. Ich muß herumtelefonieren. Einer kennt einen Teil seines Terminkalenders, eine anderer einen anderen Teil"
Daraus kann man schließen, daß Bergoglio den einen oder anderen seiner engsten Vertrauten- je nach ihren Neigungen und Fähigkeiten benutzt.

Unter den ihm am nächsten Stehenden sind einige Argentinier.
Fabian Pedacchio Leaniz, sein persönlicher Sekretär
Gulliermo Javier Karcher, Meister der päpstlichen Zeremonien und Protokoll-Attaché im Staatssekretariat, das alle Dokumente des Hl. Stuhls prüft.
Marcelo S. Sorondo, Kanzler der Päpstlichen Wissenschaftsakademie
V.E. Sanchez, Rektor der Katholischen Universität Argentiniens in Buenos Aires und der Intellektuelle auf den er sich- trotz seines alles andere als brillanten, eher zweifelhaften Rufes stützt.
(s.a. "Und das soll der Theologe des Vertrauens des Papstes sein?", klicken

Andere sind Italiener
Antonio Spadaro, Jesuit, Direktor von "Civiltà Cattolica"
Dario E. Viganò, Direktor von CTV und nun auch Präfekt des neu gegründeten Sekretariates für Kommunikation
Battista Ricca, Direktor von Santa Marta,  von Franziskus zum Prälaten der IOR ernannt, trotz seiner skandalösen Vergangenheit-besonders zu der Zeit, als er Berater der Nuntiatur in Monte Video, auf der anderen Seite des Rio de la Plata, gegenüber von Buenos Aires war. 
Siehe "Der Prälat der schwulen Lobby"   klicken

Auf alle Fälle- wieder nach den Worten Pater Lombardis -selbst wenn die Kurie "auf Kurs" ist, arbeitet der Papst auf eine abgetrennte Weise, mal mit diesem und mal mit jenem Funktionär oder Büro.
"Franziskus hat die Macht des Staatsekretariates drastisch reduziert, besonders im Bereich der Vatican-Finanzen. Das Problem ist, daß díe Struktur der Kurie nicht länger klar ist. Der Prozess (der Reform) geht weiter und wo sie endet, weiß keiner. Der Staatssekretariat ist nicht mehr so zentral und der Papst hat viele Beziehungen, die er allein regelt - ohne jede Beratung."

Und dennoch hat auch diese Unordnung einen Vorteil, fügt Lombardi hinzu.
"In gewissem Sinne ist das positiv, weil es in der Vergangenheit Kritiken gab, jemand habe zuviel macht über den Papst. Das können sie in diesem Fall nicht mehr sagen."

Pater Lombardi entmystifiziert auch die geopolitische Strategie des Papstes.
Er vergleicht, was Benedikt XVI ihm nach einem Treffen mit einem der Weltführer gesagt hätte, um ihm eine Zusammenfassung des Gesprächsinhaltes in einem statement zu ermöglichen und was Papst Franziskus ihm heute erzählt.
"Es war unglaublich. Benedikt war so klar. Er hätte gesagt: "Wir haben über diese Dinge gesprochen, in diesen Dingen stimmen wir überein. Diesen anderen Punkten würde ich widersprechen, Thema unseres nächsten Treffens wird das und das sein." Zwei Minuten und ich bin völlig darüber im Bilde, was der Inhalt war. Mit Franziskus? Das ist ein weiser Mann, er hatte diese interessanten Erfahrungen."

Diplomatie bedeutet für Franziskus nicht so sehr Strategie sondern: "Ich habe diese Person getroffen, wir haben jetzt eine persönliche Beziehung, lass uns jetzt Gutes für die Menschen und die Kirche tun."

Pater Lombardi -immer noch im National Geographic- besteht aber darauf , Papst Franziskus als "völlig spontan" zu beurteilen, sogar wenn er spektakuläre Gesten wie die Gruppenumarmung in Jerusalem- vor der Westmauer des Tempels- zwischen ihm selbst, dem Papst, dem Imam Omar Abboud und Rabbi Abraham Skorka - beides argentinische Freunde-ausführt.
Aber daß Bergoglio ein reiner Instinktmensch sei, mit der Gabe zur Improvisation-dem wurde gerade von diesem Rabbi Skorka widersprochen, der sagte, daß er diese Idee der Umarmung mit dem Papst schon vor der Abreise ins Heilige Land besprochen habe.

Und es gibt viele Zeugnisse von Langzeitbekannten Bergoglios, die ihn als "Schachspieler" beschreiben, einen raffinierten Strategen, dessen Alltag perfekt organisiert und noch sorgfältiger erarbeitet ist.
Er selbst sagt zudem zu Civiltà Cattolica in seinem wichtigsten Interviews als Papst:

"Ich bin immer vorsichtig mit der ersten Entscheidung, das heißt, dem Ersten, was mir in den Sinn kommt, wenn ich eine Entscheidung treffen muß. Das ist gewöhnlich falsch. Ich muß also warten, einschätzen, tief in mich hineinschauen und mir die nötige Zeit nehmen."

Sogar seine Ausdruckstärke im Kontakt mit den Massen- so fröhlich und extrovertiert- kann kaum nur der Eingabe des Hl. Geistes nach seiner Wahl zum Papst zugeschrieben werden, wie er es mehrmals wiederholte. Jeder, der ihn länger kannte und sein Freund war sagt es so -wie kürzlich Erzbischof Agostino Marchetto-in einem ausführlichen Interview in "Critica marxista"  im Juni 2015  "ich erinnere ihn als einen sehr ernsten Menschen, der niemals lacht, niemals."

Ein so starke Veränderung des äußerlichen Benehmens kann nur teilweise aus einer rationalen Bewertung seiner Aufgabe kommen.
Und das trifft auch auf die offensichtliche Vorliebe des Papstes für einen mündlichen Kommunikationsstil gegenüber dem geschriebenen zu.

Im Osservatore Romano vom 15. Juli zeigte Msgr.Viganó, ein Spezialist auf diesem Gebiet, daß diese Vorliebe in keiner Weise abgelegt wurde.

Aber man kann hinzufügen, daß Franziskus auch anfängt, die Nachteile einer exzessiven, nonchalanten mündlichen Kommunikation zu beachten.
Wenn er z.B darauf besteht, seine Worte einer "korrekten Hermeneutik" zuzuführen- wie er es bei der fliegenden Pressekonferenz bei seiner letzten Reise tat, mag er an den kolossalen Fehltritt, der ihm am 11. Juli in Asuncion unterlief, denken, als er frei zu Repräsentanten der Gesellschaft und den höchsten Autoritäten Paraguays sprach. Da sagte er an einem bestimmten Punkt:

"Bevor ich schließe, möchte ich eine Bemerkung zu zwei Dingen machen. Wenn ich das tue,  weil hier politische Autoritäten anwesend sind-einschließlich des Präsidenten der Republik, möchte ich das auf brüderliche Weise tun. Sehen Sie, Herr Soundso ist von der Armee entführt worden, bitte tun Sie etwas,um zu helfen. Ich weiß nicht, ob das wahr ist oder nicht, ob das richtig ist oder nicht.
Aber eine der Methoden, die die diktatorischen Ideologien des vorigen Jahrhunderts benutzten- auf die ich mich vorher bezogen habe, war es, Menschen zu separieren- sei es durch Exil oder Gefangenschaft, oder sie durch das Instrument der Konzentrationslager -bei den Nazis und Stalin- durch den Tod zu eliminieren. Damit es eine wirklich Kultur der Menschen gibt, eine politische Kultur, eine Kultur des Gemeinwohls, muß es schnelle und klare juristische Prozeduren geben. Es bedarf keiner anderen Strategie. Klare und nachvollziehbare Urteile.
Das würde uns allen helfen. Ich weiß nicht, ob es das hier gibt und ich sage das mit dem größten Respekt. Mir wurde das gesagt, als ich hierher kam, mir wurde diese Information gegeben, ich wurde gebeten, eine Nachfrag nach jemandem zu stellen, den ich nicht kenne. Ich habe den Nachnamen der betroffenen Person nicht verstehen können"

Der Name, den Franziskus nicht verstanden hatte- war der von Edelio Murinigo- einem Politiker, der vor einem Jahr -nicht von der regulären Armee Paraguays - wie der Papst es verstanden hatte- sondern von einer selbsternannten marxistisch-leninistischen Terrorgruppe- namens "Ejercito del pueblo paraguayo" , die seit 2008 im Land aktiv ist

Und trotz seines zugegebenen und unterstrichenen Nichtwissens in diesem Fall, schreckte Franziskus nicht davor zurück, die armselige und wirre, kurz zuvor erhaltene Information zu benutzen, um den untadeligen Präsidenten von Paraguay "brüderlich" nicht weniger als eines Verbrechens- den schlimmsten Missetaten der
Nazis und Stalinisten vergleichbar - zu bezichtigen.

In diesem Fall hatte Pater Lombardi Recht. Hier gewann der Impuls "spontan" gegenüber der Reflektion.
Es sieht so aus, als habe Franziskus hier das Erste tat, was ihm in den Sinn kam."
Quelle: www.chiesa-, Sandro Magister

                                                  La Bocca della Verita


                           
                           Foto: wikicommons






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