Dienstag, 4. Dezember 2018

Mentalitätswechsel oder Kostenreduzierung? Worum geht es bei der Kurienreform?

In seiner montäglichen Kolumne kommentiert A. Gagliarducci bei "Monday in the Vatican" den derzeitigen Stand der Kurienreform.
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"PAPST FRANZISKUS,  GEHT ES BEI DER KURIENREFORM NUR UM KOSTEN?"
In Vorbereitung des  27. Treffens des Kardinalsrates, das vom10.- 12, Dezember stattfinden soll, hat Papst Franziskus einem Treffen mit den Leitern der Vaticanischen Dikasterien vorgesessen. 
Diese sogenannten "Interdicasterien-Treffen" sind periodische Versammlungen, die sich mit spezifischen Themen befassen. Dieses letzte Treffen hat sich vor allem mit den Ausgaben der Kurie beschäftigt. Und das ist seit Beginn des Pontifikates ein heißes Thema.

Bei den Prä-Konklave-Treffen sind eine Menge konkreter Themen angesprochen worden, einschließlich eines allgemeinen Überblicks über die Ausgaben des Vaticans. Diesen Überblick hatte Papst Franziskus im Sinn, als sein Pontifikat begann.
Das Projekt der Kurien-Reform ist das Ergebnis dieses Überblicks.

Die Kurienreform ist ein doppeltes Projekt. Einerseits das eines Mentalitätswechsels in der Kurie und eine bestimmte Art von Karrierismus zu stoppen. Andererseits ein harmonisiertes System reduzierter Kosten zu schaffen. 


Von Anfang seines Dienstes als Bischof von Rom an hat sich Papst Franziskus auf die Notwendigkeit eines Mentalitätswechsels fokussiert. Der Papst kam aus Buenos Aires mit dem Bild einer korrupten- oder zumindest selbstbezogenen- Kurie, die nicht offen genug war, um auf die Ortskirchen zu hören. Diese Ideen hatte Papst Franziskus wegen seiner persönlichen Erfahrungen, der Informationen, die er erhielt  und vor allem aus den Reden, die einige Kardinäle bei den Prä-Konklave-Treffen  gehalten hatten.

Dann nahm Papst Franziskus die klerikale Mentalität ins Visier. Der Kampf gegen den Klerikalismus und besonders gegen "Staatsdiener" wurde zum Leitmotiv des Pontifikates. Nicht zufällig hat der Papst in seiner ersten Rede vor der Kurie- anläßlich der Weihnachtsgrüße- die 15 Kurien-Krankheiten aufgezählt. Die Rede des folgenden Jahres handelte dann von den Heilmitteln für die Krankheiten.

Viele der Initiativen von Papst Franziskus müssen durch die Brille des Kampfes gegen den Klerikalismus gelesen werden. Z.B. war der Brief von Oktober 2013, in dem er ankündigte, er werde Fr. Vergez in den Rang eines Erzbischofs erheben, reich an Bezugnahmen auf die pastorale Aufgabe der Nr.2 in der Verwaltung des Vaticans.





Sogar die Schaffung einer dritten Sektion des Staatssekretariates geschah mit der klaren Ziel, den Diplomatischen Stab mit einer größeren pastoralen Betreuung zu versorgen. Gleiches gilt für die spirituellen Exerzitien der Fastenzeit: Papst Franziskus wollte, daß sie außerhalb Roms, weit entfernt von den Büros, stattfinden sollten. Bischof Marcello Semeraro, Sekretär des Kardinalsrates, sagte, daß diese Entscheidung Teil der Reform ist.

Am Ende geht es bei Papst Franziskus´ Reformarbeit nicht so sehr um Strukturen. Aber sie schien einen Strukturwandel durchlaufen zu müssen.

Strukturwandel ist statt dessen Teil der Arbeit an einem Mentalitätswechsel. Zur gleichen Zeit sprechen Strukturreformen ein pragmatisches Thema an: die Kostenreduzierung.

Ist das Finanzsystem des Vaticans nachhaltig? Das ist eine uralte Frage. Die Antwort auf diese Frage in Papst Franziskus´ Pontifikat führte zu einer Reform der Vatican-Wirtschaft mit der Einrichtung eines Rates für die Wirtschaft, eines Sekretariates für die Wirtschaft, eines General-Auditors und einer Kommission zur Untersuchung des Pensions-Fonds des Vaticans.

Paradoxerweise wurden die Kosten größer statt geringer. Eine Überprüfung der IOR- Konten fand bereits statt, als der Vatican die Experten der Promontory Financial Group angeheuert wurdem. Sie beendeten die Untersuchung und wurden mit sehr viel Geld bezahlt.

Externe Berater wie McKinsey und Ernst & Young wurden ausgewählt um Vorschläge zur Rationalisierung der Kommunikationsabteilung zu machen und Pläne für die Kurienreform auszuarbeiten. Die als COSEA bekannte Referenzkommission für das ökonomische und administrative Management des Hl. Stuhls setzte sich aus externen Beratern zusammen und nur einige von ihnen sind beim Hl. Stuhl geblieben um ihr Wissen anzuwenden und aus ihrer Erfahrung zu schöpfen. 

Ebenso hat Papst Franziskus, während er versuchte, den Klerikalismus zu bekämpfen, mehr Bischofssitze geschaffen als zuvor. Üblicherweise war nur der Generalsekretär der Synode ein Erzbischof. Papst Franziskus jedoch kreierte Lorenzo Baldisseri zum Kardinal, während er den Untersekretär der Bischofssynode, Fabio Fabene, in den Rang eines Erzbischofs erhob.

Eine der ersten Entscheidungen von Papst Franziskus als Papst war, Fr. Victor Fernández, den damaligen Rektor der Katholischen Universität von Argentinien zum Erzbischof, etwas, das nicht nötig war.

Kürzliche Entscheidungen schließlich ein Msgr. Marco Mellino in den Bischofsrang zu erheben. Er wurde vor kurzem zum beigeordneten Sekretär für den Kardinalsrat ernannt, mit der Aufgabe, die neue Apostolische Konstitution "Praedicate Evangelium"  zu überprüfen.

Das sind die Paradoxa eines Reformprozesses, den Papst Franziskus "im Gehen" durchgeführt haben wollte.

Weil er "im Gehen" gemacht wurde, gab es bei der Reform Schritte vorwärts und rückwärts.  Während das System konsolidiert werden sollte, und das fünfte Jahr des Pontifikates Erwartungen eines qualitativen Sprungs weckt, scheinen die Dinge eingefroren zu sein und es werden die gleichen Themen wie immer diskutiert.

Als über eine Kostenreduzierung gesprochen wurde, hat das Interdikasteriale Treffen vom 26. November auch die Notwendigkeit für einen Einstellungsstop und eine Ausdünnung angesprochen, was bedeutet daß Mitarbeiter, die in den Ruhestand treten, nicht ersetzt werden. Allerdings wurde diese Entscheidung bereits vorher getroffen und in einem Brief an alle Vaticanischen Dikasterien im Februar 2014 bekannt gegeben.

In der Zwischenzeit- während neue Dicasterien für Kommunikation, für den Dienst an der integralen menschlichen Entwicklung und für Laien, Familie und Leben eingerichtet wurden, hat das Staatssekretariat seine zentrale Stellung wieder eingenommen. Am Anfang wurde angenommen,daß das Staatssekretariat abgebaut oder zumindest in verschiedene Sektionen aufgeteilt würde. In diesem Fall machte die Reform einen Schritt zurück und man hat verstanden, daß die alte Art, die Dinge zu handhaben nicht notwendigerweise furchtbar falsch waren.

Genau so wurde auch die Entscheidung verstanden, das IOR nicht wie ursprünglich vorgesehen abzuschaffen. Und was das Ende der Ära des Outsourcing der vom Vatican benötigten Expertisen angeht, werden mit erneutem Vertrauen Leute eingesetzt, die im Vatican gearbeitet haben und ihn gut kannten, dieser "verborgene Vatican" der an keiner der von Papst Franziskus aufgezählten Krankheiten erkrankt war.

Und genau so wurde es verstanden, als Papst Franziskus selber der Glaubesnkongregation ihre Zentralität wiedergab,  die Mißbrauchsfälle zu behandeln, während anfänglich sogar davon gesprochen wurde, andere Gerichte einzurichten, die über die Bischöfe richten sollten.

Alle diese Themen liefern Stoff zum Nachdenken. Die Kurienreform entstand zusammen mit dem Gedanken der Kostenreduzierung und dem Wunsch nach einem Mentalitätswechsel, Aber sie entstand auch ohne spezielle zentrale Agenda, auch wenn hinter dem Rücken von Papst Franziskus viele Pläne vorangetrieben wurden. Das hat einige Verwirrung ausgelöst. Es werden mehr Korrekturen gebraucht.

Jetzt- während wir auf das nächste Konzil der Kardinäle warten, ist die Frage, worum wird sich die Reform drehen? Wird sie nur einige Veränderungen bestätigen. die schon durchgeführt wurden?
Wird sie als reine Anpassung der Kurie verstanden werden? Oder wird sie in der Lage sein, eine neue Mentalität zu entwickeln, wie es die Priorität von Papst Franziskus war? "

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci



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