Samstag, 25. März 2017

Kardinal Arinze oder ein Löwe im Winter

John Allen hat für Crux den nigerianischen Kardinal F. Arinze interviewt.
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"KARDINAL ARINZE : NACH AFRIKANISCHEM STANDARD BIN ICH NICHT KONSERVATIV,  DA BIN ICH NORMAL"

Der Nigerianische Kardinal Francis Arinze - emeritierter Präfekt der Liturgie-& Sakramenten-Kongregation- nach der Abschlussmesse der Bischofssynode zur Familie im Vatican am 25. Oktober 2015

Vom 22.-25. März fand in der Universität von Nôtre Dame, veranstaltet im Global-Gateway-Center, eine Konferenz über die Afrikanische Theologie statt. Einer der Gäste war der Nigerianische Kardinal Francis Arinze, früheres Oberhaupt der Liturgiekongregation.
        

Crux: "Was ist am Katholizismus in Afrika besonders?"

Arinze:  "Alle lieben ihren Glauben. Aber weil jedes Volk seine eigene Sprache, seinen eigenen Stil, seine Art zu zelebrieren hat, so hat es auch seine Art zu leben. Ein italienischer Katholik wird sich ein bißchen von einem irischen und auch von einem deutschen Katholiken unterscheiden. Deshalb sind der nigerianische und der tansanische Katholik verschieden.

Kurz gesagt, wir sagen wirklich, daß der Glaube, der eine, in jeder Kultur inkarniert ist. Jedes Volk wird diesen Glauben leben und es selbst sein, das ist das Beste an ihrer Kultur, dem durch ihren Glauben Leben gegeben werden sollte. Wie Papst Johannes Paul II manchmal sagte: der Glaube breitet sich aus wie ein Baum, der in seiner natürlichen Umgebung wächst."
Crux: "Sprechen wir über Ihr eigenes Land. Können sie uns zwei oder drei Charakteristika über den Glauben, der sich in Nigeria ausbreitet, sagen?"
"Eines wäre die Liebe zur Gemeinschaft und der Zelebration. Unsere Völker- egal wie arm- mögen sich gern mit anderen verbinden. Das kann in Freude und in Sorge sein- das kann bei einer Hochzeit oder einem Begräbnis sein. Aber der Einzelne ist nie allein. Das ist ein Wert, der für die Kirche sehr wertvoll ist.

Ob es die religiöse Profess einer Schwester oder Bruders ist, die Weihe eines Priesters oder Bischofs ist, oder ob ich nur wegen eines Urlaubs von Rom nach Nigeria fahre, nie bin ich allein. Unser Volk, unser Gemeinschaftssinn. Sie kommen- und nicht unbedingt wegen einer Verabredung. Sie fragen einfach-"Ist der Kardinal da? Weil sie wissen, daß ich da bin und daß ich von weit her gekommen bin.Das ist einfach normal. Und sonntags gehe ich hin und halte die Messe. Und nach der Messe, sagen sie zu mir "erzählen Sie uns Kardinal, was in den letzten 12 Monaten in Rom passiert ist." Und sie sagen, wer in Eile ist, kann nach Hause gehen und die meisten Leute setzen sich hin. Und wir kommunizieren.

Ein anderes Thema ist die ganze Idee von Gesang und Freude während der Zelebration. Nicht unbedingt tanzen. Europäer und Amerikaner denken, daß Afrikaner die ganze Zeit tanzen. So ist es nicht unbedingt.
Aber wenn Sie einem US-Amerikaner einen Korb Bananen geben, um ihn dem Zelebranten zu bringen und sie den selben Korb Bananen einem Afrikaner geben, werden sich ihr Bewegung zum Altar hin etwas unterscheiden" sagte er."Der Nigerianer wird sich ein bißchen nach links und ein bißchen nach rechts bewegen, sagt er, "sein ganzer Körper drückt die Freude des Gebens aus.

Das ist Ihrer Meinung nach, nicht wirkliches Tanzen...


Nein nicht wirklich. Aber sie beteiligen sich mit Geist, Leib und Seele an der Handlung. Und wenn sie tanzen, wird es delikater. Weil es viele verschiedene Arten von Tanz gibt. Wir haben einen traditionellen Kriegstanz. Dann gibt es einen normalen Tanz, zur Unterhaltung, den wir in einer Gemeindehalle haben würden, nach der Messe, wenn uns in Bischof besucht. Und dann haben wir einen Tanz für die Frauen, die einen Ehemann suchen. Aber das wäre ein wenig provokativ, weil sie einen Ehemann suchen, das ist der Sinn dieses Tanzes. Aber Sie können sehen, daß keiner davon in die Messe paßt, weil der Grund für die Messe die Anbetung, Eucharistie und die Bitte um das ist, was wir brauchen. Da paßt es nicht so besonders gut, wenn da irgendetwas Seltsames während der Hl. Messe geschieht... 


Dann ist da die Verantwortung, die unser Volk gegenüber der Kirche fühlt.

Wenn Sie z.B. einen Seminaristen haben, der ein bißchen wackelig ist, der sich mit irgendeinem seltsamen Vorhaben beschäftigt ist, wird eine der Damen der Catholic Women´s League das erfahren.

Erzählen Sie Ihnen davon?


Nein, es ist nicht wahrscheinlich, daß sie das dem Bischof erzählen. Aber eine der Frauen könnte zum Gemeindepriester sagen "Wollen Sie und der Bischof diesen jungen Mann zum Priester weihen? Wollen Sie wirklich, daß er Priester wird?" Das ist ein Hinweis darauf, was sie denken.

"Sie haben also eine Art informelles Netzwerk?"  

"Ich würde es einen Nachrichtendienst nennen. Ich nenne es, sich interessieren. Daß wir die Kirche sind und wenn dieser junge Mann geweiht wird, wird er für uns arbeiten, deshalb haben wir etwas dazu zu sagen. Als ich Bischof war, war ich damit sehr glücklich. Für das Seminar hatte ich Frauen, die ihre Kinder gut erzogen hatten, und Männer und Priester und natürlich religiöse Schwestern. Weil sie sich sorgen, sie sehen die Kirche als alle von uns- was gesund ist."

"Zu Beginn dieser Unterhaltung habe ich Sie als distinguiert beschrieben, was im Englischen manchmal ein Synonym für alte.... "  
"Dafür würde ich mich qualifizieren!" 

"Was ich meine ist, Sie sind eine Weile herumgekommen.  Heute scheint mir, daß afrikanische Bischöfe ausgeprochener und mehr willens geworden sind, weltweit Protagonisten in der Kirche zu sein, einschließlich ihrer Rolle bei den beiden letzten Familien-Synoden der Bischöfe. Glauben Sie, daß das wahr ist?" 

"Es ist wahr, was Sie bemerkt haben. Das ist auch verständlich, weil es, als Vatican II vor 55 Jahren gefeiert wurde, nur wenige afrikanische Bischöfe gab. Die meisten Bischöfe, die in Afrika arbeiteten, waren Missionare, die den Glauben dorthin brachten und sie haben das sehr gut gemacht.

Es gibt große Unterschiede zwischen den Ländern....Sie müssen sich erinnern. daß es 54 Länder in Afrika gibt. Aber dann-nach und nach-kommen mit dem örtlichen Klerus Bischöfe...Das ist eine normale Entwicklung. Und auch die Bischöfe und Kardinäle sammeln mehr Erfahrungen was Kirche ist und sie können mehr dazu beitragen. Das ist eine normale Entwicklung der Göttlichen Vorsehung."

"Viele Leute denken, daß die afrikanische Kirche konservativer oder traditioneller ist als andere, sagen wir in Westeuropa. Ist das eine faire Wahrnehmung oder passen diese Kategorien nicht?" 

"Das Wort "konservativ" wird von den Menschen auf verschiedene Weise verstanden" sagte er."Nehmen wir an, Sie sagen, als wir Arithmetik hatten, lernten wir, daß 2+2= 4 ist. Das ist  immer noch so, bin ich konservativ, wenn ich das sage? Aber es gibt Punkte, bei denen man unterschiedlicher Meinung sein kann.
Auch die Familie hat in jedem Land der Welt ihre Herausforderungen. Es gibt kein Land, wo alles einfach ist.

In einigen Teilen der Welt  kann das Schwierigste die Scheidung sein, Menschen entscheiden sich, sich zu trennen. In Afrika gibt es auch Scheidungen, aber im Allgemeinen tun die Leute das nicht. Wenn ein Mann heiratet und Söhne will, weil Söhne in der afrikanischen Kultur wichtig sind, erben die Söhne den Besitz, während man von Töchtern erwartet, daß sie mit ihrem Mann gehen, wenn also deine Frau keinen Sohn hat, nimmst du dir einer andere Frau.  Er verstößt seine erste Frau nicht, sie bleibt da, dann hat er zwei-in der Hoffnung einen Sohn zu bekommen.

Wir können sagen "Aber das ist Polygamie!"  
Aber der afrikanische Polygamist wird antworten: "Ihr Deutschen, Franzosen oder Amerikaner, habe euch scheiden lassen und eine andere Frau genommen. Ich habe mich nicht scheiden lassen, ich habe meine erste Frau behalten, ich habe nur eine weitere. Ist das nicht besser?" Während wir keines von beiden unterstützen, sehen wir die Herausforderung des Christentums.

In vielen Ländern in Afrika gibt es Probleme mit der Polygamie, mit Männern, die eine zweite Frau nehmen. Sie haben eigentlich keine bösen Absichten, sie wollen einfach einen Sohn- Erinnern Sie Heinrich VIII? Es gibt also Unterschiede in den Akzenten.

Dann ist da der Einfluss der allgemeinen Kultur. In Europa und Nord-Amerika ist die Kultur säkular. Religion wird als Privatsache behandelt und die Leute scheinen sich für ihre Religion zu entschuldigen. In den meisten Ländern Afrikas ist Religion eine glückliche Sache. Wenn ich nach Hause gehe, ziehe ich am Flughafen meine Soutane an und das ist ganz normal."

"Sie müssen sich für nichts entschuldigen?" 

Überhaupt nicht. Wenn ich zum Flughafen komme, wollen die Grenzkontrolleure einen Segen, nicht in meinen Paß schauen. Sehen Sie, das ganze Klima in einer Gesellschaft beeinflußt die Bischöfe.
"Das, was manche als ‘konservativ’ betrachten, sehen Sie einfach als  normal an?"
"Ja. Und auch die Gesellschaft ist nicht gegen das Christentum. Auf viele Arten ist das Christentum in Europa viel gefährdeter als in Europa."
"Schlussfrage: für die nächsten 50 Jahre- sagen wir-  wie stehen die Chancen für einen Papst aus Afrika?"
"Ich glaube nicht, daß es relevant ist, woher ein Papst kommt. Das Wichtigsten ist, daß der Papst "liefern" kann, was gewinnen wir, wenn er aus dem eigenen Dorf kommt? Für mich ist es nicht wichtig. Was zählt, ist daß er ein Katholik ist." 

Quelle: Crux, John Allen, Kardinal F. Arinze



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