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Donnerstag, 18. Juni 2015

Vatileaks II, John Allen: "Warum wir über die Enzyklika geschrieben haben"

John Allen, amerikanischer Vaticanist, der u.a. auf der website "Crux" schreibt, kommentierte gestern die Vorabveröffentlichung der Kopie der Öko-Enzyklika und die Abstrafung Sandro Magisters. Hier geht´s zum Original:

          "WARUM WIR ÜBER DIE ENZYKLIKA GESCHRIEBEN HABEN"
"Wirklich keiner mit einem Langzeitgedächtnis war überrascht, daß eine durchgesickerte Kopie der Ökologie-Enzyklika in den italienischen Montagszeitungen erschien.
Der Vatican verurteilte das schnell als "abscheulich" und rief die Journalisten auf, das  offizielle Embargo bis Donnerstag zu respektieren.

Das Leck versetzte die Reporter in Aufregung und sie versuchten, zu klären, was in so einer Situation ihre ethische Verpflichtung sei.
(Als Fußnote für alle, die das Medien-business als skrupellos ansehen, die Tatsache, daß soviel Zeit damit verbracht wurde, herauszufinden welches die Verpflichtungen durch ein Embargo in diesem Zusammenhang sind, sollte sie zu einem Überdenken bewegen.)

Es handelt sich hier kaum um das erste wichtige Dokument, das vor seiner Veröffentlichung bekannt wurde, die Dynamik dabei ist immer gleich:
Die Kirchenoffiziellen beklagen das Leck und raten jedem, die Pferde  zu zügeln-bis die offizielle Version veröffentlicht wird.

Was die Sache diesesmal hochkochte,  war die Tatsache, daß der "scoop" dem vielgelesenen italienischen Magazin L´Espresso gelang, und der Text mit einer Enleitung des Vaticanveteranen Sandro Magisters, den viele für eine Papst Franziskus feindlich gegenüberstehende konservative Stimme betrachten, erschien.

(Magister sagte zu AP, daß seinem Verleger, nicht ihm das Dokument zugespielt wurde, der dann entschied, es zu veröffentlichen . Magister sagt weiter, er habe nur ein Vorwort dazu verfaßt.)

Sich auf Magisters Bericht zu stützen ist ethisch- in zweierlei Hinsicht problematisch.
1. Bedeutet es, das Vertrauen seiner Quelle zu verletzen- in diesem Fall des Vaticans?
2. Oder macht es jeden, der das tut, zum Komplizen einer bestimmten politischen Agenda? Mitschuldig des Embargobruchs, den jemand anderes begangen hat?

Zuerst muß man klären, was Embargo eigentlich bedeutet.

Generell werden Embargos von Institutionen verhängt, die Reportern vorab Texte zur Vergügung stellen- eine Rede, wissenschafltiche Dokumentationen, den diesjährigen Staatshaushalt- wofür diese sich im Gegenzug verpflichten, den Inhalt nicht vor dessen öffentlicher Bekanntgabe zu nutzen.
Zweck ist, den Reportern Zeit zu verschaffen, das jeweilige Dokument besser zu verstehen und zu durchdringen, damit ihre Geschichte vollständig und rechtzeitig zum Druck fertig ist- und lieber zeitgleich mit der Freigabe als später - weil die Reporter noch über dem Text brüten- erscheinen kann.



Das Embargo bedeutet nicht das Blankoversprechen, nichts zu berichten, bevor von offizieller Seite grünes Licht gegeben wird.
Entscheidend sind die Umstände, unter denen eine Informqation erlangt wurde.
Ob eine Quelle einem Reporter einen Text unter der Bedingung gibt, mit der Veröffentlichung bis zu einem betimmten Termin zu warten.
Erhebt die Quelle einen solchen Anspruch nicht, sollte der Reporter zur Tat schreiten.

In diesem Fall - sagt Magister- daß seine Kopie der Enzyklika aus einer anonymen Quelle der Römischen Kurie stammt. Nur er kann sagen, ob diese Quelle irgendwelche Bedingungen stellte, aber auf alle Fälle ist es keine Verletzung eines offiziellen Embargos, weil das Material  nicht aus offiziellen Vatican-Kanälen kam.

Das ist natürlich nicht die Sichtweise des Vaticans.
Am vergangenen Dienstag hängte der Direktor des Päpstlichen Presseamtes, P.Lombardi, die Kopie eines kurzen Briefes an Sandro Magister im Pressesaal auf, in dem er die Veröffentlichung der Enzyklika als "Quelle starken Unbehagens für viele journalistische Kollegen und schwere Störung der guten Arbeit seines Presseamtes"  bezeichnet und in dem er Magister über die Aufhebung seiner Akkreditierung informiert.

Für jeden anderen stellen sich hier einige Fragen.
Es gibt keine Einschränkungen für das Posten von online-news, man muß sich allerdings fragen, ob man sich durch die Wiedergabe einer solchen Meldung des Embargobruches mitschuldig macht.

Das bringt uns zu der Frage zurück- wie er zu der Kopie gekommen ist. Glaubt man Magisters Beschreibung, sieht es nicht so aus, als habe es hier einen ethischen Zusammenbruch gegeben.
Der Vatican hat bis jetzt noch keine unter Embargo stehenden Kopien der Enzyklika verteilt. Das ist für die Zeit nach 18:00 Uhr am Mittwoch (also gestern) geplant..
Also muß der Text Magister auf andere Weise erreicht haben.

Die Überlegung, die wirklich zählt, ist: wie ist der Text zu bewerten? Wie ernst kann man etwas nehmen, das sich sehr schnell als frühere Version des Endgültigen herausstellen kann, besonders als eine Version, die nicht ganz dem entspricht, was der Papst am Donnerstag sagen will und das vielleicht aus unguten politischen Gründen vorveröffentlicht wurde?
Andererseits- ob nun zum Besseren oder Schlechteren- ist das Leck jetzt Teil der Geschichte dieser Enzyklika und die Leute haben ein Interesse daran, zu erfahren, was diese frühe Fassung enthält.

Die gegensätzlichen Standpunkte scheinen nach einem Gleichgewicht zwischen der Anerkennung des Lecks und der Reaktions des Vaticans zu verlangen.
Am Ende sah es so aus, als ob die meisten Medien - einschließlich "Crux" die Sache so gehandhabt haben.
Eine abschließende Bemerkung: der Trubel wird voraussichtlich das Interesse an der offiziellen Präsentation am Donnerstag erheblich steigern, und sei es nur, um zu erfahren, ob es wirklich substantielle Unterschiede zwischen der Vorabversion und der endgültigen Fassung gibt."
Quelle: Crux, John Allen

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