Mittwoch, 16. September 2015

In der Klausur des Papa emeritus

Vittorio Messori, dem wir für seinen schönen Text nur danken können, hat den Emeritus in Mater Ecclesiae besucht und berichtet darüber bei La Nuova Bussola Quotidiana.
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           "EIN MORGEN IN DER KLAUSUR DES PAPA EMERITUS"
"Am Morgen des 9. September bin ich an der Porta Sant´Anna in ein von einem Offizier der Schweizer Garden gefahrenes Auto gestiegen, das mich durch die berühmten Vaticanischen Gärten in das Kloster Mater Ecclesiae brachte.           
Wie man weiß, ist das der Ort, den der Papa emeritus gewählt hat, um dort nach seinem beklagenswerten Rücktritt zwischen Gebet und Studien zu leben. Eine der vier Memores Domini (von Don Cuissani inspirierte religiöse Familie) die Benedikt XVI versorgen, hat mich empfangen und es mir ein einem kleinen Zimmer im ersten Stock bequem gemacht-von dem aus man aber die wie schwebend wirkende Kuppel in Gänze sehen kann.

Wenige Minuten später-bin ich im Fahrstuhl und da ist auch ein Benedikt XVI, allein, lächelnd auf der Schwelle seines Arbeitszimmers.

Zuerst meine professionelle Zusammenarbeit und dann die Freundschaft mit Joseph Ratzinger resultierte aus den frühen 80-er Jahren, als wir gemeinsam das Buch "Bericht über den Glauben", das in der ganzen Kirche Aufsehen erregte, vorbereiteten. Aber- als er Papst geworden war- habe ich seine Verpflichtungen respektiert, ich habe ihn nicht um Audienzen gebeten und habe ihn nur ein einziges Mal getroffen, weil er mich nach der Veröffentlichung von "Warum ich glaube", das ich gerade mit A. Tornielli geschrieben hatte, sehen wollte.

Ich habe dann auch seinen Rückzug respektiert, aber seine von seinem Sekretär überbrachte Einladung, ihn zu besuchen, hat mich gefreut, ebenso die Gelegenheit, ihn wiederzusehen und mit ihm vertraulich zu sprechen.
Als diese Einladung mich erreichte, dachte ich sofort, daß ich ihn nicht mit indiskreten Reporterfragen belästigen wollte- wie zu seinem Verhältnis zu seinem Nachfolger oder nach den "wahren Gründen" seines Rücktritts.
Die notorischen Verschwörungstheoretiker und Obskurantisten werden also gebeten, sich aller Gedanken zu enthalten, daß hinter unserem Treffen wer weiß was stecken müsse.

Während ich mich hinkniete, um ihm die Hand zu küssen (wie es eine Tradition will, die ich respektiere, besonders wenn man versucht, die Rolle des Summus Pontifex herabzuwürdigen), hat mir Seine Heiligkeit die Hand auf den Kopf gelegt - für einen Segen, den ich wie ein großes Geschenk empfangen habe.

Mit der anderen Hand hielt er sich an seinem Gehwagen fest, jetzt sind ihm die Spaziergänge mit dem Sekretär in den Gärten verwehrt. Seine Bewegungsmöglichkeiten sind so eingeschränkt, daß er auf einen Rollstuhl angewiesen ist, im Haus kann er sich für wenige Meter auf den Gehwagen stützen, den "girello" wie sie ihn nennen.
Unter der weißen Soutane errät man die Magerkeit, aber sein Gesicht trägt nicht die Zeichen der fast 90 Jahre: es ist wie immer, das des ewigen Jungen, das den Kontrast zu den ganz weißen Haaren und dem lebhaften Blick der klaren Augen bildet. "Schön" insgesamt, so wie er immer war. Und schön ist auch seine intellektuelle Klarheit, sein Aufmerksamkeit für den Gesprächspartner. "Spiritus promptus, caro infirma" - dieses Zitat kommt einem spontan in den Sinn, wenn man neben diesem Geist steht, der Gefangener eines "Fleisches" ist- zu müde ihn zu tragen.

Auf dem Rändern zweier - wegen seiner Schwerhörigkeit zusammengerückten- Sofas sitzend -haben wir mehr als eine Stunde miteinander gesprochen. Ich habe - wie ich bereits sagte - mich enthalten, offensichtliche und zu simple Fragen zu stellen. Er aber hatte viele Fragen. Er hat mir aufmerksam zugehört, als ich - auf seine Frage - hin versucht habe, ihm eine Zusammenfassung der Situation der Kirche zu geben, so wie ich sie wahrnehme. Am Ende hat er nur gesagt: "Ich kann nur beten".
Ich habe ihn gebeten, uns ein Geschenk zu machen: ein " De Senectute"- eine Zusammenstellung aus Erinnerungen - aber aus christlicher - besonders katholischer Sicht, die er gesammelt hat - eingeschrieben in seine - auch schmerzhafte - Erfahrung des Alters und der Öffnung auf das "danach" - das wahre Leben, das uns alle erwartet. Eine kostbare Gelegenheit, die Kirche mit diesen letzten Dingen zu konfrontieren, die sie verdrängt, weil sie nicht mit der ewigen Erlösung beschäftigt ist, sondern mit dem Wohlergehen aller in diesem Leben.Er schüttelte den Kopf, und er antwortete:"Es wäre eine wertvolle Sache, ich habe dieses Vergessen des Todes, diese Entfernung des "nachher" mit dem, was nach dem "danach" vor uns liegt, oft verurteilt. Aber Sie wissen, daß ich als Theologe gewohnt bin, die Wirklichkeit durch die philosophischen Kategorien filtern, ich könnte also nur so schreiben. Aber jetzt fehlen mir die Kräfte, das zu tun" Und dann: "Meine Pflicht gegenüber der Kirche und der Welt versuche ich durch das Gebet zu erfüllen, das meinen gesamten Tag ausfüllt."
"Mentale oder wörtliche Gebete, Heiligkeit?" Kommt es mir - vielleicht vergeblich - in den Sinn zu fragen. Die Antwort kommt sofort: "vor allem mündlich, der gesamte Rosenkranz, mit seinen drei Kronen, dann die Psalmen, die Gebete der Heiligen und Bibeltexte und die Anrufungen des Breviers. Für das mentale Gebet bietet sich die Lektüre spiritueller und theologischer Texte und die Bibelexegese an.Und lassen Sie mich es sagen - auch unter dem Verdacht der Eitelkeit - er wollte mir in seiner Güte besonders für ein Buch danken, diese Untersuchung über die Passion Christi "Gelitten unter Pontius Pilatus", das ich zusammen mit A. Tornielli geschrieben habe und das er nicht nur zitiert hat sondern das er in den ersten beiden Bänden seiner als Papst veröffentlichten Jesus-Trilogie empfohlen hat. Offen gesagt war ich darüber als Autor froh, aber auch wegen jener Apologien, die nach dem Konzil bis zu dem Punkt dämonisiert wurden, daß ihr Name in den Seminaren verschwand ("Fundamentaltheologie" nennen sie die klerikal Korrekten) - die aber für das unverzichtbar sind, worauf Ratzinger immer bestanden hat - als Theologe, dann als Papst und oberster Glaubenshüter. Nämlich die Möglichkeit und die Notwendigkeit, Glauben und Vernunft nicht als Kontrast zu sehen sondern sie - Glaube und Vernunft, Intellekt und Devotion, in gegenseitiges Zusammenwirken zu stellen.Wir haben uns auch anderen Themen angenähert, aber die fallen unter die gebotene Diskretion, ich muß hinzufügen - mit einem ironischen Lächeln für die, die darauf beharren wollen, an ein finsteres Treffen unter Verschwöreren zu denken - ich muß also hinzufügen, daß obwohl die Essenszeit schon weit überschrtritten war, keiner kam, um zu Tisch zu bitten, Benedikt XVI haben sie mir gesagt, ißt nur noch sehr wenig - ("wie ein Spatz") allein, ab und an einen Blick auf die Fernsehnachrichten werfend: er hat also sehr selten Tischgesellschaft.Alles zusammen genommen sind die Dinge, die ich zu sagen habe- wie man sieht - nicht beklagenswert. Wenn ich trotzdem daran gedacht habe, darüber zu schreiben und die Leser damit zu konfrontieren: dann weil es neben dem Grab Petri einen bewunderungswürdigen Greis gibt, der für 8 Jahre die Kirche geführt hat und jetzt keine andere Beschäftigung hat, als für sie zu beten. Mit Nachdruck aber ohne jede Angst.Und daß - auch wenn man nicht vergißt, daß die Päpste kommen und gehen, die Kirche aber bis zum Ende der Geschichte bleibt, die Botschaft ihres wahren Hauptes und Körpers an uns Kleinmütige lautet: "Ängstige dich nicht du kleine Herde, dieses Schiff wird nicht untergehen und trotz jeden Sturmes wird es bis zu meiner Wiederkehr auf dem Wasser schwimmen."
Quelle: La Nuova Bussola Quotidiana, V. Messori

p.s. Vittorio Messori hat zusammen mit Kardinal Ratzinger 1985 das Gesprächsbuch "Zur Lage des Glaubens" (Rapporto sulla fede) herausgebracht

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