Dienstag, 18. April 2017

Noch eine Hommage an den Jubilar

A. Gagliarducci hat seinen Wochenbeitrag für "Monday in The Vatican" dem 90. Geburtstag des Emeritus und einer Hommage seines Wirkens in der Kirche gewidmet.
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"HOMMAGE AN BENEDIKT XVI, DEN MISSVERSTANDENEN PROPHETEN UNSERER ZEIT"
"Der April ist der grausamste Monat" sagt Eliot in seinem Gedicht "The Wasteland". Vielleicht kann das keiner besser verstehen als Benedikt XVI: er wurde an einem Karsamstag, Mitte April geboren und am selben Tag getauft und wurde Ostersonntag am 16. April 90. Wir sind im 4. Jahr seit er sich auf den Berg, in das Kloster Mater Ecclesiae zurückgezogen hat.
Der April ist ein grausamer Monat, weil- wie Christopher Altieri, der Generalmanager von Vocaris Media- erklärt "wir vom Frühling in positiven Worten sprechen, aber wir unterschätzen die Anstrengung und Ermüdung des Frühlings: alle diese Pollen, die abgegeben werden, von denen nur ein kleiner Teil erblühen werden; die Anstrengung des Wiedererwachens, das den Sommer bringen soll. Der Frühling ist wunderschön aber auch sehr schmerzhaft."
             
Papst Benedikt lebte diesen Frühling, schön und schmerzhaft zu selben Zeit. Frühling in der Kirchengeschichte war für ihn das Zweite Vaticanische Konzil. Er beschreibt den ersten Tag des Konzils als einen wunderschönen Tag, aber diese Worte beziehen sich auf die Vollversammlung. Dieser Tag war auch ein schmerzhafter Tag.

Seit Benedikt auf den Berg gestiegen ist um die Zeit in betenden Fürsprache für die Kirche zu verbringen, ist die Bitterkeit, die er während seines Pontifikates fühlte, wenn er über das Zweite Vaticanische Konzil sprach, vergessen worden.
Trotzdem fühlte er seit Beginn seines Pontifikates die Notwendigkeit, diese Periode der Kirchengeschichte zu erklären. In seiner ersten Weihnachtsansprache an die Römische Kurie 2005 betonte er, daß das Konzil durch die Linse der Kontinuität interpretiert werden müsse.
Das heißt: das Konzil war nicht der destruktive Frühling sondern der Frühling der zur Ernte neuer Früchte führte. Es war eine Erneuerung in Kontinuität, nicht ein völlig veränderter Organismus des Glaubens, genau so wie sich die Natur jedes Jahr im Frühling erneuert.
Am Ende seines Pontifikates, in seiner letzten Begegnung mit dem Römischen Klerus wollte er noch einmal auf diese Feststellung zurückkehren, als ob sie der rote Faden des gesamten Pontifikate gewesen sei. Er sagte, es habe ein Medienkonzil und ein reales Konzil gegeben. Und er stellte fest, daß das Medienkonzil das wahre Konzil überholt hat.

Daß die Erfahrung des II.Vaticanischen Konzils der Kreuzungspunkt für Benedikt war, wird durch die kurze Stegreifansprache bezeugt, die er am Ende des Fackelzuges hielt, der zur Feier des 50. Jahrestages des Zweiten Vaticanischen Konzils veranstaltet wurde. Es war der 11. Oktober 2012.
Als er sich aus dem Fenster des Apostolischen Palastes beugte, wie es Johannes XXIII 50 Jahre vorher getan hatte, tat er das im Gefühl einer veränderten Welt und betrogener Hoffnungen.

Er sagte: "Wir waren glücklich- würde ich sagen- und voller Enthusiasmus. Das große Ökumenische Konzil hatte begonnen; wir waren sicher, daß ein neuer Frühling der Kirche in Sicht war, ein neues Pfingsten mit einer neuen, starken Präsenz der befreienden Gnade des Evangeliums."





Dann fügte er hinzu: "Wir sind auch heute glücklich, wir haben Freude in unseren Herzen, aber ich würde sagen vielleicht eine verhaltene Freude, eine demütige Freude. In diesen 50 Jahren haben wir gelernt und erfahren, daß es die Ursünde gibt und daß sie sich als persönliche Sünde ausdrücken kann, die dann die Struktur der Sünde werden kann.
Wir haben gesehen, daß auf dem Acker des Herrn immer auch Unkraut wächst. Wir haben gesehen, daß auch im Netz Petri schlechte Fische sind. Wir haben gesehen, daß die menschliche Schwachheit in der Kirche präsent ist, daß das Schiff der Kirche sogar im Sturm gegen den Wind segelt, der das Schiff bedroht und manchmal haben wir gedacht:"der Herr schläft und hat uns vergessen."

Das Bewußtsein, daß die Sünde in der Kirche präsent ist, zeigte den guten Glauben Papst Benedikts, den Glauben eines gläubigen Professors, der auf eigene Kosten gelernt hatte, daß nicht alles was in der Kirche getan wird, zur höheren Ehre Gottes geschieht. Aber er wurde sich auch immer mehr dessen bewußt, daß die Sünde nur überwunden werden kann, wenn man den Blick in fortwährendem Gebet auf Christus richtet. "Ich habe kein anderes Programm, als von IHM geführt zu werden, " sagte er zu Beginn seines Pontifikates.

In wenigen Zeilen das außerordentliche Vermächtnis zu würdigen, das ein solcher Meister des Denkens hinterläßt, ist unmöglich. Aber es ist möglich, einen Überblick zu geben.
Das Denken Papst Benedikts XVI ist wie eine der großen mittelalterlichen Kathedralen gebaut: es ist eine wahre geistige Reise zu Gott (itinerarium mentis in Deum) .
Wenn wir ihn lesen, denken wir sofort an den Mailänder Dom, die 1000-jährige Straßburger Kathedrale, Nôtre Dame in Paris oder den Kölner Dom, aber auch an die Sagrada Familia , die Papst Benedikts 2010 konsekrierte. Alle diese Bauwerke wurden auf Vernunft gebaut und zielten darauf ab, der Anwesenheit Gottes eine vernünftige und rationale Erklärung zu geben und andere zum Gebet zu ermutigen.

Für Papst Benedikt gibt es keinen Zweifel: glauben heißt, nach der Wahrheit zu suchen. Und Wahrheit kann man nicht besitzen. Man muß sie immerwährend und in gutem Glauben suchen.
Das ist ein ehrgeiziges Projekt für reine Menschen, vielleicht vergleichbar mit der enormen spirituellen Erneuerung, die der Hl. Gregor der Große in Werk gesetzt hat. Wenn man glaubt, ist alles andere die Folge davon.

So ist das Lehramt Papst Benedikts XVI am Ende ein Schmerzensschrei, weil die Welt den Glauben verloren hat. In seinem Text "Die neuen Heiden und die Kirche", spricht Benedikt über Christen, die obwohl sie überzeugt sind, als Christen zu leben, am Ende Heiden sind. Er machte diese Entdeckung während der Beichten. Der Text wurde in den 50-er Jahren veröffentlicht. Heute, nachdem der pragmatische Nihilismus seinen Weg ins Leben der Christen gefunden hat, ist das Thema aktueller denn je.

Benedikt startet keine pragmatische Herausforderungen. Seine Kirche muß eine Kirche sein, die sich sozialen Themen widmet, den Armen hilft und sich um die Letzten kümmert. Aber dieses pragmatische Engagement ist nur etwas, was aus dem Glauben kommt. Benedikt fordert die Welt heraus und darüber hinaus die Christen: er bittet sie, nicht mehr so zu leben, als gäbe es keinen Gott.

Das Modell, das er anbietet, ist das der mittelalterlichen Mönche. Nicht zufällig wählte er den Namen Benedikts, des Gründers des Mönchszeitalters. Das erste Ziel dieser Mönche war das quaerere Deum, die Suche nach Gott, wie Benedikt 2008 in seiner erinnerungswürdigen Lectio im Collège des Bernardins in Paris betonte.

Das Ziel ist eine weniger an die Werke gebundenen Kirche, die freier ist, an Gott zu glauben, wie Benedikt in seinen Reden während seiner letzte Deutschlandreise 2011 erklärte.
Er sprach vor dem deutschen Klerus, den er gut kannte, der wegen der Kirchensteuer wohlhabend ist und zur gleichen Zeit arm an Berufungen und sogar an praktizierenden Gläubigen, wie die jüngsten Daten bezeugen.

Für Benedikt kann es keinen Dialog ohne gemeinsame Suche nach der Wahrheit geben. Immer öfter behauptete er, daß "Atheisten wegen ihrer Gottessuche eher ins Königreich Gottes eingehen als Christen." Auf diese Weise ludt er die Christen ein, den Glauben nicht als Garantie anzusehen: das ist eine anderes Zeichen für unsere Zeit.

Wie sehr Benedikt glaubte, daß der Glaube nicht als gegeben angenommen werden kann, wurde offensichtlich, als er mit dem Skandal der priesterlichen Pädophilie konfrontiert war, einem weltweiten Phänomen, das wie mit einem Schlag ins Gesicht der Kirche bekannt wurde.

Der Brief, den er 2010 an die Katholiken Irlands schrieb, setzt sich sowohl aus der Entschuldigung des Papstes für den Skandal als auch aus einer sehr erhellenden Interpretation dessen zusammen, was nach dem II.Vaticanischen Konzil geschehen war.
Benedikt schrieb: "Das Erneuerungsprogramm, das vom II. Vaticanischen Konzil vorgeschlagen worden ist, wurde manchmal falsch interpretiert und tatsächlich-im Licht der tiefgreifenden sozialen Veränderungen, die stattfanden, war es weit davon entfernt, zu wissen, wie man es am besten umsetzen könne, es gab die wohlgemeinte aber fehlgeleitete Tendenz, Strafen für kanonisch irreguläre Situationen zu vermeiden. In diesem Kontext müssen wir versuchen das verstörende Problem des sexuellen Kindesmißbrauchs zu verstehen, das zu nicht geringem Teil zur Schwächung des Glaubens und zum Verlust des Respekts für die Kirche und ihre Lehre beigetragen hat."

Seinen Blick auf Christus zu richten. bedeutet am Ende auch, sich unserer Begrenztheit und unserer Sünden bewußt zu sein.

Das sind die großen Themen des Pontifikates von Papst Benedikt XVI. Jede Beurteilung seiner Regierung wird sekundär, weil alles Teil seiner Suche nach der Wahrheit ist. Christ zu sein, ist für Benedikt das wahre Leben.

Wir sehen, jedoch, daß sein Pontifikat perfekt dieser Linie folgte, sogar bis in seine Entscheidungen hinein: von der Aufhebung der Einschränkungen im Gebrauch des Missale des Hl. Pius V bis zur Reform zur finanziellen Transparenz, von der Einrichtung eines Dikasteriums für die Neuevangelisierung bis zu seiner Entscheidung zu einer Reform der Zulassung zu den Seminaren und seiner unermüdlichen Arbeit, um die Kirche von den Skandalen zu reinigen, besonders auf dem Geiet des sexuellen Mißbrauchs durch Kleriker, von den neuen Statuten für Caritas Internationalis, die Benedikt begann und Franziskus unterschrieb. Und zuletzt die auf Wahrheit basierende Diplomatie.

Die Suche nach Wahrheit trug Frucht. Ein Beispiel vor allem: die Regensburger Rede. Obwohl sie in einem Aufruhr endete, war sie der einzig mögliche Weg, eine Gruppe islamischer Führer dazu zu bewegen, dem Islam eine neue Interpretation zu geben und die größte Krise innerhalb des Islam zu lösen, wie es Pater Samir Khalil, SJ. ausdrückte.
Diese Lectio  führte zu einem Brief, der von 138 muslimischen Führern unterschrieben wurde und zu einem Katholisch-Islamischen Forum, dessen Früchte Papst Franziskus ernten kann, und  die sogar die Beziehungen zur Al-Azhar-Universität wieder erweckte.

Papst Benedikt XVI hat eine stille Reform, durch das präzise Denken charakterisiert, das nur wenige verstanden haben. Das Ziel war, die Einheit der Kirche zu fördern, beginnend mit der auf gegenseitiger Zusammenarbeit basierenden Kollegialität, im Bewußtsein, daß nur die Wahrheit und der wahre Glaube aus Kirchenmännern Beispiele machen, die in der Lage sind, andere zum Katholizismus zu bewegen, Kirchenmänner müssen Beispiele der Freude sein, weil am Ende Benedikt immer das Evangelium der Freude predigte.

Das ist aus meiner Sicht das größte Vermächtnis von Papst Benedikt XVI. Dieses Legat ist eines der besten Werkzeuge, um auf die von der säkularen Welt angesprochenen Themen zu antworten.
Am Ende würde die Protestantische Art zu denken, nie irgendwen faszinieren, wenn der Glaube nicht als etwas Pragmatisches sondern als Teil des Lebens betrachtet würde.
Gender wäre nie eine Option, wenn Männer und Frauen sich selbst als Teil der Schöpfung und als Brüder und Schwestern  Jesu Christi betrachten würden.
Europa würde nicht von einer Krise zur anderen leben, wenn Rationalisten und Post-Aufklärungs-Bewegungen sich nicht von der Suche nach Gott entfernt hätten. Und es gäbe heute keine Denkrichtung, die daran glaubt, daß weniger Religion auch zu weniger Gewalt führen würde: statt dessen wäre jeder davon überzeugt, daß das Gegenteil wahr ist.
Niemand würde Angst haben. Babies zu verteidigen und Abtreibung zu verurteilen, wie es keine Katholischen Universitäten- wie Löwen geben würde- die sich, um politisch korrekt zu sein, von denen trennt, die klar über dieses Thema sprechen.

Es scheint einfach zu sein. Das ist es nicht. Man braucht Glauben, Klarheit des Denkens, Liebe zu Gott, und dem Nächsten, schrieb Joseph Ratzinger in seinem Essay "Befreiungstheologie und andere Herausforderungen", daß der menschliche Geist eher fähig ist neue Mittel zur Vernichtung zu entwickeln, als zu neue Wegen zum Leben. Er ist erfindungsreicher darin, Kriegswaffen in jeden Winkel der Erde zu schicken als Brot dorthin zu bringen.
Warum passiert das alles?
Weil unsere Seelen an Unterernährung leiden, unsere Herzen blind und verhärtet sind.
Die Welt ist in Unordnung, weil unsere Herzen in Unordnung sind, weil es ihnen an Liebe fehlt und weil sie deshalb nicht gerecht urteilen kann."
Diese Worte stellen die präziseste Diagnose der aktuellen Situation dar.

Papst Benedikt XVI wurde in April geboren, dem grausamsten Monat. Er hat nicht nur während des Kirchenfrühlings gelebt, sondern auch während des sogenannten Weltfrühlings. Während seiner Jahre ging die Kirche durch die Herausforderungen der Säkularisierung und war davon fasziniert.
Aber die Säkularisation ist auch ein verlockender Dämon. Die Religion wird heute auf eine soziale Agentur reduziert, ohne Gewicht in der Geschichte. Gott wurde zur Seite gelegt - subtil und nicht  so gewaltsam wie in den kommunistischen Ländern, die heute, die einzigen zu sein scheinen, die die Bedeutung des Glaubens für das öffentliche Leben verstehen.

Ratzingers Schülerkreis hat alle Themen dieser Weltkrise entwickelt. Und Benedikt hat eine Antwort gegeben, die die Pläne der Welt entlarvte. Er bat ihn, den Blick auf Jesus zu richten, Jesus von jeder rationalistischen Interpretation zu lösen und widmete seine Trilogie "Jesus von Nazareth", dem letzten seiner theologischen Werke, diesem Ziel. Indem er das tat, zeigte er, daß die Kräfte der Welt, die darauf abzielten die Kirche von den Ketten der Doktrin zu befreien,waren in Wirklichkeit Kräfte. die die erlösende Botschaft Jesu in Ketten legen wollten.


Wir sprechen von starken Kräften, von Lobbies, die nicht zulassen, daß ihre wirtschaftliche Macht in Frage gestellt wird, sondern eher leiden, wenn ihr Denken demaskiert wird. 
Vielleicht ist es Zeit für neue Katakomben für die Kirche. Sicherlich ist es für Benedikt XVI Zeit zum Gebet. Nachdem er die Kirche zur Buße in Fatima geführt hatte und im Jahr des Glaubens die neue Evangelisierung angestoßen hatte, ist es jetzt Zeit für Fürbitten."

Quelle: A: Gagliarducci, Monday in the Vatican

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