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"JUBIÄUMSJAHR DER BARMHERZIGKEIT, ABER MIT LEEREN BEICHTSÜHLEN"
"Schockierender Brief eines Priesters in der Seelsorge. Immer weniger Beichtende, immer weniger Bereuende. Der kontraproduktive Effekt einer zu weit aufgerissenen Tür.
Eine Meldung, die es am Ende des Jahres in die Nachrichten schafften, waren die von der Präfektur des Päpstlichen Hauses zur Verfügung gestellten Daten der Teilnehmerzahlen an den öffentlichen Audienzen von Papst Franziskus, mit einer annähernden Halbierung der Zahl im Vergleich zumVorjahr,
An den mittwöchlichen Generalaudienzen gab es ein Absinken der Besucherzahlen von 1,1 Millionen 2014 auf 704.100 in 2015. Während sie beim Angelus von 3,04 Millionen auf 1,585 Millionen abfiel.
Das ändert nichts an der Tatsache, daß der Papst überwältigend populär bleibt. Seine Popularitätswerte aber reichen nicht aus, um den Level der effektiven religiösen Praxis zu bestimmen, die mit ihr korrespondiert.
Andere Feststellungen haben diesbezüglich einen viel höheren Aussagewert, z.B.: die offiziellen Zahlen, die ISTAT jedes Jahr in Italien auf der Basis täglich erhobener Daten einer repräsentativen Auswahl von Bürgern (fast 24.000 Familien, mit mehr als 58.000 Personen, die in 850 großen und kleinen Städten leben) veröffentlicht.
Im jüngsten veröffentlichten Jahresbericht ist der Prozentsatz von Personen, die älter sind als 6 Jahre, die mindestens einmal pro Woche eine Kirche aufsuchen, mit 28,8% angegeben.
Die Tatsache daß mehr als ein Viertel der Italiener mindestens einmal pro Woche in die Kirche geht, kann sowohl in sich selbst als auch im Vergleich zu anderen Ländern als wichtig angesehen werden. Aber wenn man diese Zahl mit den Resultaten der vorherigen Jahre vergleicht, kann man auch hier ein Absinken feststellen.
Während der 7 Jahre des Pontifikates von Benedikt XVI lag dieser Indikator regelmäßig und anhaltend über 30% , durchschnittlich bei 32-33%. Defintiv höher als 2014, dem ersten vollen Jahr des Franziskus-Pontifikates, dem Jahr in dem seine Popularität ihren Höhepunkt erreichte.
Der folgende Brief berücksichtigt diesen statistischen Indikator. Aber er bewertet den wahren Franziskus-Effekt auf das religiöse Leben durch den näheren und direkteren Blick des Seelenhirten im Beichtstuhl.
Der Autor schreibt, daß er während dieses Pontifikates nicht nur eine weitere Abnahme der Praxis der sakramentalen Buße erlebte, sondern auch eine Abnahme in der Qualität der Beichten selbst.
Eine Abnahme, die mit der Nutzung bestimmter Bemerkungen von Jorge Mario Bergolgio selbst verbunden sind, die in den Medien einen enormen Erfolg hatten.
Der Autor des Briefes ist ein Kirchenmann von höchstem Spezialisierungsgrad und mit bedeutenden Lehraufträgen in Italien und im Ausland, der aber auch einen Großteil seiner Zeit und Energie der pastoralen Sorge widmet.
Seine Bewertung spiegelt die wachsende Zahl von Hirten wider, die - privat - nicht zögern, ihren Bischöfen ähnliche Sorgen anzuvertrauen.
www. chiesa garantiert dem Autor des Briefes ebenfalls Vertraulichkeit, weil der andernfalls zu sehr der vorhersehbaren Vergeltung des neuen "klerikalen Establishments"- wie er es nennt- ausgesetzt wäre, dessen konformistisches Katzbuckeln gegenüber diesem Pontifikat einer seiner verheerendsten Fehler ist.
Eine Vertraulichkeit, die "parrhesia" oder Freiheit der Rede erlaubt, zu der so großartig von Papst Franziskus selbst ermutigt wurde, der sogar während der Synode wollte, daß die Aufmerksamkeit auf das gelegt werden sollte, was gesagt wird und nicht wer es sagt."
"WER BIST DU ÜBER MICH ZU URTEILEN? DIE BEICHTE EINES BEICHTVATERS"
"Lieber Magister,
es ist nicht wenig geschrieben worden über den Effekt des Pontifikates von Papst Franziskus - sowohl innerhalb der Kirche - "ad intra" als auch außerhalb "ad extra Ecclesiae", wenn es um die Erneuerung des spirituellen Lebens der Gläubigen geht und ihre gemeinsame Teilnahme am Leben der Kirche, und auf die erhoffte Rückkehr zu einer evangelikalen und sakramentalen Praxis derer, die sich in den letzten Jahrhzehnten entfernt hatten.
Und es wurde aus verschiedenen Perspektiven geschrieben: Theologie, Anthropologie, Geschichte, Soziologie, Kultur, Kommunikation und Politik. Ich glaube nicht, daß es nötig ist, dem irgendetwas hinzuzufügen, u.a. weil viele dieser Fakten und Überlegungen erst durch ruhige und kritische Reflektion verdaut werden müssen.
Nichtsdestotrotz bleibt diese Identifizierierung einer robusten Spiritualität und eines pastoralen Indikators offen und teilweise ungenau, mit dem man den Effekt des Personenwechsels, der Änderung der Disziplin oder der Lehre auf die Seelen und das Volk Gottes messen kann. Ich bin mir dessen bewußt.
Die Seelen und das Volk Gottes sind zwei theologische und kirchliche Kategorien, die heute abgewertet sind, teilweise in den Statements des aktuellen Pontifex´ und seines neuen Establishments.
Aber mangels Beweisen für das Gegenteil sind sie immer noch Teil des Katholischen Glaubens - wie das II. Vaticanische Konzil selbst bestätigte.
Und ihre Vernachlässigung bringt eine Gefahr mit sich, die alles andere als vorübergehend ist: das "salus animarum" und das "bonum Dei populi" gegen den "popularis consensus" einzutauschen. ich übersetze: "das Heil der Seelen für die Wünsche einiger und das Wohl des Gottesvolkes gegen Popularität."
Ich überlasse den Begeisterten der Religionssoziologie, der öffentlichen Kommunikation des Glaubens und der Kirchenpolitik jede Beurteilung der Teilnehmerzahl der Gläubigen und Nichtgläubigen an öffentlichen Events, bei denen der Hl. Vater anwesend ist (General-Audienz, Angelus, liturgische Feiern), deren offizielle Statistik von der Präfektur des Päpstlichen Hauses zur Verfügung gestellt wurden und die eine markante Abnahme vom ersten zum dritten Jahr des Pontifikates von Papst Franziskus zeigen - und zu der möglichen Bedeutung, die diese Zahlen für die Umkehr zum Evangelium und die Befolgung der päpstlichen Botschaft Urbi et Orbi für einen neuen Frühling in der Kirche - charakterisiert durch die aufgerissenen Türen mit Zugang für alle - bedeuten (wenn ich richtig erinnere - spricht das Lukas-Evangelium dagegen von einer engen Tür, durch die einzutreten man sich mühen muß, sich anstrengen und von den "vielen, die versuchen einzutreten, aber es nicht können.")
Ich möchte lieber von der Erfahrung berichten, den Fakten, wie sie sich darbieten in der täglichen pastoralen Arbeit in der Peripherie, "contra factum non valet illatio" - eines Priesters der seine restliche Zeit und Energie - nachdem er zuerst den Auftrag erfüllte, den ihm sein Bischof erteilte,- das Werk der sakramentalen Versöhnung widmet, überzeugt, daß die Barmherzigkeit Gottes alles übersteigt - auf ordentliche und immer zugängliche Weise in der Diskretion des Dämmerlichts und des engen Fensters des Beichtstuhles und nicht indem man ins helle Licht der Basilika eintritt und vor den Augen aller durch die große Pforte des Hl. Jahres eintritt. (deren Verdienst ein anderes ist: daß Gott zeitliche Strafen erläßt, für die Schuld von Sünden, für die bereits die Absolution in der sakramentalen Beichte erteilt wurde, (die der erste und fundamentale Weg der Barmherzigkeit Gottes gegenüber uns Sündern bleibt - nach der Taufe.)
Die Fakten sind diese: seit der Eröffnung des von Papst Franziskus gewollten Hl. Jahres und anläßlich der Weihnachtsfeierlichkeiten 2015 - sowie aber auch seit Jorge Mario Begoglio auf dem Thron Petri sitzt, ist die Zahl der Gläubigen, die den Beichtstuhl aufsuchen, nicht angestiegen, weder in normalen noch in Festzeiten. Der Trend zu einer fortschreitenden raschen Abnahme der Frequenz der sakramentalenVersöhnung, die die letzten Jahrzehnte kennzeichnete, ist nicht gestoppt worden. Im Gegenteil: der Beichtstuhl meiner Kirche ist weitgehend verlassen.
Ich habe bei dieser bitteren Erkenntnis Trost darin gesucht, daß die Basiliken, die in Rom und in anderen Städten mit dem Hl. Jahr verbunden sind, oder die Schreine und Klöster, in der Lage wären, größere Zahlen von Bereuenden anzuziehen. Aber ein telephonischer Rundruf bei einigen Mitpriestern, die regelmäßig an diesen Orten die Beichte hören (ich habe die Gelegenheit für die jährlichen Weihnachtswünsche genutzt) hat meine Beobachtung bestätigt, die Reihen der Beichtwilligen sind alles andere als lang, überall, sogar noch kürzer als bei den Feierlichkeiten der vergangenen Jahre.
Und es gibt immer weniger erinnerungswürdige Konversionen von seit vielen Jahren verlorenen Schafen, die in den Pferch des Guten Hirten zurückkehren - durch "nutzlosen Diener" seiner Barmherzigkeit, die wir Priester sind. Wenn es passiert - sehr selten - gibt es nicht mehr ausdrückliche oder nichtausdrückliche Erwähnung der Person oder der Worte des aktuellen Papstes wie zu Zeiten seiner Vorgänger (wieviele junge Leute kamen von den WJT zurück und setzten ihren Entschluss zum häufigen Beichten in die Tat um! )
Weil ich den Zahlen mißtraute, weil sogar die Rettung einer einzigen Seele in den Augen Gottes unendlichen Wert hat, habe ich die "Qualität" der Beichten überprüft, die ich gehört habe und - natürlich unter Wahrung des Beichtgeheimnisses- bei meinen Beichtvaterkollegen nach Neuigkeiten dazu gefragt.
Das Bild, das sich da bietet, ist sicher kein glückliches, weder was das Bewußtsein für die Sünde angeht noch das Wissen über die Vorbedingungen um Gottes Vergeben zu erlangen. (Auch in diesem Fall wird das Wort "Vergebung" zugunsten von "Barmherzigkeit" aufgegeben und läuft Gefahr bald eingemottet zu werden, aber zu welchen theologischen, spirituellen und pastoralen Kosten?)
Zwei Beispiele mögen für alle stehen:
Ein Mann mittleren Alters, den ich diskret und zartfühlend fragte, ob er die wiederholten Serien von Sünden gegen das 7. Gebot "du sollst nicht stehlen" bereut habe, derer er sich selbst mit einer gewissen Frivolität angeklagt hatte und über deren Umstände er fast Witze machte und sie sicher nicht herunterspielte, antwortete mir mit den Worten von Papst Franziskus: "Barmherzigkeit hat keine Grenzen"- und zeigte sich überrascht, daß ich ihn an die Notwenigkeit der Reue und den Beschluss, nicht wieder rückfällig zu werden, erinnerte.
"Was ich getan habe, hab ich getan. Was ich tun werde, entscheide ich, wenn ich hinausgehe. Was ich darüber denke, was ich getan habe, ist eine Frage zwischen mir und Gott. Ich bin nur hier, um das zu bekommen, was jeder mindestens zu Weihnachten verdient, die Gelegenheit um Mitternacht die Kommunion zu empfangen. Und er endete mit einer Paraphrase des mittlerweile erzberühmten Satzes von Papst Franziskus: "Wer bist du, daß du über mich urteilst?"
Eine junge Dame, der ich vorgeschlagen hatte als Akt der Buße, verbunden mit der sakramentalen Absolution einer schweren Sünde gegen das 5. Gebot "Töte nicht"- sie solle vor dem auf dem Altar der Kirche ausgesetzten Allerheiligsten Sakrament niederknien und beten und nach ihrem Dafürhalten ein Werk materieller Barmherzigkeit an einem Armen tun- antwortete mir mit Ärger, daß "niemand irgendetwas im Gegenzug zu Gottes Barmherzigkeit verlangen dürfe, weil die umsonst gegeben werde. Und daß sie weder die Zeit habe, in eine Kirche zu gehen und zu beten (sie müsse noch herumrennen und in der Stadt Weihnachtseinkäufe machen) noch Geld, das sie den Armen geben könne (die es sowieso nicht so brauchten, weil sie mehr haben als wir)."
Es ist klar erkennbar, daß eine bestimmte Botschaft, die sie letztlich vom Papst bekommen haben, die die Gläubigen erreicht, sehr leicht mißverstanden, falsch angewendet werden kann und deshalb keine Hilfe bei der Reifung eines sicheren und aufrechten Gewissens bei den Gläubigen ist, was ihre Sünden und die Bedingungen ihres Erlassens im Sakrament der Versöhnung betrifft.
Mit allem gebotenen Respekt vor Msgr. Dario Viganó, Präfekt des Sekretariates für die Kommunikation des Hl. Stuhls : der Zickzack-Kurs der Konzepte - ohne jegliche Pause, um sie zu erklären - die er als eine "Perle der Kommunikation" des Franziskus-Stils betrachtet, der ihn für den modernen Zuhörer so unwiderstehlich mache - verursacht doch einige spirituelle und pastorale Schwierigkeiten, weit von Trivialität entfernt, weil es um die Gnade und die Sakramente, den Schatz der Kirche geht.
Ich werde hier aufhören, um Ihre Geduld nicht überzustrapazieren. Ich schlage nicht vor, die Zahl und die Qualität der Beichten zum Thermometer des kirchlichen Glaubens zu machen oder allgemeiner den Rückgriff auf die Sakramente - oder nicht - als ausschließlichen Parameter für die Bewertung eines Pontifikates oder des Gesundheitszustandes der Kirche.
Das wäre nicht fair und würde die anderen Dimensionen des Lebens aus dem Blick verlieren - das Evangelium und die kirchliche Mission.
Aber wir sollten auch nicht vernachlässigen, einige beunruhigende Signale in unsere Erwägungen einzubeziehen, die sowohl aus den Kirchen der Peripherie als auch des Zentrums kommen.
Jene Bischöfe hatten nicht ganz Unrecht, die zumindet bis zum II. Vaticanischen Konzil und in vielen Fällen sogar noch danach, während pastoraler Besuche in ihrer Diözese, die Priester vor allem danach fragten, wie viele Beichten sie gehört und wie oft sie die Kommunionen im Jahr gespendet haben und das mit der Zahl der Getauften in ihrer Diözese verglichen.
Noch hatten die Päpste Unrecht, die in der Vergangenheit die Bischöfe bei ihren ad-limina-apostolorum-Besuchen die Gesamtzahl der in ihrer Diözese ausgeteilten Kommunion angeben ließen.
Sie waren Bischöfe und Päpste, die daraus nützliche Schlüsse über den Stand der Seelsorge zogen und der Heiligkeit des Gottesvolkes - einfach durch die Seelenmedizin und die heiligende Gnade.
Sie hatten sicher nicht den Beifall des gesamten Apparates der Institutionen, Kommunikation, Technologie und Organisation, der durch die Religionssoziologie zur Verfügung gestellt wird und von den Print-und elektronischen Medien- aber sie hatten die demütige Gewißheit, daß man die Seelen weder durch das Hätscheln kultureller und anthropologischer Moden der Zeit retten kann, noch indem man den individuellen und sozialen (Vorurteilen) Gefühlen folgt, sondern daß das innerhalb und außerhalb der Kirche erfordert, das Gottesvolk auf dem Weg der Heiligung zu stärken.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit und viele herzlichen Grüße-"ad maiorem Dei gloriam"
Unterschrift....."
Quelle: www.chiesa, Sadnro Magister
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