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Dienstag, 5. Mai 2015

Reales Pontifikat versus Medien-Pontifikat. Der revolutionäre Elan des Kardinalsrates versandet in der Schaffung immer neuer Kommissionen

Andrea Gagliarducci setzt sich in Monday in the Vatican mit der Frage auseinander, inwieweit das reale Pontifikat von Papst Franziskus mit dem medialen überstimmt und nimmt dabei besonders die Arbeit des "Kardinalsrates" aber auch die Rolle der Papstwähler Maradiaga, Kasper und Daneels unter die Lupe.
Hier das Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS, DAS PONTIFIKAT DER MEDIEN UND DAS REALE PONTIFIKAT"

Papst Franziskus steht jetzt vor einem slow-down seiner Reformen.
Die Einrichtung einer Kommission für Kommunikation in dieser Woche, die die Vorschläge des vor einiger Zeit vom Kardinalsrat ernannten  Komitees für Kommunikation  formulieren und in Kraft setzen soll, mag eine weitere Verlangsamung auf dem Weg der Kurien-Reform bedeuten.

Als es Zeit war, Entscheidungen zu treffen, hat der Kardinalsrat dem Papst die Einberufung einer neuen Kommission vorgeschlagen, in der jedoch die Repräsentanten der Medienvertreter des Vaticans- wie Radio Vatican, L´Osservatore Romano  und das Presseamt des Hl. Stuhls fehlten.

Auf diese Weise wurde der Moment, eine klare Entscheidung zu treffen  erneut verpaßt. Zur Zeit scheinen die Kurienreformer selbst auf etwas zu warten.

Nach 10 Treffen hat der Rat der Kardinäle, der dazu gegründet wurde, den Papst zu beraten, alle anfänglichen revolutionären Projekte, die er vielleicht im Sinn hatte, fallen gelassen. Ursprünglich hatte man gedacht, der Rat würde den Vatican in sehr kurzer Zeit umkrempeln. Aber am Ende sah er sich vielen kritischen Problemen gegenüber, mit denen die Kardinäle nicht gerechnet hatten.  

Unter ihnen vor allem dieses: die Notwendigkeit eine theologische Basis für die Reform zu finden. Sie ist der Grund weshalb die Reformen zum Stillstand gekommen sind.

In der Zwischenzeit verbreiten die Medien Erzählungen, daß es die alten Kurienseilschaften seien, die den Weg zu Reformen blockierten. Aber vielleicht ist das Gegenteil wahr. Papst Franzisksus zielt darauf ab, die Herzen zu erneuern, wie er in seinem allerersten Interview sagte.
Und die größte Gegenspieler dieser Reform der Herzen sind die, die Franziskus drängen, die Strukturen der Kurie zu erneuern.

Seit der Wahl sind die Erwartungen an das Pontifikat von Papst Franziskus mit jeder Geste, jeder Rede gestiegen. Das Klima der Erwartung wurde von den Kardinälen angeheizt, die vorher- in Komplizenschaft mit den Medien- für seine Wahl gekämpft hatten.
Alles in der Kirche sollte als "frischer Atem der Revolution" wahrgenommen werden, als ob die Kirche vor Franziskus nur ein Ort der Skandale und Dysfunktion gewesen sei.

Diese Lesart log offensichtlich hinsichtlich der Tatsachen, aber sie half einigen Leuten, noch einmal im Schatten des Papstes ins Rampenlicht zu treten, wie den Kardinälen Oscar R. Maradiaga, Walter Kasper und Godfried Daneels.

Ihr pastoral-theologischer Standpunkt wäre innerhalb kurzer Zeit eines natürlichen Todes gestorben und ihr Einfluss- der bereits sehr abgenommen hatte, wäre fast ganz verschwunden. Diese Kardinäle identifizierten in Papst Franziskus die Möglichkeit, ihren früheren Einfluss zu erneuern, zumal sich der Papst eher für die Pastoral als das Regieren oder die Machtkämpfe interessiert.

Zur Wahl von Papst Franzislus kam es am Ende einer gut orchestrierten Kampagne.
Austen Ivereighs Buch "Der große Reformer" spricht von einem Team von Kardinälen, die für seine Wahl warben.
Unsere Aufmerksamkeit für das Vorliegen einer Medienstrategie im Dienste dieses Zieles wurde durch die Nachricht vom Tod von Schwester Mary Ann Walsh, erneuert, die 20 Jahre lang für die Beziehungen der US-amerikanischen Bischofskonferenz zu den Medien zuständig gewesen war.
Während des Präkonklaves hatte Schwester Walsh Briefings von Journalisten durch amerikanische Kardinäle organisiert. Diese Briefings wurden eingestellt, nachdem die italienische Zeitung La Stampa sehr präzise Berichte über das, was dort bei den Treffen mit den Kardinälen vor sich ging, und was als vertraulich betrachtet worden war, veröffentlichte.
In einem post auf der USCCB-website griff Sister Walsh die Indiskretion von La Stampa an und ließ so durchscheinen, dass es zu der Zeit wirklich eine Medien-Agenda gegeben hatte.

Benedikt XVI war sich dessen bewußt. Am 13. Februar 2013- zwei Tage nachdem er seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte, sprach er vor dem Römischen Klerus über des "II. Vatikanische Konzil der Medien" und über die Rezeption des Konzils. Das waren prophetische Worte.
Es folgten ein Konklave der Medien  und das wirkliche Konklave, eine Synode der Medien und die reale Synode, das Pontifikat der Medien und das reale Pontifikat.

Das mediale Pontifikat weist auf eine stattfindende Revolution hin, die Kirche befreit sich endlich von Strukturen, geht an die existentielle Peripherie, verstärkt die Macht der nationalen Bischofskonferenzen, setzt das Evangelium der Barmherzigkeit in Kraft und entledigt sich jeder Idee einer Verdammung.
Das Medienpontifikat stellt Papst Franziskus als den Meister sozialer Themen und gleichzeitig als einen dar, der in der Lage ist, menschliche Themen pragmatisch anzugehen-wie Abtreibung, deren Bedeutung aber reduziert wird.
Die Konservativen fürchten sich vor dem Medienpontifikat. Sie fürchten z.B, daß die naive Vorgehensweise des Papstes durch die kommende Ökologie-Enzyklika die Geburtenkontrolle stärken wird, weil einer der Berater für dieses Enzyklika, Jeffrey Sachs, ein Vorkämpfer für die Geburtenkontrolle ist.
Sie befürchten auch, daß die Enzyklika eine bestimmte Öffnung auf eine " nachhaltige Entwicklung" hin -im Sinne von new-age- enthalten könnte,.

Aber es gibt das reale Pontifikat, über das nie diskutiert wird. Dieses reale Pontifikat ist dem "versteckten Vatican" wohl bekannt, der - angesichts des Revolutionsgeredes- treu und schweigend seine Arbeit tut und die Reformen des Vaticans voranbringt, die bereits seit einiger Zeit begonnen hatten.
Das reale Pontifikat zeigt, daß Papst Franziskus die natürliche Familie verteidigt und die Gender-Ideoloigie verdammt.

Das Medien-Pontifikat verbreitet durch seine Lautsprecher, daß Papst Franziskus die Kirche für Homosexuelle geöffnet habe, indem er sagte: "who am I to judge?"

Das reale Pontifikat klärt daß der Papst mit diesem Satz den Sarg des Themas zunagelte: wenn Homosexuelle nach dem Lehre der Kirche leben- ist es nicht an ihm, über sie zu urteilen. Wenn sie das nicht tun, wird er sie auch nicht verurteilen, aber sie sind außerhalb der Kirche. Punkt.
Jeder Zusatz wäre überflüssig.

Im realen Pontifikat schätzt der Papst den konservativen Kardinal Caffarra von Bologna für seine Wortmeldungen bei der Bischofs-Synode, darüber hinaus - mag er Kardinal L.Müller, den Präfekten der Glaubenskongregation nicht nicht, sondern hält viel von ihm, vielleicht dem einzigen, der in der Lage ist, eine Brücke zwischen der Theologie und der Südamerikanischen Spiritualität zu schlagen, auch Dank seiner Kenntnis der Befreiungstheologie und seiner Freundschaft zu Fr. Gustavo Gutierrez.
Der Papst unterhält auch gute Beziehungen zu seinem Zeremonienmeister Msgr. Guido Marini und er ist nicht gegen Kardinal Raymond Burke, den er von der Apostolischen Signatur zum Malteser Orden versetzte.

Eine Sache muß noch über Papst Franziskus´ reales Pontifikat gesagt werden.
Der Papst hat sicher seine Sympathien und Antipathien, aber seine politischen Entscheidungen basieren nicht auf ihnen.
Die Versetzung Kardinal Burkes auf einen weniger wichtigen Posten-und wahrschienlich auch die von Kardinal Piacenza-von der Kleruskongregation zur Apostolischen Poenitentiarie kann hauptsächlich dadurch erklärt werden, daß der Papst eine bestimmte Art der Pastoral innerhalb der Kirche bevorzugt,.

Sein Auswählen sollte eher entlang der Linie seines Wunsches, die Kirche nach seinem Ideal zu gestalten, erklärt werden als auf Grund seiner Abneigung gegen irgendjemanden Besonderes.
Und sein Ideal ist das einer Kirche in ständiger Missiom, im Dialog mit der Welt und der Peripherie.

Das erklärt die vieldiskutierten und überraschenden Ernennungen-wie die von Blaise Cupich zum Erzbischof von Chicago, oder die Kardinalskreierung von Erzbischof J. Atcherley Sew von Wellington, Neuseeland.
Papst Franziskus´ Konsistorien- ebenso wie manche seiner Bischofsernennungen- sind eine Mischung aus einem Kompromiss an die liberale Welt und der Suche nach einem pastoralen Ansatz. Der rote Faden ist der Wunsch, den Karrierismus zu unterbinden, indem man die Idee von Diözesen, die fest mit einer Kardinalsernennung und einem Sitz in der Kurie verbunden sind, abschafft.
Der Papst betrachtet nicht viele seiner  Umbesetzungen als "Demontage", er hat einen völlig anderen Ansatz. So anders, daß er zwei Jahre brauchte, um einige Ernennungen im Vaticanstil zu tätigen- wie die Beförderung von Kardinal Giuseppe Versaldi zum Präfekten der Kongregation für Katholische Erziehung,

Papst Franziskus´ Auswahl ist letztendlich mehr kosmetisch als die Konsequenz eines riesigen verdorbenen Systems.
Im Innersten ist der Papst in seiner Genügsamkeit von Grund auf Jesuit und zur selben Zeit richtet er sich mehr nach politischen Instinkten als nach theologischen Visionen.
Die, die zu einer sogenannten Revolution drängen, haben auf seine politischen Instinkte gesetzt. Sie haben dem Papst gesagt, daß die Kirche ihr Image zum Wohl der Menschen ändern müsse und deshalb müßten die Strukturen verändert werden.
Papst Franziskus hat diese Gelegenheit von Anfang an ergriffen und gründlich über substantielle Veränderungen nachgedacht.

Aber er ist auch Jesuit und er weiß, sich seine Zeit zu nehmen. Sehr früh war er einverstanden, mehrere ( teure) externe Berater anzuwerben, um zu sehen, wie sich die Diskussion innerhalb des Vaticans entwickelte und jedem zuzuhören.
Das ist sein modus operandi.: er hört jedem zu und entscheidet dann. Am Ende waren seine Entscheidungen nicht dazu angetan, die Kurie einzureißen, wie man am Anfang dachte.
In der Geschichte dieses Pontifikates gibt es einen Moment, in dem der "verborgene Vatican" -mit dem Gewicht seiner Argumente und seiner im Geist der Kontinuität begonnenen Reformen-Papst Franziskus für sich gewann - und zwar als er sich der Wichtigkeit der Kurialen Institutionen mehr bewußt wurde. Von diesem Augenblick an, schienen die üblichen Berater an die Seite gedrängt worden zu sein.

In Erwartung der ökologischen Enzyklika macht sehr stark das Gerücht die Runde, daß der Papst einen von Victor Fernandez´ Vorschlägen komplett verworfen habe, obwohl dieser der Rektor der katholischen Universität von Argentinien ist und einer der Haupt-Ghostwriter des Papstes.
Es wird auch geflüstert, daß "die menschliche Ökologie" -ein Erbe Benedikts XVI-jetzt mehr Platz im Text der Skizzen der Ökologischen Enzyklika einnimmt und das dieses Konzept- wenn es denn enthalten ist- einige ökologische Positionen des Aparaceida-Dokuments von 2007 ausgleichen würde, die sehr stark in der Skizze des Enzyklika vertreten sind.

Dennoch waren -zu der Zeit als der "verborgene Vatican" das Herz von Papst Franziskus gewann, einige Vorkommnisse im Vatican bereits schief gegangen. Als eine der Konsequenzen konnte die stille Revolution, die Benedikt XVI begonnen hatte, nur in der neuen Form einer Parallel-Kurie weitergeführt werden und das hat weitere Diskussionen nötig werden lassen.
Das ist der Grund, weshalb der Wirtschaftsrat und das Sekretariat für die Wirtschaft lange ohne Statuten blieben und dafür, daß die Päpstliche Kommission zum Schutz Minderjäjhriger bis jetzt noch keine Statuten hat.
Das ist auch der Grund, warum die Kurie nicht so schnell umgestaltet wurde, wie erwartet.

Es gab einen einfachen Weg, der war, dem bereits eingeschlagenen Weg der Reformen zu folgen.
Der Papst hätte beispielsweise zusätzliche Motu proprios erlassen können, um bestimmte Kompetenzen der verschiedenen Dikasterien zu identifizieren und zu verlagern, nur einen Leiter für mehrere von ihnen zu bestimmen und weitere Ressourcen zu erschließen.

Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus wäre es sicher leichter gewesen, die Präfektur für Wirtschaftliche Belange zu vergrößern und ihr die Aufsicht über den Vatican-Staat zu geben- deshalb wurde das Wirtschaftssekretariat gegründet.
Die Etablierung einer Art Parallel-Kurie und die fortgesetzte Diskussion über neue Strukturen hat den Prozess der bereits stattfindenden Reformen verlangsamt.

Zur Zeit nützen die vervielfachten Diskussionen nur den Zielen der alten Männer, die an die Macht zurück gekehrt sind und unbedingt ihren Einfluss behalten wollen. Nicht zufällig hat Kardinal Maradiaga von der Möglichkeit einer dritten Familien-Synode gesprochen, während die deutschen Bischöfe eine vielsprachige Übersetzung ihrer Zusammenfassung der Antworten der deutschen Gläubigen zum Synodenfragebogen veröffentlicht haben, weil sie wohl immer noch hoffen, die Diskussion dominieren zu können.

Die heutigen Feinde der von Papst Franziskus gewollten Reformen sind deshalb wahrscheinlich die selben Kardinäle und Bischöfe, die sie anfänglich unerstützten- also jene, deren Förderung des Medien-Pontifikates das Risiko einer totalen Fehlinterpretation der Ziele von Papst Franziskus eingegangen ist.
Quelle: Monday in  the Vatican, A. Gagliarducci

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