Dienstag, 30. Juni 2020

II. Vaticanum : Sandro Magister widerspricht Erzbischof Viganò

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die jüngsten, immer drastischer werdenden  Äußerungen von Erzbischof Carlo Maria Viganò zum II.Vaticanischen Konzil und widerlegt seine Vorwürfe gegen den Papa emeritus, er habe die Gläubigen durch sein angebliches Beharren auf einer Hermeneutik der Kontinuität getäuscht. Dazu veröffentlicht er den Teil einer Rede von Papst Benedikt XVI in dem der ausführlich auf das Konzil, seine Folgen und seine Interpretation eingeht.
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"ERZBISCHOF VIGANÒ AM RANDE DES SCHISMAS. DIE UNBEACHTETE LEKTION BENEDIKTS XVI" 

"Benedikt XVI beförderte ihn 2011 zum Nuntius in den USA. Der milde Theologen-Papst, hätte sich vor 9 Jahren wohl nicht vorstellen können, daß Erzbischof Carlo Maria Viganò, der sich 2016 ins Privatleben zurückzog, aber alles andere als verborgen geblieben ist, ihn heute beschuldigen würde, die "ganze Kirche getäuscht zu haben, weil er glauben machen lassen wollte, daß das II.Vaticanische Konzil immun sei gegen Häresien und darüber hinaus in perfekter Kontinuität mit der langjährigen wahren Lehre interpretiert werden müsse.

Weil das in voller Länge das ist, was Viganò in den letzten Tagen getan hat:-um eine unerbittliche Flut von Denunziationen kirchlicher Häresien der letzten Jahrzehnte zu stoppen, deren Wurzeln das Konzil ist- zuletzt im Dialog mit Phil Lawler, dem Herausgeber von CatholicCulture.

Vorsicht: nicht das Konzil hat schlecht interpretiert sondern das Konzil als solches wurde en bloc schlecht interpretiert. In seinen jüngsten öffentlichen Statements hat Viganò de facto sogar die diversen Forderungen, das II. Vaticanum in einigen Punkten zu korrigieren,  als zu schüchtern und nichtssagend -hier und da in seinen Texten, die seinem Urteil nach offen häretisch sind, wie die Deklaration Dignitatis Humanae zur Religionsfreiheit, zurückgewiesen. Weil das, was getan werden müsse- wie er verlangt- sei "es insgesamt fallen zu lassen und zu vergessen."

Natürlich mit der begleitenden Vertreibung aller jener Kirchenautoritäten aus dem Hl. Bezirk, die also der Täuschung für schuldig befunden werden und -obwohl dazu aufgefordert- ihre Einstellung nicht geändert haben.

Was die Kirche seit dem Konzil entstellt hat, ist laut Viganò eine Art "Universaler Religion, deren erste Theoretiker die Freimaurer waren". Und deren politischer Arm jene "vollkommen unkontrollierte Weltregierung ist "die von "namen-und gesichtslosen Mächten angestrebt wird, die jetzt sogar die Corona-Virus-Pandemie für ihre eigenen Interesse nutzen".

Am vergangenen 8. Mai haben die Kardinäle Gerhard Müller und Joseph Zen Zekiun unvorsichtigerweise ihre Unterschrift unter einen Appell Viganòs gegen diese lauernde "Neue-Welt-Ordnung" gesetzt.

Ebenso mit einem folgenden offenen Brief Viganòs an Donald Trump, den er als Kämpfer des Lichts gegen die Mächte der Finsternis anruft, die sowohl im "deep state" als auch in der "deep church" agieren. Der Präsident der USA hat enthusiastisch mit einem Tweet geantwortet, der dann im internet Furore machte.

Aber zurück zur kühnen Anklage, die Viganò gegen Benedikt XVI wegen seiner "gescheiterten Versuche erhebt, Konzilsübertreibungen zu korrigieren, indem er die Hermeneutik der Kontinuität verkündete" - man muß dem Angeklagten das Recht zuerkennen, zu sprechen.

Die Hermeneutik der Kontinuität - oder präziser gesagt "die Hermeneutik der Reform" - einer Erneuerung in der Kontinuität des einen Subjektes Kirche - ist in der Tat der Interpretationsschlüssel, den Benedikt XVI 2005 in seiner erinnerungswürdigen Weihnachtsansprache an die Kurie, im ersten Jahr seines Pontifikates, geliefert hat.




Es ist eine Rede, die man unbedingt im Ganzen wieder lesen sollte.
ZITAT

"Eminenzen, hochwürdige Brüder..."

Aber hier ist eine Zusammenfassung dessen, wie Papst Joseph Ratzinger seine Exegese des II. Vaticanischen Konzils entwickelt hat. 

Er begann damit, daran zu erinnern, daß auch nach dem Konzil von Nicäa 325, die Kirche von äußerst heftigen Konflikten erschüttert wurde, die den Hl. Basil schreiben ließen: 

"Das heisere Geschrei derer, die sich im Streit gegeneinander erheben, das unverständliche Geschwätz, die verworrenen Geräusche des pausenlosen Lärms, all das hat fast schon die ganze Kirche erfüllt und so durch Hinzufügungen oder Auslassungen die rechte Lehre der Kirche verfälscht …"

Aber warum war auch die Nachwirkung des II. Vaticanums so streitbar? Die Antwort Benedikts XVI ist, daß alles "von seiner Hermeneutik" abhängt, dem "Schlüssel zu seiner Interpretation und Anwendung." 


Der Konflikt ist dadurch entstanden, daß "zwei gegensätzliche Hermeneutiken miteinander konfrontiert wurden und im Streit lagen." Auf der einen Seite war eine "Hermeneutik der Diskontinuität und der Ruptur". Auf der anderen Seite eine "Hermeneutik der Reform und Erneuerungern in Kontinuität des einen Subjektes Kirche. 


Laut der ersten Hermeneutik "wäre es nötig, nicht den Texten des Konzils zu folgen sondern seinem Geist"  und für die "Vorwärtsimpulse zum Neuen" Platz zu machen , die als dem Text zugrunde liegend angesehen werden, "in denen -um Einigkeit zu erreichen- es für notwendig erachtet wurde, viele alte Dinge, die jetzt belanglos sind, beizubehalten und zu bestätigen. "


Aber damit- entgegnete der Papst- "wird die Natur eines Konzils als solchem von Grund auf mißverstanden. Auf diese Weise wird es als eine Art verfassunggebende Versammlung betrachtet, die eine alte Verfassung außer Kraft setzt und eine neue schafft." Während statt dessen "die eigentliche Kirchenverfassung vom Herrn kommt, und sie uns gegeben wurde" und die Bischöfe einfach nur ihre getreuen und weisen "Verwalter" sein sollen.  


Bis zu diesem Punkt schien Benedikt XVI deshalb die Hermeneutik der Diskontinuität allein der progressiven Strömung in der Kirche zuzuschreiben, aber im weiteren Verlauf der Rede die Ziele des Konzils- die Beziehung zwischen der Kirche und dem modernen Staat neu zu definieren-  dann tiefergehend analysierend, greift er die Frage auf, über die nicht die Progressiven sondern mehr die Traditionalisten gestolpert waren- bis zum Bruch - wie die Anhänger Marcel Lefebvres und so wie Viganò jetzt kurz davor zu sein scheint. 


Es geht um die Frage der Religionsfreiheit, die in der Konzilserklärung "Dignitatis Humanae" angesprochen wird. Eine Deklaration, der Viganò ebenfalls die schlimmsten Vorwüfe mach
t, bis dahin, zu schreiben "wenn es möglich war, Pachamama in einer Kirche zu verehren, verdanken wir das "Dignitatis Humanae".

Tatsächlich kann man nicht leugnen, daß das II. Vaticanum bzgl. der Relgionsfreiheit eine klare Diskontinuität darstellt, keine Ruptur,- zur ordentlichen Lehre der Kirche des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, die streng antiliberal war.  Benedikt XVI hat das in seiner Rede ausdrücklich anerkannt und auch die historischen Gründe dafür erklärt, die gerade- weil sie historisch sind, sich mit der Zeit geändert haben und dem Konzil gestatteten, "das zu erkennen und seine eigenes essentielles Prinzip, eines der Modernen Staates durch das Dekret der Religionsfreiheit zu formulieren", um das "tiefste Erbteil der Kirche, das von Jesus selbst und der Märtyrer der frühen Kirche, die für die Gewissensfreiheit und die Freiheit den eigenen Glauben zu bekennen, gestorben sind, zu bewahren, ein Bekenntnis, daß von keinem Staat aufgezwungen werden kann, sondern das man sich nur durch die Gnade Gottes in der Freiheit des eigenen Gewissens zu eigen machen kann. 


Es ist genau diese Kombination von Kontinuität und Diskontinuität auf verschiedenen Ebenen, die die wahre Natur jeder wirklichen Reform ist", sagte Papst Ratzinger in dieser Rede. "Das zweite Vaticanische Konzil mit seiner Definition des Verhältnisses zwischen dem Glauben der Kirche und bestimmten essentiellen Elementen des modernen Denkens, das bestimmte historische Entscheidungen überprüft oder sogar korrigiert hat, hat aber in dieser offensichtlichen Diskontinuität ihre innerste Natur und wahre Identität bewahren können."


Es gibt deshalb auch eine "Hermeneutik der Diskontinuität" der Benedikt XVI auch zustimmte, weil "genau aus dieser Kombination von Kontinuität und Diskontinuität auf verschiedenen Ebenen die wahre Natur einer wirklichen Reform besteht". 


Aber an diesem Punkt können wir ihn auch selber sprechen lassen und geben den Schlußteil seiner Rede über das Konzil wieder, in dem er ausführlich das präsentierte, was wir oben in wenigen Zeilen zusammengefaßt haben. 


Viganòs Gegenargumente sind auf den websites zu lesen, die ihn covern, Der Leser möge vergleichen. 


"...IN DIESEM PROZESS DER ERNEUERUNG UND DER KONTINUITÄT:..." 


von Benedikt XVI   -ZITAT


[...] In der großen Kontroverse um den Menschen, die bezeichnend ist für die Moderne, mußte das Konzil sich besonders dem Thema der Anthropologie widmen. Es mußte über das Verhältnis zwischen der Kirche und ihrem Glauben auf der einen und dem Menschen und der heutigen Welt auf der anderen Seite nachdenken  Das Problem wird noch deutlicher, wenn wir anstatt des allgemeinen Terminus »heutige Welt« ein anderes, treffenderes Wort wählen: Das Konzil mußte das Verhältnis von Kirche und Moderne neu bestimmen. 

Sein Inhalt ist in den Konzilstexten natürlich nur in groben Zügen dargelegt, aber die Richtung ist damit im Wesentlichen festgelegt, so daß der Dialog zwischen Vernunft und Glauben, der heute besonders wichtig ist, aufgrund des Zweiten Vaticanums seine Orientierung gefunden hat. Jetzt muß dieser Dialog weitergeführt werden, und zwar mit großer Offenheit des Geistes, aber auch mit der klaren Unterscheidung der Geister, was die Welt aus gutem Grund gerade in diesem Augenblick von uns erwartet. So können wir heute mit Dankbarkeit auf das Zweite Vatikanische Konzil zurückblicken: Wenn wir es mit Hilfe der richtigen Hermeneutik lesen und rezipieren, dann kann es eine große Kraft für die stets notwendige Erneuerung der Kirche sein und immer mehr zu einer solchen Kraft werden.

Dieses Verhältnis hatte mit dem Prozeß gegen Galilei einen sehr problematischen Anfang genommen. Es war im Folgenden vollkommen zerbrochen, als Kant die »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft« beschrieb und als in der radikalen Phase der Französischen Revolution ein Staats- und Menschenbild Verbreitung fand, das der Kirche und dem Glauben praktisch keinen Raum mehr zugestehen wollte. 
Der Zusammenstoß des Glaubens der Kirche mit einem radikalen Liberalismus und auch mit den Naturwissenschaften, die sich anmaßten, mit ihren Kenntnissen die ganze Wirklichkeit bis zu ihrem Ende zu erfassen, und sich fest vorgenommen hatten, die »Hypothese Gott« überflüssig zu machen, hatte im 19. Jahrhundert seitens der Kirche unter Pius IX. zu harten und radikalen Verurteilungen eines solchen Geistes der Moderne geführt. 
Es gab somit scheinbar keinen Bereich mehr, der offen gewesen wäre für eine positive und fruchtbare Verständigung, und diese wurde von denjenigen, die sich als Vertreter der Moderne fühlten, auch drastisch abgelehnt
In der Zwischenzeit hatte jedoch auch die Moderne Entwicklungen durchgemacht. Man merkte, daß die amerikanische Revolution ein modernes Staatsmodell bot, das anders war als das, welches die radikalen Tendenzen, die aus der zweiten Phase der französischen Revolution hervorgegangen waren, entworfen hatten. 

Die Naturwissenschaften begannen, immer klarer über die eigenen Grenzen nachzudenken, die ihnen von ihrer eigenen Methode auferlegt wurden, die, auch wenn sie große Dinge vollbrachte, dennoch nicht in der Lage war, die gesamte Wirklichkeit zu erfassen."
[....]


Man könnte sagen, daß sich drei Fragenkreise gebildet hatten, die jetzt, zur Zeit des Zweiten Vaticanums, auf eine Antwort warteten. 

Vor allem war es notwendig, das Verhältnis von Glauben und modernen Wissenschaften neu zu bestimmen; das galt übrigens nicht nur für die Naturwissenschaften, sondern auch für die Geschichtswissenschaft, weil in einer gewissen Schule die Vertreter der historisch-kritischen Methode das letzte Wort in der Bibelauslegung für sich in Anspruch nahmen und sich – da sie behaupteten, das einzig mögliche Schriftverständnis zu besitzen – in wichtigen Punkten der Auslegung, die im Glauben der Kirche erwachsen war, widersetzten. 


Zweitens mußte das Verhältnis von Kirche und modernem Staat neu bestimmt werden, einem Staat, der Bürgern verschiedener Religionen und Ideologien Platz bot, sich gegenüber diesen Religionen unparteiisch verhielt und einfach nur die Verantwortung übernahm für ein geordnetes und tolerantes Zusammenleben der Bürger und für ihre Freiheit, die eigene Religion auszuüben. 


Damit war drittens ganz allgemein das Problem der religiösen Toleranz verbunden – und das verlangte eine Neubestimmung des Verhältnisses von christlichem Glauben und Weltreligionen. Angesichts der jüngsten Verbrechen, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft geschehen waren, und überhaupt im Rückblick auf eine lange und schwierige Geschichte mußte besonders das Verhältnis der Kirche zum Glauben Israels neu bewertet und bestimmt werden. [...]


Der Schritt, den das Konzil getan hat, um auf die Moderne zuzugehen, und der sehr unzulänglich als »Öffnung gegenüber der Welt« bezeichnet wurde, gehört letztendlich zum nie endenden Problem des Verhältnisses von Glauben und Vernunft, das immer wieder neue Formen annimmt. Die Situation, der das Konzil gegenüberstand, kann man ohne Weiteres mit Vorkommnissen früherer Epochen vergleichen. " [...]



Quelle: S. Magister, Settimo Cielo, LEV, La Santa Sede

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