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Dienstag, 2. Februar 2016

Ein Schweizer Gardist erinnert sich

Ein Schweizer Gardist erinnert sich an seinen zweijährigen Dienst im Vatican.
Ein Fundstück, das wir BenoîtXVI-et-moi verdanken, hier geht´s zum Original: klicken


                          "ICH HABE BENEDIKT XVI IN ROM GEDIENT"
"Bestimmte Daten bleiben ins Gedächtnis eingraviert. Für mich ist es das des 6. Juni 2004. An dem Tag begleitete ich eine Gruppe junger Katholiken nach Bern- im Rahmen des Weltjugendtages. Wir waren mehr als 12.000 Personen und erwarteten den Besuch Papst Johannes Pauls II.
Nach mehreren Stunden Geduld unter bleierner Sonne, erschien er - von 4 Schweizer Gardisten begleitet. Die Menge war außer sich und jubelte ihm zu, als sei er ein Rockstar. Ich dachte: "Ich will auch Hellebardier bei der Schweizer Garde werden und den Papst beschützen"
Ich war 19 Jahre alt und habe mich sofort daran gemacht, dieses Ziel zu erreichen. Ich habe damit begonnen mich über die Zulassungskritereien zu dieser kleinsten und ältesten Armee der Welt zu informieren. Die Kriterien sind in mehreren Punkten sehr streng, man muß vor allem ein staatliches Befähigungszertifikat oder das Abitur haben und seinen Militärdienst geleistet haben. Nachdem ich erst einmal mein Abschlusszeugnis als Sommelier in der Tasche hatte, habe ich mit der Rekrutenschule begonnen. Dieses Leben in der Gemeinschaft gefiel mir, was mich dazu anstachelte, weiterzumachen bis zur Beförderung zum Hauptfeldwebel.

Als ich alle Papiere in der Hand hatte, habe ich einen Brief an das Rekrutierungsbüro der Päpstlichen Schweizer Garden geschickt. Ich mußte ein vollständiges Dossier ausfüllen und eine Bestätigung guter Sitten, eine Art Führungsszeugnis, vom Pastor meiner Gemeinde einreichen. Um in die Vatican-Armee einzutreten muß man bei bester Gesundheit sein. Ich habe eine medizinische Untersuchung absolviert, bei der u.a. meine Zähne und mein Venensystem geprüft wurden, weil man als Schweizer Gardist viele Stunden stehen muß.
SEHR ANSPRUCHSVOLLE ARBEITSZEITEN  
Ich wurde zu einer Unterhaltung eingeladen. Von 150 zum Profil des Postens passenden Kandidaten werden nur 30 übernommen. Ich muß einen guten Eindruck gemacht haben, weil man mich noch ein letztes mal einbestellt hat. Ein römischer Offizier und der Kaplan der Garde haben mir erklärt, was meine Rolle sein würde, wenn ich eingestellt würde. Ein Hellebardier hat die Aufgabe, die regierenden Pontifices und den Apostolischen Palast zu schützen - indem er Wachrunden geht. Er muß außerdem bei allen offiziellen Terminen des Papstes - öffentlich oder privat - anwesend sein. Man hat mir nicht verschwiegen, daß die Arbeitszeiten sehr ausgedehnt sind - noch nicht einmal mitgezählt, daß man an Italienisch-Intensiv-Kursen teilnehmen muß. Aber Arbeit hat mir noch nie Angst gemacht und ich hatte nur einen Gedanken im Kopf: nach Rom aufzubrechen.

Einige Tage später habe ich die Bestätigung meiner Einstellung in die Schweizer Garde bekommen. Ich war verrückt vor Freude - meinen Traum zu verwirklichen, als ich gerade einmal 23 Jahre alt war. In der Nacht bevor ich aufbrach, habe ich kein Auge zumachen können.
Am 1. November 2008 habe ich mich an der Porta Sant´Anna eingefunden, am Eingang zum Vatican, mit einem zum Platzen vollen Koffer - weil ich mich verpflichtet hatte, mindestens 25 Monate in der Garde zu dienen. Ich wurde in eine Wohnung in der Kaserne der Garde geführt. Einen Ort, den ich mit 9 anderen Schweizern aus allen 4 Ecken des Landes teilen würde.
Weil ich aus der Armee kam, hatte ich keinerlei Probleme, mich an die militärische Disziplin, die zu meiner neuen Funktion gehörte, zu gewöhnen. Zwischen zwei Kontrolldiensten habe ich mit meinen Kollegen das römische Leben entdeckt. Aber keine Chance die Nacht durchzumachen, die Rückkehr in die Kaserne mußte spätestens um Mitternacht erfolgen - mit Ausnahmen.

BEGEGNUNG MIT DEM PAPST
Wie alle meine Kameraden erwartete ich ungeduldig die Vereidigung. Diese Feierlichkeit spielt sich am 6. Mai ab - anläßlich des Gedenkens an das Sacco di Roma, (am 6. Mai 1527, als die Söldner Karls V die Stadt plünderten):
Seit mehreren Wochen übte ich die geometrisch und wie ein Schweizer Uhrwerk festgelegten Schritte, mit Bewegungen die fast millimetergenau waren. Als der Tag J kam, habe ich - in die maßgefertigte Uniform und einen antiken Kürass gekleidet diese Choreographie vor einer Versammlung von 3500 geladenen Gästen absolviert. Unter ihnen meine ganze Familie.
In zwei Kolonnen aufgestellt - zum Rhythmus der Militärfanfaren - habe ich mich dem Vize-Kommandanten genähert, um am Ende den Eid zu leisten. 
Die Fahne der Schweizer Garde in der Hand, unter den Augen meines Sergeanten, habe ich geschworen alles loyal zu befolgen, was man mir befehlen würde und mein Leben zu geben, wenn es nötig werden sollte. Meine Eltern waren sehr bewegt und stolz als ich nach dieser feierlichen Präsentation im Petersdom zu ihnen kam.

Am nächsten Tag konnte ich Papst Benedikt XVI in einer kleinen Zeremonie begegnen, die er abhielt, um den Schweizer Garden persönlich für ihr Engagement zu danken. Ich habe mich ihm mit meinem Vater zur Linken und meiner Mutter rechts vorgestellt. Und wie es die Tradition will, habe ich mich verbeugt, um den Fischerring zu küssen. Danach konnte ich einige Worte mit dem wechseln, der als Stellvertreter Christi auf der Erde angesehen wird. Ein von Emotionen geprägter Moment, für immer in mein Gedächtnis eingraviert. Als kostbares Geschenk bewahre ich den von ihm gesegneten Rosenkranz auf, den Benedikt XVI mir an diesem Tag gab.

EIN KONZERT DES HEILIGEN VATERS 
Während der 2 Jahre, die ich im Vatican verbrachte, bin ich mit dem Pontifex oft in Kontakt gekommen, sei es während meiner Dienstrunden oder bei offiziellen Zeremonien. Wenn ihn einige als strengen Mann beschreiben, ich erinnere ihn als charismatisch und warmherzig und außerdem als sehr guten Musiker. Während der Sommersaison begab er sich in seine Sommerresidenz in Castel Gandolfo, wo ich die Nachtwache übernahm. Jeden Tag, bevor er schlafen ging, spielte der Papst bei offenen Fenstern Klavier. Dann blieb die Zeit für meine Kameraden und mich stehen. Wir setzten uns auf eine Bank, um dem Konzert, das der Hl. Vater persönlich gab, zuzuhören.

Ich bin nach dem Ende meines Dienstes in die Schweiz zurückgekehrt, weil meine Familie mir fehlte. Außer dass es eine unglaubliche Schule für´s Leben ist, ist diese Erfahrung die schönste, die ich bis heute gemacht habe. Ich hatte nicht nur Gelegenheit, Staatschefs wie Barack Obama oder Nicolas Sarkozy zu begegnen, sondern auch anderen außergewöhnlichen Menschen, mit denen ich Verbindungen anknüpfen konnte. Ich bin stolz und es ist eine große Ehre für mich, einem Papst gedient und ihn beschützt zu haben. Ich trage außerdem immer den Ring der Schweizer Garden, das Zeichen meines Dienstes ad aeternam."

Quelle: Benoît XVI-et-moi, "Femina" Ein Gardist erinnert sich"

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