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Donnerstag, 25. Dezember 2014

"Ein Leben mit Ratzinger" Pater Stephan Horn erzählt.


Pater Stephan O.Horn: "Ein Leben mit Ratzinger"
"Benoît-et-moi" veröffentlichte ( als Weihnachtsgeschenk) dieses ausführliche Interview mit Pater Stephan Horn, Salvatorianer-Pater, Ex-Doktorand und Ex-Assistent von Professor Ratzinger in Regensburg und heute u.a. Präsident des Schülerkreises.   Hier geht´s um Original     klicken
                                                 
                                                "Une Vie avec Ratzinger"

                                   
"Es gibt Begegnungen, die das  Leben verändern. Das war bei Stephan Horn, Salvatorianer-Pater, der Fall, als er 1970 den Theologieprofessor Joseph Ratzinger kennenlernte, der sehr bald "Vater einer theologischen-ja sogar spirituellen Familie" wurde. 
Pater Horn, der in Regensburg Student und Universitäts-Assistent von Ratzinger war und der jetzt mit der Aufgabe betraut ist, Arbeit und Gedankengut des emeritierten Papstes bei ihrer Nutzung in all den Institutionen, die seinen Namen tragen, zu schützen, beschreibt diese Begegnung und das Eintreten in den Kreis der Studenten als "eines der größten Gnadenschenke meines Lebens."
In diesem Interview, läßt Pater Horn, Professor emeritus der Fundamentaltheologie, seine Erinnerungen an die Universitätsjahre und die Entstehung des Schülerkreises wieder lebendig werden; um zuletzt beim theologischen Erbe Benedikts XVI anzukommen.
  
Frage: "Pater Horn, wie haben Sie Professor Ratzinger kennengelernt? "
Pater Horn: "Ich habe in Passau studiert, einer schönen Stadt an der Grenze zu Österreich, wo die Salvatorianer der Kongregation, zu der ich gehöre, studieren. Mein Dogmatikprofessor dachte, daß ich sein Nachfolger werden könnte...als ich nach Regensburg ging, um zum ersten mal Professor Ratzinger zu begegnen, wußte der nicht , daß ich in München Doktorand bei Prof. Schmaus war, der ihm so enorme Schwierigkeiten gemacht und versucht hatte, seine Habilitation zu verhindern. Das war eine der großen Krisen im Leben des jungen Ratzingers gewesen, der sich immer gewünscht hatte, Professor zu werden. Aber es ist ihm gelungen und er hat sogar eine gute Beziehung zu Schmaus herstellen können. Als ich zu ihm gegangen bin, war ich über alle diese Dinge nicht auf dem Laufenden, ich habe mich vorgestellt und wir haben über meine These gesprochen."



"In welchem Jahr war das?"
 "Das war Anfang 1970. Er war im Herbst 1969 in Regensburg angekommen. Er hat mich problemlos, mit viel gutem Willen, akzeptiert, obwohl ich von einer anderen Theologie herkomme. Und es war für alle 25 Studenten gleich, die bei ihm promovieren oder sich habilitieren wollten. Wir haben uns alle 2-3 Wochen getroffen, nicht in der Universität sondern im Seminar und wir hatten den Eindruck, daß bei ihm Theologie und Spiritualität eins waren. Die Begegnungen begannen mit einer Messe, während der er oder einer von uns die Predigt hielt. Danach haben wir diskutiert. Er befürchtete, daß es sich für uns als problematisch erweisen könnte, nicht persönlich geleitet zu werden, aber bei diesen Zusammenkünften stellte jeder seine Ergebnisse vor, die dann in großer Freiheit aber auch großer Intensität diskutiert wurden.
Wenn wir Vorschläge machten, antwortete Ratzinger nicht sofort- sondern am Schluss, er faßte unsere Beiträge besser zusammen als wir es gekonnt hätten und fügte seine Gedanken hinzu.  Er hat sich nicht aufgedrängt. Er besaß ein sehr klares Denken, aber man diskutierte trotzdem frei. Er wollte sich einfach der Wahrheit versichern und alles spielte sich in großer Einfachheit ab. Er war immer ein bißchen schüchtern, aber uns gegenüber merkte man von dieser Schüchternheit nichts."

"Was war das Thema Ihrer Habilitation?"



"Das Thema meiner Habilitation zum Universitätsprofessor war Leo der Große und das Konzil von Chalkedon, aus einem ekklesiologischen Blickwinkel- behandelte also das Verhältnis zwischen dem Nachfolger Petri und einem Konzil.
Ich handelte also ein historisches Faktum ab, aber auch das Verhätlnis zwischen Rom und Konstantinopel, zwischen Rom und der Orientalischen Kirche, also ein ökumenisches Thema. Das Konzil von Chalkedon zeigt, wie der Nachfolger Petri sich mit dem einverstanden erklärt, was die anderen Bischöfe vorschlagen. Ein historisches Thema also, aber auch sehr nützlich- besonders für den Dialog zwischen der katholiscvhen Kirche und der Orthodoxie."

"Und nach Ihrer Habilitation?"

"Zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung hat Professor Ratzinger mich als seinen Assistenten berufen, eine Rolle, die ich von 1972 bis 1979, als er als Erzbischof nach München ging, ausgefüllt habe. Selbst danach bin ich für eine kurze Periode dort geblieben und er- als Erzbischof- kam von Zeit zu Zeit, um seine letzten Doktoranden zu unterstützen. Später haben wir mit den jährlichen Treffen des Schülerkreises begonnen."





"War das der Anfang des Schülerkreise?"

"Nein, der ist später entstanden, 1981, gegen Ende seines Dienstes als Kardinalerzbischof von München. In Wirklichkeit ist es schwer, ein exaktes Datum zu bestimmen: zuerst gab es die Treffen und Diskussionen mit den Studenten. Anfang 1978, einige Monate nach seiner Ordination zum Bischof und nach seiner Kardinalserhebung, haben wir alle versammelt, nicht nur die Doktoranden aus Regenburg sondern auch die aus Bonn, Münster und Tübingen, weil es in jeder Universität, an der er gelehrt hatte, eine Gruppe gab. Das war das erste mal. Danach-einige Jahre später- haben wir begonnen, das regelmäßig zu machen. Schon in Tübingen und dann in Regensburg organisierte Ratzinger Zusammenkünfte seiner Studenten mit einem anderen Professor, großen Theologen wie Hans Urs von Balthasar oder Karl Barth und anderen. Am Ende eines jeden Universitätsjahres wurde so eine Begegnung an einem anderen Ort abgehalten, zu dem er einen anderen großen Theologen zu einer Konferenz einlud, damit wir mit protestantischen Professorenn, Philosophen etc diskutieren konnten, Daraus sind die Kolloquien entstanden, zu denen er immer einen Professor einlud und in deren Verlauf man betete, diskutierte, studierte- jedes mal über ein anderes Thema."

"Wieviele waren Sie, alle Doktoranden 1978?"

"In Regensburg waren wir ungefähr 25 Doktoranden uns Habilitanden. Bei der Entstehung des Schülerkreises waren wir mehr als 50." 

"Was sind die fundamentalen Punkte der Theologie Ratzingers?"

"Wir hatten immer den Eindruck, daß Ratzinger ein dogmatischer Theologe sei und ein Professor der Fundamentaltheologie, aber gleichzeitig ein Exeget, der das Wort Gottes, das Alte und das Neue Testament studiert und viel darüber meditiert hat. Für uns war er das Beispiel eines Theologen in der Linie des II.Vaticanischen Konzils, nach der die Heilige Schrift das Fundament und die Seele der ganzen Theologie ist- besonders im Licht der ersten Kirchenväter betrachtet: das Wort Gottes und die Kirche sind eng verbunden in seinem Denken. Die Theologie basiert auf der Hl. Schrift, aber die Schrift wird vom Zentrum des Glaubens, der Kirche, interpretiert. Außerdem  waren nach Ratzinger die ersten Theologen die Heiligen, die das Wort Gottes nicht studierten, sondern mit ganzem Herzen und ihrem Leben annahmen. Sie sind die ersten Exegeten und die Theologen müssen sich deshalb auf die Wissenschaft der Heiligen stützen. Das ist seine feste Überzeugung. Die Theologie muß infolgedessen immer an eine wahre Spiritualität gebunden sein."

"Gibt es Denker, die die Entwicklung der Theologie Ratzingers beeinflußt haben?"

"Einige große Gedanken hatte er vom Hl.Augustinus übernommen, über den er seine Dissertation geschrieben hatte, indem er eine Theologie der Eucharistie entwickelte: das Zentrum der Eucharistie, mit der Christus uns zu sich zieht, wenn Er sich uns gibt, wir werden von Ihm angezogen und wir sind mit Ihm vereint. Und deshalb ist die Kirche nicht nur das Volk Gottes - das ist eine seiner fundamentalen Überzeugungen- sondern sie ist das Volk Gottes als Körper Christi, weil wir in Christus eins sind.
Christus ist das Zentrum der Kirche und Er verwandelt uns in sich selbst. und so wächst die Kirche in der Eucharistie. 
Die Eucharistie ist also das Zentrum der Kirche, das ist eine fundamentale Überzeugung- und so tritt er in den Dialog mit den Orthodoxen Theologen ein, die eine eucharistische Ekklesiologie vertreten.
Aber für sie ist jede örtliche Kirche in sich selbst eine komplette Einheit, während für Ratzinger eine Ortskirche durch die Feier der Eucharistie in die volle Einheit mit der universalen Kirche tritt. Das ist eine bemerkenswerte Differenz und wir versuchen, durch eine vertiefte Theologie der Eucharistie in einen Dialog mit der Orthodoxie zu treten.
Ein anderer großer Gedanke kommt von Bonaventura: die Offenbarung ist nicht nur eine Summe von Wahrheiten, die sich im Lauf der Zeit übermittelt, sondern ist die Selbstoffenbarung Gottes für den Menschen, also eine Geschichte zwischen Gott und den Menschen. Gott spricht und wir empfangen e Offenbarung und diese erfüllt sich nur im Glauben: die Offenbarung ist also das Herz, das sich für Gott öffnet, der sich dem Menschen zeigt. 
Sie ist demnach- könnte man sagen- ein Dialog. Schmaus dachte, das sei Subjektivismus: "wenn Gott sich dem Menschen offenbart, begreift das jeder auf seine Weise, das ist ein großes Problem." Nach Ratzinger jedoch ist diese Offenbarung nicht nur an eine einzelne Person gerichtet sondern an das Volk Gottes, an die Kirche, die das Thema der Offenbarung ist, der Subjektivismus sei damit ausgeschlossen."

"Pater Horn, gibt es in Ihrem Leben ein Vor- und ein Nach-Ratzinger?"

"Als junger Student  hatte ich das Verlangen, die Theologie zu verstehen und ich hatte einen großen Lehrer : Alois Winklhofer, der uns vor dem Konzil den Weg zum Konzil geöffnet hat. VaticanII ist für mich nicht ein Bruch sondern eine Evolution. 
Und danach, mit Ratzinger, hat für mich eine neue Entwicklung begonnen. Mit ihm war alles sehr intensiv- was meine Liebe zur Kirche und die Freundschaft mit ihm nährte. Eine Erfahrung für´s Leben, ohne die ich nie Professor hätte sein können: von da ist die wahre Freude, Theologe zu sein, gekommen. 
1977 bin ich zu den Salvatorianern nach Hause zurückgekehrt  und während des Semesters war ich Professor in Passau. Dann bin ich 1981 als Professor für Fundamentaltheologie  nach Augusta (Augsburg?) gegangen ."

"Und heute, sind Sie emeritierter Professor für Fundamentaltheologie?"

"Ja, seit 1999, ich bin alt."

"Aber so konnten Sie sich besser Ihrer Aufgabe der Verbreitung des Werkes und der Gedanken des Theologen Ratzingers widmen. Können Sie uns Ihre Aufgaben im Einzelnen schildern?"

"Ich möchte zuerst ein Wort über die Treffen des Schülerkreises sagen. Ich und Professor Wiedenhofer- die letzten Assistenten Ratzingers- haben die ersten Schülerkreistreffen organisiert. Jedes Jahr an einem anderen Ort, besonders in Bayern, aber auch in anderen Teilen Deutschlands. Aber nachdem das für Kardinal Ratzinger zunehmend eine zu schwere Belastung wurde, haben wir begonnen, uns während seiner Ferien in der Nähe von Regensburg zu treffen-Ende August, Anfang September und er kam aus seinem Haus in Pentling zu den Kolloquien. Als er zum Papst gewählt worden war, lud er uns nach Castel Gandolfo ein. Wir haben ihn ein bißchen überrumpelt und ihn gebeten, das jedes Jahr zu tun- so wie vorher."
Quelle: Benoît-e-moi, fondazione ratzinger

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1 Kommentar:

  1. WUnderbarer Text und ja es ist so:

    ".....wir hatten den Eindruck, daß bei ihm Theologie und Spiritualität eins waren..."

    So geht es wohl vielen von uns und deshalb haben wir ihn geliebt, unseren Papst Benedikt!

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