Sonntag, 3. März 2019

Missbrauchsfälle: weltliche Justiz versus kirchliche Gerichtsbarkeit?

Riccardo Cascioli kommentiert für La Nuova Bussola Quotidian die Aussagen des Papstes zum künftigen Umgang der Kirche mit mißbrauchenden Priestern und möglich Folgen.
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"WENN DIE KIRCHE SICH DER WELTLICHEN JUSTIZ AUSLIEFERT."

"Auf der Welle des sexuellen Mißbrauchs scheint die Kirche eine Lösung in der weltlichen Justiz zu suchen. Eine gefährliche Strasse, die zur EInmischung des Staates in das Kirchenleben führt, oder schlimmer, zur Zurücksetzung der Kirche.Aber das ist auch die Konsequenz der Tatsache, daß die Kirche das Gefühl für die göttlichte Gerechtigkeit verloren hat. 

In der Rede von Papst Franziskus zum Abschluss des gerade zu ende gegangenen vaticanischen Gipfeltreffens zum sexuellen Mißbrauch ist ein Teil unbemerkt geblieben, der auch alle Beobachter überraschte. Tatsächlich konzentrierten sich der größte Teil seiner Rede nicht auf die Lage der Kirche sondern auf die Seuche des sexuellen Mißbrauchs Minderjähriger auf globaler Ebene.
So erklärte der Papst, daß wir den Daten der Internationalen Organisationen entnehmen können, daß "diejenigen, die Mißbrauch begehen, (...) vor allem Eltern, Verwandte, Ehemänner von Kinderbräuten, Coaches und Erzieher sind."  "Außerdem " so fuhr Franziskus fort"zeigen die Unicef-Daten aus 28 Ländern von 2017 an, daß von 10 Mädchen, die erzwungene sexuelle Kontakte hatten, 9 Opfer einer bekannten oder der Familie nahe stehenden Person sind."

Es folgte eine Verlängerung der Liste: jedes Jahr werden in den USA 700.000 Jugendliche Opfer von Gewalt und Mißhandlung und ein Kind von 10 von sexueller Gewalt. Und dann noch :Italien - 69,9% des Mißbrauchs Minderjähriger im häuslichen Umfeld, Sextourismus und Kindersoldaten.

Ziel dieser Rundumaussage war nicht, den Skandal in der Kirche klein zu reden, sondern ihn in den richtigen Kontext zu stellen. Sondern im Grunde, um uns. uns als Kirche- zu sagen, daß wir alles tun und tun werden, was möglich ist, um diese Seuche in unserem Inneren zu elliminieren- daß aber auf globales Basis viel mehr getan werden müsse.

Wenn wir uns nur auf die amerikanischen Daten stützen, stellen wir feswt, daß die bewiesenen Fälle von sexuellem Mißbrauch Minderjähriger durch Priester sich auf eine Zahl von einigen Tausend in den 70-er Jahren beziehen (laut des 2004 veröffentlichten detaillierten Berichtes des John Jay College - während der kürzliche Bericht der Grand Jury von Pennsylvania  von mehr als 1000 Fällen nur in diesem Bundesstaat spricht) . Wenn wir dagegen auf das Phänomen in seiner Komplexität schauen, sprechen die nationalen Daten nur von 65.000 Fällen pro Jahr.
Wie zu sehen ist, könnte man das Vorkommen von "Fällen in der Gemeinde" auf die Gesamtmenge bezogen, sogar als geringfügig definieren. Aber das Bild, das die Medien hervorrufen, scheint der Realität der Zahlen zu widersprechen. In der kollektiven Vorstellung scheint die Katholische Kirche das internationale Zentrum der Verbrechen an Minderjährigen zu sein.




Es ist unausweichlich, sich die Frage zu stellen, warum die Staatsanwaltschaft und die Medien sich auf die Mißbrauchsfälle in der Katholischen Kirche konzentrieren und alle anderen ignorieren. Darauf kann es verschiedene Antworten geben: sicher erregen bestimmte Mißbrauchsfälle mehr Aufsehen, weil sie eine religiöse und moralische Institution wie die Kirche betreffen - und es ist auch wahr, daß die Kirche die einzige Institution ist, die das Problem in ihrem Inneren angeht und das verlangt Aufmerksamkeit. Aber keine Antwort kann zufriedenstellend sein, wenn man nicht das starke antikatholische Vorurteil im Westen in Betracht zieht, dessen einziges Ziel zu sein scheint, jede Spur des Christentums -besonders in seiner katholischen Version-. auszulöschen.

Das Paradoxon ist, daß genau der Notfall des Sexuellen Mißbrauchs durch Priester die Kirche dazu zwingt, sich dem Staat anzuvertrauen.  Das war auch deutlich bei der Vorbereitung und in der Abschlusserklärung des jüngsten Gipfeltreffens im Vatican wahrzunehmen.  Angesichts der Schwierigkeit, diesem Phänomen entgegenzuwirken, scheinen viele heute zu hoffen, daß es die Zivilgerichte sind, die  "den Platz von denjenigen säubern," die Kinder missbrauchen.
Papst Franziskus selbst bekräftigte seine Entschlossenheit, alle für diese Verbrechen Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

Wenn die Ziviljustiz gemeint ist, ist das eine Aussage mit vielen Konsequenzen. Eine Sache ist das Recht der Opfer, sich an die Justiz und an die Staatsanwaltschaft und an die Kirchlichen Tribunale zu wenden, eine andere Sache ist es, wenn die Kirche selbst den Richtern die Tür öffnet.
Weil die Gefahr eines Justizismus (Justizgläubigkeit?)  mehr als real ist, für die der Fall der gerade erfolgten Verurteilung des australischen Kardinal George Pells ist ein klares Beispiel ist.
Er wurde des Mißbrauchs für schuldig befunden, obwohl es im untersuchten Fall keine Zeugen ode objektive Beweise gab, -im Gegenteil- und die Umstände unter denen der Mißbrauch stattgefunden haben soll, mehr als zweifelhaft sind. Die starke antikatholische Stimmung in Australien, die internen Kriege der Kirche und die effektive Beteiligung von Priestern in vielen Mißbrauchsfällen,  haben dazu geführt, daß der Kardinal ein Sündenbock war. 
Ohne zu bedenken, daß dies direkt zu einer Frage des Sakraments der Beichte und des Beichtgeheimnisses führt, an dem die Priester festhalten werden. 
Sogar ein fortschrittlicher Intellektueller wie Massimo Faggioli hat diese Entwicklung kürzlich als "verhängnisvoll" definiert, diese Übergabe der Kirche an die  "weltliche Gerechtigkeit". Es bedeutet zu akzeptieren, daß der Staat in das Leben der Kirche eingreift, und zwar so, daß sich Richter, wie bereits in der Politik, bei der Wahl von Bischöfen und des Papstes einmischen könnten. 

Ein Albtraumszenario ist das in den USA, wo bereits die Möglichkeit besteht, daß die Staatsanwaltschaft auf das Anti-Mafia-Gesetz zurückgreift, um für Mißbrauch verantwortliche Priester zu verfolgen. Auf diese Weise könnten die Staatsanwälte die Kirche als solche als eine kriminelle Vereinigung behandeln; Konsequenz wäre eine in allen ihren Werken im Erziehungs- Gesundheitswesen etc, durch Zahlungen in Milliardenhöhe zerstörte Kirche. 

Es gibt aber noch einen anderen, im Hinblick auf den Glauben schwerwiegenderen Aspekt: diese Hinwendung an die irdische Justiz ist auch Konsequenz der Unfähigkeit von der göttlichen Gerechtigkeit zu sprechen, über die Realität der Aussicht auf das Ewige Leben zu urteilen, was eigentlich das Hauptanliegen der Kirche sein sollte. Auf gewisse Weise ist das auch eine Sache der belästigenden Priester, wenn man das Bewußtsein für das Urteil Gottes verloren hat, dringt die Mentalität der Welt ins Katholische Haus ein. 
Auf alle Fälle war die Sorge der Kirche immer die Umkehr der Sünder-auch Krimineller: das hat nichts mit dem "Pardonismus" zu tun. das sollte klar sein. In der Vergangenheit hat der Priester einen
zum Tode Verurteilten  begleitet, um seine Seele zu retten, das tat er nicht durch eine Demonstration gegen die Todesstrafe. Aber die höchste Gerechtigkeit ist die Umkehr. Deshalb kam es nicht selten vor, daß die Verbrecher in den Klöstern Schutz fanden, wo sie die Möglichkeit hatten, umzukehren und die eigene Schuld zu sühnen, indem sie ein Leben in Gebet und Buße lebten. Heute dagegen bildet sich die Möglichkeit heraus, daß es besonders die Klöster sind, die die Mönche in die Gefängnisse ausliefern. Für alle wäre das die begehrteste Rache aber für alle bedeutet das auch weniger Hoffnung."

Quelle LBNQ, R. Cascioli

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