Freitag, 22. Februar 2019

Sandro Magister: Ist das Wort "Homosexualität" beim Mißbrauchs-Gipfel tabu?

Sandro Magister, der selber bei der Pressekonferenz in der Sala Stampa fragte, warum das Thema Homosexualität nicht auf der Tagesordnung des Gipfeltreffens steht, kommentiert bei Settimo Cielo die "21 Denkanstöße " des Papstes für die teilnehmenden Bischöfe und die ersten Wortmeldungen  zur Thematik.  Hier geht´s zum Original: klicken

"BEIM GIPFEL IST HOMOSEXUALITÄT EIN TABU. ABER ES GIBT EINE WARNUNG ZUR NULL-TOLERANZ"

Am 21. Februar, am  Eröffnungsmorgen des Gipfeltreffens zwischen Papst Franziskus und den Vorsitzenden der Weltkirche zum Thema Mißbrauch Minderjähriger, war der große Abwesende das Wort "Homosexualität". Und das trotz der Tatsache, daß der Großteil der registrierten Mißbrauchsfälle an jungen Männern und Jungen an der Schwelle der Pubertät begangen wurde.

Das Wort Homosexualität kam weder in der Eröffnungsrede des Papstes noch in den "21 Denkanstöße" vor, die er in der Halle verteilen ließ, noch in den Einführungsgesprächen von Kardinal  Luis Antonio G. Tagle , Erzbischof Charles J. Scicluna und am Nachmittag von Kardinal Rubén Salazar Gómez vor.

Im Gegenteil, als er bei der Mittags-Pressekonferenz dazu befragt wurde, sagte Scicluna daß "Verallgemeinerungen über Personengruppen niemals zulässig sind "weil Homosexualität nicht etwas ist, was einen zur Sünde prädisponiert "weil wenn etwas diese Neigung verursacht, das Lüsternheit ist."

Scicluna hat die Schlüsselposition im Organisationskomitée des Gipfeltreffens inne und ist zudem Erzbischof von Malta, jahrelang war er Rechtsberater bei der Glaubenskongregation , wohin er als beigeordneter Sekretär mit besonderen Kompetenz für das Thema sexueller Mißbrauch zurück kehrte. Er ist der Mann, der in dieser Zeit Franziskus´Willen am direktesten ausdrückt, nachdem der Kardinal Sean P. O´ Malley praktisch abgesetzt hat, der bis vor einem Jahr der höchste Vertreter in dieser Sache war- jetzt aber nur noch der pro-forma-Präsident des Päpstlichen Rates zum Schutz Minderjähriger ist

Es stellt sich also heraus, daß der Appell der Kardinäle Walter Brandmüller und Raymond Burke - und nicht weniger anderer Kleriker und Laien- auf taube Ohren gestoßen ist, die Plage der Homosexualität unter den Hl. Dienern frontal anzugehen, ein Symptom daß die Wahrheit des Evangeliums weitgehend verlassen wurde.

Statt dessen ging aus den ersten Statements beim Gipfeltreffen direkt die Absicht hervor, ein Gleichgewicht im Umgang mit dem sexuellen Mißbrauch und einem größeren Respekt für die Rechte der Beschuldigten herzustellen.





"Null-Toleranz" ist der Name, der der puritanischen Strenge gegen Mißbrauchstäter gegeben wird. Das ist eine Strenge, die vor allem von der säkularen Öffentlichen Meinung gefordert wird. Aber die ist sehr teuer- was die Verletzung fast aller Grundrechte betrifft, wie es Settimo Cielo vor kurzem in einem Artikel zu Tage gefördert hat:

“Null-Toleranz.” Die Parole einer Kirche ohne Gnade" 

So liest man in den 21 "Denkanstößen", die Papst Franziskus den Teilnehmern schickte, bei Punkt 4 "Einführung von Prozeduren zur Verteidigung des Beschuldigten". Unter Punkt 10: "Wege der Buße und Genesung für den Täter vorbereiten"
Unter Punkt 11: "Richtige Fälle von falschen unterscheiden und Beschuldigungen von Verleumdung."
Bei Punkt 14: "Das Prinzip des Kanonischen und des - Naturrechts der Unschuldsvermutung muß bewahrt werden, bis die Schuld des Beklagten bewiesen ist. Deshalb ist es nötig zu verhindern, daß vor der Voruntersuchung und einer definitiven Verurteilung Listen mit Beschuldigten veröffentlicht werden- selbst von der Diözese. "

Aber auch in der Rede von Erzbischof Scicluna , der alle Phasen eines Prozesses wegen des Mißbrauchs Minderjähriger besprach, gibt es wichtige Bezugnahmen auf die Rechte der Beschuldigten.
Nachdem er anerkannt hat, daß die "Mehrheit der kanonischen Strafprozesse außergerichtlicher oder administrativer Art sind, warnt Scicluna:

" Das Wesen eines gerechten Prozesses ist, daß dem Beschuldigten alle Argumente und Beweise gegen ihn präsentiert werden, daß dem Beschuldigten das volle Recht zugestanden wird, seine Verteidigung vorzubringen, daß das Urteil auf den Fakten des Falles und dem für den Fall anwendbaren Gesetz beruhend gefällt wird, daß ein begründetes Urteil oder eine Entscheidung dem Beschuldigten schriftlich mitgeteilt wird und daß der Beschuldigte Revision gegen ein Urteil oder eine Entscheidung einlegen kann, die ihn beschweren. "

Außerdem fordert Scicluna die Bischöfe zur größten Vorsicht und Gelassenheit bei der Entscheidung, was in dem Fall zu tun ist, im Falle daß ein kanonischer Prozess gegen einen ihrer Priester weder mit einer Verurteilung oder einem Freispruch endet sondern mit der problematischeren Lösung einer "decisio dimissoria" endet, in einem Fall in dem die Anschuldigungen glaubhaft sind, aber nicht bewiesen werden können.

Dann drängt Scicluna darauf, daß Urteilen, die die Unschuld des Angeklagten feststellen, größte Publizität zukommen solle, weil "wir alle wissen, daß es sehr schwer ist, den guten Namen eines Priesters wieder herzustellen. der vielleicht zu Unrecht beschuldigt wurde."

Und schließlich drängt er darauf, daß niemand anderes als die Glaubenskongregation nur äußerst selten Ausnahmen von der Regel für "lange zurückliegende Fälle" zulassen dürfe. "Die Macht der Glaubenskongregation von der 20-Jahres-Vorschrift abzuweichen, wird immer noch bei einer Vielzahl historischer Fälle angewandt, das sollte aber nicht die Regel sein sondern die Ausnahme."

Man muß feststellen, daß der Druck der Öffentlichen Meinung und der zivilen Autoritäten nicht immer von der Kirche strikteste Null-Toleranz fordert bzgl,. des Mißbrauchs Minderjähriger- mit schweren Vorurteilen gegenüber den Rechten des Angeklagten.

Man könnte z.B. ein Urteil des Arnheimer Gerichtshofes zitieren, der am 18. April 2018 der Berufung einer privaten holländischen Stiftung "The Stichting Sin Jan" gegen eine Kommission der Römisch-Katholischen Kirche wegen der Untersuchung eines sexuellen Mißbrauchs statt gab.

Das Gericht stellte fest, daß die Kommission "ihre eigenen Regeln nicht befolgte und so die fundamentalen Rechte des Angeklagten verletzt hatte" z.B. als eine "Beschuldigung, die bereits durch eine unwiderrufliche Entscheidung als unbegründet erklärt worden war, wieder benutzt und als
glaubhaft erklärt wurde, oder als sie eine "isolierte und unstimmige Behauptung eines Klägers ohne jede ausreichenden Beweis " akzeptierte,"

Eine Zusammenfassung des Urteils kann man in holländischer, englischer und deutscher Sprache auf der website von Stichting Sint Jan finden.

Quelle: Settimo Cielo, S. Magister

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