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"ALEXANDER SOLSCHENYZINS REDE IN DER VENDÉE"
"Herr Präsident des Generalrates der Vendée, verehrte Vendéaner:
Vor Zweidritteln eines Jahrhunderts, als ich noch ein Junge war, las ich mit Bewunderung über den mutigen und verzweifelten Aufstand in der Vendée. Aber ich hätte nie geträumt, daß ich in meinen späteren Jahren die Ehre haben würde, den Helden und Opfern dieses Aufstandes ein Gedenken zu widmen.
Zwanzig Jahrzehnte sind jetzt vergangen und während dieser Zeit ist der Aufstand der Vendée und seine blutige Niederschlagung in Frankreich und anderswo immer wieder anders betrachtet worden, tatsächlich werden historische Ereignisse in der Hitze ihrer eigenen Zeit nie ganz verstanden, sondern nur mit großem Abstand, nachdem die Leidenschaften abgekühlt sind.
Allzulange Zeit wollten wir nicht hören oder zugeben, was die Stimmen derer, die umkamen oder lebendig begraben wurden schrien: daß die Bauern einer hart arbeitenden Region durch Unterdrückung und Demütigung durch eine Revolution in extremis gebracht wurden. die angeblich zu ihrem Besten gemacht wurde, daß sich diese Bauern gegen die Revolution erhoben haben.
Diese Revolution bringt Instinkte von urweltlicher Barbarei zutage, die dunklen Kräfte, von Neid, Gier und Hass, die sogar ihre Zeitgenossen nur zu gut sehen konnten. Sie mußten einen furchtbaren Preis für die Massenpsychose des Tages bezahlen, als ein bloß gemäßigtes Betragen oder nur deren Wahrnehmung als solche bereits als Verbrechen erschien.
Aber das 20. Jahrhundert hat besonders viel getan, um die romantische Glasur der Revolution , die im 18. Jahrhundert vorherrschte, zu trüben.
Nachdem eineinhalb Jahrhunderte vergangen sind, haben die Menschen aus ihrem eigenen Unglück gelernt, daß Revolutionen die organischen Strukturen der Gesellschaft zerstören, den natürlichen Fluß des Lebens unterbrechen, die besten Elemente der Bevölkerung zerstören und dem Schlimmsten die Zügel freigeben, daß eine Revolution einer Nation niemals Wohlstand bringt, sondern nur einigen schamlosen Opportunisten, während sie für das Land als Ganzem zahllose Tote, weitverbreitete Armut und in den schlimmsten Fällen eine langanhaltene Degeneraton des Volkes mit sich bringt.
Jetzt wird immer besser verstanden, daß der soziale Fortschritt, den wie alle so leidenschaftlich ersehnen, durch eine normale evolutionäre Entwicklung erreicht werden kann, mit erheblich weniger Verlusten und ohne allumfassenden Zerfall. Wir müssen fähig sein, das was wir heute haben, geduldig zu verbessern.
Es wäre vergeblich, zu hoffen, daß eine Revolution die menschliche Natur verbessern kann, dennoch hoffte Ihre Revolution und besonders unsere Russische Revolution,auf diesen Effekt.
Die Französische Revolution entfaltete sich unter dem Banner, des sich selbst widersprechenden und unrealisierbaren Slogans: "Liberté. Egalité.Fraternité" .
Aber im Leben der Gesellschaft schließen sich Freiheit und Gleichheit gegenseitig aus und sind sogar feindliche Konzepte.
Freiheit unterminiert durch ihre Natur soziale Gleichheit und Gleichheit unterdrückt die Freiheit- denn wie sonst könnte sie erreicht werden ?
Brüderlichkeit wiederum kommt aus einer ganz anderen Quelle- in diesem Zusammenhang ist es nur eine zugkräftige Ergänzung zum Slogan. Wahre Brüderlichkeit wird nicht durch soziale Mittel sondern spirituell erreicht. Außerdem wurden die ominösen Worte "oder Tod" diesem dreifältigen Slogan hinzugefügt- und zerstörten so seine Bedeutung.
Ich wünsche keiner Nation eine "große Revolution". Nur die Ankunft des Thermidor hinderte die Revolution des 18. Jahrhunderts daran, Frankreich zu zerstören. Aber die Revolution in Rußland wurde durch keinen Thermidor aufgehalten, als sie unser Volk auf geradem Weg zum bitteren Ende führte, in einen Abgrund, in die Tiefe des Ruins.
Man hätte denken können, daß die Erfahrung der Französischen Revolution den vernünftigen Erbauern des Volksglückes in Rußland eine ausfeichende Lektion war. Aber nein- die Ereignisse in Rußland waren noch schlimmer, und unvergleichlich auf der Skala von Lenins Kommunismus und die Internationalen Sozialisten haben auf dem Körper Rußlands sorgfältig viele der grausamsten Methoden der Französischen Revolution wieder durchgespielt, nur daß sie eine wesentlich größere systematisch organisierte Kontrolle besaßen als die Jakobiner.
Wir hatte keinen Thermidor, aber zu unserem spirituellen Nutzen hatten wir unsere Vendée, sogar mehr als eine. Das waren die großen Bauernaufstände : Tambov (1920-21) und West-Sibirien (1921) .
Wir wissen von der folgenden Episode: "Massen von Bauern in handgemachten Schuhen. mit Knüppeln und Forken bewaffnet, sammelten sich in Tambov, zusammengerufen von den Kirchenglocken der umliegenden Dörfer, die durch Maschinengewehrfeuer zum Schweigen gebracht wurden.
11 Monate lang hielt der Aufstand durch, trotz der kommunistischen Bemühungen, ihn sowohl mit gepanzerten Lastwagen, gepanzerten Zügen und Flugzeugen als auch durch Geiselnahme der Familien der Rebellen zu zerschmettern. Sie bereiteten sich sogar darauf vor, Giftgas einzusetzen.
Auch die Kosaken aus dem Ural, vom Don , die aus Kubane und Terek begegneten den Bolschewisten mit unnachgiebigem Widerstand, der am Ende im Blut des Genozids ertränkt wurde.
Und so -indem ich dieses Gedenken Ihrer heldenhaften Vendée widme,-sehe ich vor meinem geistigen Auge doppelt, weil ich auch die Erinnerungen visualisieren kann, die eines Tages in Rußland,Denkmäler für unseren russischen Widerstand gegen das Schlachten des Kommunismus und seine Grausamkeiten errichten.
Wir alle haben das 20. Jahrhundert erlebt, ein Jahrhundert des Terrors, den eisigen Höhepunkt dieses Prozesses, von dem so viele im 18. Jahrhundert träumten.
Und jetzt, denke ich, werden immer mehr Bürger Frankreichs mit wachsendem Verständnis und Stolz den Widerstand und das Opfer der Vendée erinnern.
Quelle: A.Solschenzin, www.vendée- guide
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