Dienstag, 27. März 2018

Lettergate & die Medienreform des Vaticans

A. Gagliarducci macht sich in Monday in the Vatican in der Rubrik "Papst Franziskus 5 Jahre später" Gedanken darüber, welche Auswirkungen Lettergate auf die Medienreform des Vaticans haben wird.
Hier geht´s zum Original: klicken


"WIE WIRD SICH LETTERGATE AUF DIE MEDIENREFORM AUSWIRKEN?"

"Der Rücktritt Msgr. Dario E. Viganòs als Präfekt des Sekretariates für Kommunikation ist nicht das Ende der Vatican Medienreform. Nach dem Rücktritt wurde Msgr. Viganò von Papst Franziskus zum Assessor des selben Dikasteriums ernannt und wartet als solcher auf den nächsten Präfekten.
Das Signal ist klar: die Reform muß weitergehen.

Nicht zufällig hat Papst Franziskus in seinem Antwortbrief auf Msgr. Viganòs Rücktritt die nächsten Schritte unterstrichen: die Konsolidierung des Osservatore Romanos und des Vatican-Verlages innerhalb der Vatican-Nachrichten. Am Ende sagte der Papst, daß die Medienreform wie geplant fortgeführt werden muß.

Das allgemeine Szenario ist jedoch komplexer und deshalb ist es wichtig genau hinzuschauen, um es besser verstehen zu können.

Sicher ist, daß weder die teilweise Veröffentlichung des vertraulichen Briefes Benedikts XVI  noch die nachträglichen Entschuldigungen, nachdem der volle Inhalt des Briefes enthüllt war, geholfen haben. Auch weil der Papa emeritus nicht nur das Angebot, ein Vorwort für das Buch zu schreiben ablehnte, sondern auch Kritik an einem seiner Mitautoren äußerte.

Den Inhalt des Briefes zu veröffentlichen, wurde als einer von zwei möglichen Wegen betrachtet:  entweder als Versuch, den emeritierten Papst zu delegitimieren  oder als Versuch,  ihn zu Marketingzwecken auszubeuten. Nimmt man als gegeben an, daß Msgr. Viganò in gutem Glauben gehandelt hat und Teile des Briefes wegließ, um nicht einen der Mitautoren des Buches anzugreifen, waren die Reaktionen vorhersehbar.
Es gibt mindestens drei gute Gründe, aus denen die Reaktionen zu erwarten gewesen wären.


Der erste Grund handelt von der Zustimmung zur Vatican-Medienreform innerhalb der Heiligen Mauern. Die Vatican-Kommunikation ist immer nach den Kriterien des Gesunden Menschenverstands gemanaged worden, die auf der Basis der Kenntnisse der Vatican-Welt und -Sprache professionalisiert wurde.
Geht man in die 1980-er Jahre zurück, so markierte die Anstellung von Joaquin Navarro Valls  als Direktor des Pressebüros des Hl. Stuhls den Anfang einer neuen Ära in der Vatican-Kommunikation: einerseits eine professionellere Kommunikation - andererseits ein Kommunikation, die in der persönlichen Sensibilität verankert blieb. Der Vatican is schließlich kein Unternehmen und der Papst ist nicht einfach eine Person, die man auf die Titelseiten von Magazinen stellt, obwohl viele ihn so sehen.

Die Vatican Medienreform wurde sofort durch den marketing-artigen Zugang charakterisiert. Schlüsselworte sind "Markenbewertung" und  "Markenerkennung", und Kriterien sind Marketing und institutionelle Kommunikation.
Schließlich ist die Notwendigkeit eines neuen kommunikativen Ansatzes und einer neuen Website - Video und Radio - nun eng miteinander verknüpft, und dies darf nicht außer Acht gelassen werden - sie überlagerten die Notwendigkeit einer neuen Herangehensweise bei der Kommunikation des Papstes und führten dazu, Werbung zu produzieren,

Die zugrundeliegende Frage blieb innerhalb der Vaticanmauern immer die gleiche: was kommunizieren wir? Kommunizieren wir den Papst, den Glauben, die Kirche, den Hl. Stuhl? 

Wie kommunizieren wir sie? Über die Kriterien des Neuigkeitswertes hinaus ist die Frage "warum kommunizieren wir den Papst?" verloren gegangen. Und die Frage "was fehlt?" wurde oft gestellt.

Daher der zweite Punkt: das erste Kommittee, das eingerichtet wurde, um die Vatican-Medienreform zu studieren, wurde innerhalb der großen Reform der Vatican-Wirtschaft bei einer Pressekonferenz  im Juli 2014 von Kardinal George Pell, Präfekt des Wirtschaftssekretariats,  angekündigt. 

Hinter dieser Wahl steht eine klare Bedeutung: die Reform wird hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen gemacht und eine Neuverteilung der Kosten wird benötigt. Das führte zu einer Marketing-Strategie, bestehend aus der Notwendigkeit, das Image des Papstes zu "verkaufen."
Aus diesem Gesichtspunkt - wenn man auf die anfänglichen Kriterein schaut - hat Msgr. Viganò getan, was er tun sollte.

Sicher umfaßt Marketing nicht Geschichte,  so wie das Marketing hier und jetzt gespielt wird.
Das ist auch  der Grund, warum bei der Absicht, Benedikts XVI  Brief zu benutzen, um der Bücherreihe über die Theologie von Papst Franziskus Zugkraft zu verleihen, eine andere Kommunikation benötigt wurde. In gewisser Weise ein naiver Zugang.

Der Zugang kann als mehr als naiv betrachtet werden, wenn man die besondere Situation der Kommunikation rund um den Papst bedenkt. Alles ist poloraisiert.
Jeder Angriff auf Papst Franziskus wird als Aggression auf das Pontifikat angesehen, jeder Angriff auf Benedikt XVI wird als Versuch interpretiert, mit der Vergangenheit zu brechen.
Keine institutionelle Kommunikation kann sich weigern, dieses Szenario zu erkennen.

Diese Polarisierung ist der fruchtbare Boden, auf dem die postkonziliare Agenda nach dem II. Vaticanischen Konzil erblühen konnte.

Der Brief Benedikts XVI hat nicht nur bei denen Reaktionen ausgelöst, die fühlten, daß der Name des papa emeritus beschmutzt wurde, sondern auch bei denen, die nichts mehr von Benedikt XVI hören wollten. Das Thema des "Institutionellen Todes" des Papa emeritus wurde in verschiedenen Nuancen wieder aufgenommen.

Benedikts Kritik an der Teilnahme des Theologen Hünermann an den Büchern wurde "persönlicher Animosität" zugeschrieben, obwohl Benedikt - der jahrelang Präfekt der Glaubenskongregation war, seine Kritik immer gegen Meinungen und niemals gegen Personen gerichtet hat. Es ist nicht Benedikt, der persönliche Angriffe führt, das hat er nie getan.
Das wird durch die kollegiale Art bewiesen, mit der er die Glaubenskongregation führte und durch seinen modus operandi, der ihn dazu brachte, auch mit falschen Ideologien in Dialog zu treten und  sogar zwei Instruktionen zu veröffentlichen - wie z.B. zur Befreiungstheologie - pars destruens und pars sontruens eines Dialogs

Die Frage ist jetzt, was steckt hinter dieser Bitterkeit der Worte des Papa emeritus?

Die Vatican-Kommunikation sollte noch einmal gründlich darüber nachdenken, über die Tatsache hinaus, daß sie zugeschnitten wurde, um Gewinne zu erzielen und Eindruck durch Nachrichten zu machen. Es ist am Ende das erstemal, daß die Vatican-Kommunikation in einer Welt arbeitet, in der es einen Papa emeritus und einen amtierenden Papst gibt - in einer Meinungsumgebung, die generell der katholishen Kirche gegenüber feindlich eingestellt ist. 

Wie also diese Frage beantworten? Eine Hypothese, nicht einmal originell- kann vorgebracht werden. Während der Vatican seine Kommunikation überdenkt, -in Hinsicht auf Modernität und Marketing zu Lasten seines Erbes (Radio Vatican hat aufgehört als Rechtseinheit zu existieren) während sich alle Kommunikationsthemen auf Papst Franziskus´ außerordentliche Medienwirkung konzentrieren, gab es Leute, die ihre Agenda vorantrieben, und diese Agenda bedeutet Hass auf Benedikt XVI.

Diese Agenda gibt es seit dem Zweiten Vaticanischen Konzil und wurde während der Pontifikate von Johannes Paul II und Benedikt XVI unter Kontrolle gehalten. Aber die Agenda bestand fort, wie die Äußerungen einiger Bischofskonferenzen zeigen. Benedikt XVI fuhr beispielsweise 2011 nach Deutschland und bat die Deutsche Kirche, weniger weltlich zu werden. Aber die DBK traf sich kurz danach und erstellte eine Agenda progressiver Themen, als ob Benedikts Besuch nie stattgefunden hätte.

Diese Agenda blieb am Rande: die Medien haben sie nicht besonders beachtet, weil die Diskussion philosophische und theologische Themen betraf, während soziologische Themen in säkularer Sprache angesprochen wurden. Die Themen waren Ideen zur Bildung des Klerus und der herrschenden Klasse und vor allem die Evangelisierung.

Es ist dann paradox, daß die Generation der Ideen und des Kulturkampfes nicht in der Lage war, eine neue herrschende Klasse hervorzubringen und daß die Ideen, die in der aktuellen Diskussion die Führung übernehmen, de facto Ideen aus den 1970-ern sind, entstanden  aus der nie endenden Debatte der Nachkonzilsära.
Es ist bemerkenswert, daß das Thema einer Änderung der Doktrin jetzt auf der Agenda steht, besonders was die Möglichkeit betrifft, Humanae Vitae zu kippen.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß bei der Jugendsynode die Meinung der jungen Leute dazu benutzt wird, um auf eine Änderung der Lehre zu drängen und das mit der Notwendigkeit zu rechtfertigen, den Katholischen Glauben für die Menschen anziehend zu machen.

Diese Ideen finden heute einen fruchtbaren Boden vor: der pastorale Zugang wird mit Pastoralismus verwechselt und die soziologische Wirkung wird wichtiger als die Verkündung der Frohen Botschaft.
Das ist keine neue Sorge. Sie wurde schon von Leuten formuliert, die man keiner Parteilichkeit bezichtigen kann, wie den langjährigen italienischen Missionar Pater Piero Gheddo, der vor kurzem verstarb.

So sind die Grenzen der Medienreform eher dazu gedacht, mehr Einnahmen zu generieren als um neue Kommunikationsmodelle zu finden, zu einer Kampagne mit einigen Themen kombiniert, die den Papst als Schutzschild nutzt, um dahinter eine bestimmte Agenda zu verfolgen. Diese Agenda hat das Ziel, die Herde zu vergrößern und die Evangelisierung zu einer Frage des Marketings zu machen.

Msgr. Viganò trat zurück. Er tat dies, um den Weg der Reform fortzusetzen. Aber dieser Übergang lässt den Eindruck entstehen, daß diese Reform überdacht werden sollte. Im Allgemeinen vermittelt das den Eindruck, daß die Kriterien aller jüngsten Reformen des Vatikans einen neuen Ansatz erfordern.
Am Anfang hat der Papst externe Experten eingestellt. Dann wandte er sich internen Experten zu - mit dem Ziel alles professioneller zu gestalten - mit dem gleichbleibenden Wunsch, Einkünfte zu erzielen. Jetzt wird eine dritte Phase nötig: über die Vaticanische Kommunikation in Begriffen von Themen zu sprechen und nicht nur in Begriffen einer erneuerten Organisation.
Das ist eine große Herausforderung für den Nachfolger von Msgr. Viganò - mit dem neuen Assessor Viganò an seiner Seite."

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci


 

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