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Montag, 10. August 2015

Synode: Wendepunkt des Pontifikats?

Heute fragt A. Gagliarducci in seiner wöchentlichen Kolumne- "Monday in the Vatican", ob die kommende Bischofssynode ein oder der Wendepunkt des aktuellen Pontifikates wird.
Hier geht´s zum Original :  klicken

                "PAPST FRANZISKUS AUF DEM WEG ZU EINEM WENDEPUNKT?"
                  von A. Gagliarducci

"Wenn es einen Wendepunkt im Pontifikat von Papst Franziskus geben sollte, wird das die kommende Synode über die Familie sein. Dokumente und Texte über die anstehenden Fragen auf der Synode sind bereits im Umlauf, und sie zeigen, dass viele innerhalb und außerhalb der Kirche von diesem Ereignis erwarten, daß es die neue Richtung der Katholischen Kirche umreißt. Diese neue Richtung befasst sich nicht nur mit den Diskussionsthemen der kommenden Synode, sie wird auch zeigen, was Franziskus wirklich denkt. Und - als Konsequenz daraus -wird sie festlegen, wie die säkulare Welt weiterhin auf Franziskus Initiativen reagieren wird.
Mit einer Reihe von Artikeln ihrer neuesten Ausgabe hat die von Jesuiten geführte Zeitschrift "La Civiltà Cattolica" bereits die Diskussionsfelder markiert, die zeigen, daß es auch innerhalb der Welt der Jesuiten verschiedene Standpunkte gibt. Im Interview mit Kardinal Georges Cottier scheint Pater A. Spadaro den älteren Schweizer Kardinal geradezu zu drängen, eine bestimmte Art von Antwort zu geben, um die "Linie der Barmherzigkeit" zu legitimieren. Andererseits wirft Pater Giampaolo Salvinis Kommentar zur Arbeitsunterlage der Synode, dem Instrumentum Laboris, Licht auf die Defizite dieses Dokumentes.

Am vergangenen Mittwoch ist Papst Franziskus persönlich eines dieser Themen angegangen. In der ersten Generalaudienz nach einer kurzen Sommerpause, bestand der Papst darauf, dass "geschiedene Personen nicht exkommuniziert sind", und weckte so weltweit die Hoffnung der Medien, die nicht zögerten, diese Worte mit großem Tamtam aufzugreifen und hervorzuheben
Allerdings haben die Medien nicht bedacht - und Vatikan-Veteran Sandro Magister hat darauf aufmerksam gemacht - daß Franziskus' Worte direkt aus "Familiaris Consortio" der post-synodalen Exhortation des heiligen Johannes Paul II von 1981 zu Ehe und Familie stammen. Den Medien entging auch, daß Franziskus die Frage des Zugangs zur Kommunion für die wiederverheirateten, geschiedenen Katholiken nicht einmal erwähnte.

Was der Papst wirklich über die Fragen, die die Familie betreffen denkt? Und was er wirklich über die Kirche denkt? Eine Antwort auf diese Fragen kann aus einer Sammlung von Bruchteilen von Interviews und improvisierten Gesprächen des Papstes zusammengestellt werden, auch wenn eine endgültige Antwort noch zu weit entfernt scheint.


Auf der einen Seite besitzt Franziskus eine außerordentliche pastorale Präsenz, so pragmatisch, das sie bisweilen zynisch erscheint. Er denkt nicht in Abstraktionen oder Prinzipien. sondern geht die konkreten Fragen direkt an. Vor einiger Zeit riet er einer Frau, die beklagte, dass sie die hl. Kommunion nicht empfangen könne, weil sie mit einem geschiedenen Mann verheiratet ist, in eine andere Kirche zu gehen, wo niemand sie kennt - wenn die Geschichte auch einigen Zweifel erweckte. 
Immer und immer wieder hat der Papst darauf bestanden, daß niemand von Gottes Gnade ausgeschlossen wird, auch nicht die wiederverheirateten Geschiedenen. In gleicher Weise schockierte seine Aussage, daß die Christen sich nicht vermehren sollten "wie die Kaninchen" , die aber nicht ein Komma von der Lehre der Kirche über verantwortungsvolle Elternschaft abwich, viele wegen des scharfen Tones in dem er sie vorbrachte.

Andererseits hat Franziskus sich selbst als "Sohn der Kirche", beschrieben und seine sehr konservativen Neigungen bei den dem Thema Familie gewidmeten Generalaudienzen, die vor der Sommerpause begannen, gezeigt.
Während dieser Audienzen griff er die "ideologische Kolonisierung der Familien" an, kritisierte die Gender-Ideologie, verteidigte die traditionelle Familie, und drückte seine Sorge über den Geburtenrückgang aus.

Dennoch werden die wirklichen Probleme sichtbar wenn Franziskus über die pastorale Dimension hinausgeht. Wohin will er die Kirche führen? Was ist das Endziel dieser ständigen "synoden -artigen" Veranstaltungen der laufenden Sitzungen des Rates der Kardinäle und der nicht enden wollenden Diskussion, die in den Medien wiedergegeben wird?
Der Eindruck besteht, daß alles in einer einzigen Formel, die Franziskus liebt, eingeschlossen ist: "hacer Lio,", "Lärm machen".

Am Ende wird dieses Motto und sein konsequentes Einhalten eine weit offene, temperamentvolle Diskussion fördern, aus der heraus der Papst in der Lage sein wird, Entscheidungen zu treffen.
Von einem bestimmten Punkt aus betrachtet, ist Franziskus wirklich ein Regierungsmann. Er ist vor allem der Mann, der allein befiehlt, der allen Ratschlägen zuhört aber seine eigene Entscheidungen trifft, ohne sich übermäßig um die Meinungen anderer zu kümmern. Der Papst ist besonders sensibel für jeden Schritt, der das Bild der Kirche in den Medien verbessern kann, weil das die Glaubwürdigkeit erhöht.

Selbst als er als Erzbischof von Buenos Aires war, hat Bergoglio das Thema Image im Auge behalten, Eine der um ihn kursierenden Geschichten zeigen ihn als Bischof, der öffentliche Verkehrsmittel benutzte, bescheiden lebte, und für sich selbst und einen älteren Priester kochte, und der als Priester versuchte, so nahe bei den Menschen zu sein, wie möglich,
All diese Gesten sind Teil einer Pastoral, die die Welt scheinbar dringend benötigte. Hinzu kommt, daß diese Gesten offenbar einen Konsens erzeugen, aber auch Erwartungen wecken. Was passiert, wenn der Papst vor der Aufgabe steht, eine tiefgehende Entscheidung zur Lehre zu treffen?
Dies ist der Grund dafür, daß die kommende Bischofssynode im Oktober der Lackmustest sein wird. Es ist nicht die Bedeutung der Synode selbst, die zählt, sie ist nur ein beratendes Gremium, das Vorschläge macht aber keine Emtscheidungen trifft.,
Die Synode wird deshalb der Lackmus-Test sein, weil Franziskus entscheiden müssen wird, ob er diese Vorschläge annimmt oder nicht. Und was er auch immer entscheidet, wird von großer Bedeutung sein.

Nicht zufällig umgibt eine gewisse Unruhe die Synode. Die deutschen Bischöfe haben bereits einen Schritt getan, indem sie betonten, daß die Orts-Kirche "keine Niederlassung von Rom sei." War das ein Weg, um außerhalb des Kampfes zu bleiben, wenn sie der post-synodale Entscheidungen des Papstes nicht zustimmen? Die afrikanischen Bischöfe, unter der Leitung von Kardinal Robert Sarah, Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Disziplin der Sakramente, machten einen unabhängigen Schritt zur Verteidigung der traditionellen katholischen Lehre. Werden ihre Stimmen gehört werden?
Die europäischen Bischöfe haben ihre Diskussionen auf die Rolle der Familie konzentriert und dabei auf der Tagesordnung von der sakramentalen Kommunion für die wiederverheirateten Geschiedenen auf die Bedeutung der Ehe für junge Menschen umgeschaltet. Wird diese Richtung in Betracht gezogen werden?
Die anhaltende Diskussion hatte noch einen zusätzlichen Wert, weil sie ein Licht auf ein anderes tiefergehendes Thema geworfen hat. Diejenigen, die die Debatte führen, lassen sich nicht von der Theologie leiten, sondern von der Soziologie. Die Offenbarung ist nicht der Ausgangspunkt. Der Ausgangspunkt ist der Versuch,zu verstehen, wie die Offenbarung zur gegenwärtigen Zeit paßt.

Dieser Weg begann mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Kardinal Paul Poupard, der seit den 50-er Jahren Mitarbeiter im Vatican war, berichtete, dass die Erarbeitung einiger der wichtigsten Erklärungen des II. Vaticanischen Konzils damit begann, die Zeichen der Zeit zu lesen. Nicht wie üblich von den theologischen Wurzeln aus und diese Veränderung war bahnbrechend. 
Dennoch sind die wichtigsten Konzils-Erklärungen noch in hochkarätigen theologischen Debatten verankert, was beim Entwerfen der Erklärungen nicht verloren ging, sondern hilfreich war.
Nach dem Konzil folgte die dramatischen Periode der Konzils-Rezeption, und man dachte oft, daß die Zeichen der Zeit nun die Richtlinien seien, auf denen die Dokumente und Praktiken der Kirche beruhten- Um es in einer Formel zusammenzufassen, die Wirklichkeit ist das Maß aller Dinge, einschließlich des Ideals des Evangeliums. Die Befreiungstheologie ist ein Ergebnis dieser Mehrdeutigkeit, indem sie nicht Christus sondern die Armen in den Mittelpunkt des Evangeliums stellt..

Das Problem ist, daß die Umkehrung eines Paradigmas und die Bemühungen, es wieder zu seinen theologischen Wurzeln zurückzuführen, nicht immer erfolgreich waren. Benedikt XVI versuchte, das zu tun, und man kann seine Bemühungen in den Vorbereitungsarbeiten für die Konferenz von Aparacida 2007 sehen, deren Abschlussdokument ein Bezugspunkt für die Franziskus geworden ist.
Allgemeiner ausgedrückt, Benedikt XVI hat seine gesamte Arbeit auf das Ziel ausgerichtet, allen Aktivitäten der Kirche eine gemeinsame Grundlage und theologische Wurzeln zu geben.
Dieses Grundprinzip ist, zum Beispiel, hinter seiner Reform des kirchlichen Wohltätigkeitsorganisationen zu erkennen, die mit der Ausarbeitung der neuen Satzung für Caritas Internationalis und der Veröffentlichung eines Motu proprio über katholische Wohltätigkeitsorganisationen im Jahr 2012 abschloss

Trotz der Tatsache, dass es Linien der Kontinuität zwischen Benedikt XVI und Franziskus gibt, haben die beiden Päpste ein unterschiedliches Kirchenbild. Benedikt XVI wollte eine reine und gereinigte Kirche , frei von Moralismus und Säkularismus, sogar wenn sie an Zahlen klein wäre. Er hat das während seiner Reise in die Tschechische Republik im Jahr 2009, als "kreative Minderheit" beschrieben, eine kreative Minderheit die in der Lage ist, die Gesellschaft mit der Kraft des Evangeliums anzusprechen und sie zu gestalten.

Franziskus, auf der anderen Seite scheint, eine integrative Kirche bevorzugen, und die Reinheit des Denkens kümmert ihn nicht so.
Franziskus-Kirche beginnt ihre Reflexion bei den Sozialdaten und sucht pastorale Lösungen, die dazu passen. Das ist der Sinn der Enzyklika "Laudato Si", die, am Ende, eine Zusammenfassung der Soziallehre der Kirche ist, geprägt von starken Pragmatismus, während die moralische Argumentation fest an konkretes menschliches Verhalten gebunden ist. Das ist auch der Sinn des Apostolischen Schreiben "Evangelii Gaudium", das eine der beliebtesten Formulierungen des Papstes enthält: "Die Wirklichkeit ist mehr als eine Idee"

Wenn dies die Kirche ist, die Franziskus anstrebt, sollte man keine strukturelle Revolution der Kirchenstrukturen erwarten, weil der Papst sich einfach nicht viel um sie kümmert und sie lediglich manchmal für Organisation und  Sendung der Kirche für nützlich hält.
Ebensowenig ist eine Revolution der Lehre zu erwarten, soziale Fragen sind wichtiger und so ist die Theologie etwas auf Sparflamme. Es ist kein Zufall, dass die Kongregation für die Glaubenslehre, die in früheren Zeiten "La Suprema" hieß, jetzt von allen Reformprojekten ausgeschlossen ist- und manchmal das Gerücht geht, daß auch ihre Struktur demontiert werden könnte 
Die Marginalisierung der Glaubenskongregation ist auch Teil eines langfristigen Prozesses, der mit der Kurienreform Papst Pauls VI begann - der Konstitution Regimini Ecclesiae Universae. 
Nach der Promulgierung der neuen Konstitition für das Staatssekretariat, einst das letzte der päpstlichen Dikasterien,  wurde es nun im Jahrbuch des Vaticans an die erste Stelle der Dikasterien gesetzt- als diplomatisches und -Management Zentrum
Als die Neufassung der 1988 promulgierten Apostolischen Konstitution "Pastor bonus" diskutiert wurde -drehten sich Teile der Diskussion um die Rolle des Staatssekretariats. Diese Rolle wird immer noch diskutiert, eine Tatsache, die zeigt, daß die Kirche ist immer noch mit alten Debatten lebt..

Was soll man am Ende von Papst Franziskus' Pontifikat auf der internen Ebene erwarten? Mehr Gewicht auf der internen Organisation der Dikasterien im Inneren und außen eine verstärkte Konzentration auf pastorale Fragen?
Angesichts so vieler Erwartungen besteht die Gefahr eines "Humanae vitae" -Effektes. Die Enzyklika des seligen Papst Pauls VI über Geburtenkontrolle und Empfängnisverhütung aus dem Jahr 1968, rief eine derartige Spaltung innerhalb der Kirche hervor, daß er danach keine weitere Enzyklika mehr schrieb.,
Die Spaltung war das Ergebnis einer intelligent orchestrierten Medienkampagne, die zu verstehn gab, daß die päpstlichen Experten offen für die Empfängnisverhütung seien.
Die Kampagne bestand darin, durchgesickerte Teile des Dokuments - eine Transaktion, bei der  angeblich Geld floß- gleichzeitig in The Tablet, Le Monde und dem National Catholic Reporter, der "Bibel" des progressiven Katholizismus zu veröffentlichen. Dieser Lesart der Fakten wurde von Giovanni Colombo widersprochen, einem der Mitglieder der von Paul VI eingesetzten Kommission, der 2007 über die Manöver hinter der Enzyklika für eine norditalienische theologische Fachzeitschrift schrieb. (klicken)

Dennoch besteht auch heute das Risiko, daß der Mediendruck die Erwartungen so hoch treibt, daß sie wahrscheinlich zerschmettert werden. Franziskus scheint zu versuchen, die Medien zu durchschauen, er vertraut den Medien nicht und will sie dominieren. 
Das Augenmerk auf die Kommunikation- ist ein Leitmotiv dieses Pontifikats. Dadurch konzentriert sich dieses Pontifikats auf von Tag zu Tag wechselnde Fragen und nicht darauf, eine tiefgründige Botschaft zu verkünden. Ob diese Strategie ein Gewinn sein wird, wird die Zeit zeigen.
Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci





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