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Dienstag, 12. Dezember 2017

Roberto de Mattei zur aktuellen Kirchenkrise

Maike Hickson diskutiert für OnePeterFive mit Roberto de Mattei über die eskalierende Kirchenkrise. Hier geht´s zum Original:


"INTERVIEW: ROBERTO DE MATTEI DISKUTIERT DIE ESKALIERENDE KIRCHENKRISE" 

Maike Hickson:
"Viele Katholiken rund um die Welt hatten gehofft, daß die Dubia-Kardinäle ihre öffentliche Korrektur von Papst Franziskus bzgl. seiner Postsynodalen Exhortation "Amoris Laetitia", veröffentlichen würden. Was würden Sie diesen Gläubigen sagen, die jetzt enttäuscht sind und sogar entmutigt angesichts des Schweigens der Kirchenfürsten? Mit welchen Worten würden Sie versuchen, diese Gläubige in ihrer Hoffnung und ihrem Glauben zu bestärken? "

Roberto de Mattei:
"Die gegenwärtige Krise in der Kirche hat nicht mit Papst Franziskus begonnen und sie beschränkt sich nicht auf eine einzige Person. Eher geht sie auf das II.Vaticanische Konzil zurück und sogar noch weiter, auf die modernistische Krise [im frühen 20. Jahrhundert]. Heute ist ein großer Teil des Kardinalskollegiums, des Bischofskollegiums und des Klerus im Allgemeinen durch den Modernismus infiziert.
Die wenigen Kardinäle, Bischöfe und Priester, die Widerstand leisten, sollten dieser Situation Rechnung tragen und es ist unsere Aufgabe, ihnen zu helfen. Aber vor allem darf man sich nicht vorstellen, daß eine einzelne Aktion von einem dieser Spieler-z.B. eine von Kardinal Burke angekündete correctio fraterna des Papstes diese Krise von sich aus lösen kann.
Was nötig ist, ist eine Zusammenfassung und ein Fokus der Aktion diverser Gruppen sowohl des Klerus als auch der Laien, jeder auf seiner eigenen Ebene und gemäß ihren Fähigkeiten.
Der sensus fidei kann die Kardinäle, Bischöfe, Religiösen und einfachen Laien dabei leiten, wie sie [auf die gegenwärtige Krise] reagieren können.
Die Wichtigkeit der von 250 Gelehrten unterzeichneten correctio filialis - sowohl von Klerikern als auch Laien- wurde durch diesen sensus fidei ausgedrückt. Die Reaktion mag sich von einem Land zum anderen, von einer Diözese zur anderen unterscheiden, aber ihre Chrakteristik ist immer die einer Wahrheitsbekundung und einer Verurteilung der Irrtümer, die dieser Wahrheit entgegen stehen."

M. Hickson
"Aber wie kann man diese Situation beheben?"

Roberto de Mattei:
"Die Kirche wird nicht durch Menschen gerettet werden. Die Krise wird durch ein außerordentliches Eingreifen der Gnade behoben werden, die jedoch durch kämpferisches Engagement gläubiger Katholiken begleitet werden muß. Angesichts dieser gegenwärtigen Krise, gibt es einige, die denken, daß das Einzige, was man tun kann, ist- still und im Gebet- auf ein Wunder zu warten. Aber so ist es nicht. Es ist wahr, daß wir ein göttliches Eingreifen brauchen, aber Gnade baut sich auf Natur auf. Jeder von uns sollte das Maximale tun, was er seinen Fähigkeiten nach kann."



M.Hickson:
"Der Brief aus dem Jahr 2016, mit dem Papst Franziskus den Richtlinien der Hirten der Region Buenos Aires seine Zustimmung gab, wurde in den Acta Apostoliccae Sedis veröffentlicht, begleitet von einer Notiz des Kardinalstaatssekretärs, Kardinal Parolin, nach der der Papst selbst wollte, daß die beiden Dokumente -die Richtlinien und der Brief- in den AAS veröffentlicht werden."

Roberto de Mattei: 
"Die Tatsache, daß die Richtlinien der argentinischen Bischöfe und die Zustimmung des Papstes in den AAS veröffentlicht worden sind, haben offiziell gemacht, daß es von Amoris Laetitia "keine andere Interpretation geben kann" als die der argentinischen Bischöfe, die die dazu autorisiert, jenen wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion zu geben, die objektiv im Stand der Sünde leben. Der Brief war privat, aber die Veröffentlichung in den AAS verändert die Position von Papst Franziskus in einen Akt des Lehramtes.
Mir scheint, daß das die These bestätigt, die von Pater Giovanni Scalese in seinem blog ausgedrückt wird, nach der wir in eine neue Phase des Pontifikates von Papst Franziskus eintreten: indem wir von einer pastoralen Revolution in die offene Neuformulierung der Lehre übergehen.
Die Rede von Papst Franziskus am 11. Oktober -anläßlich des 25. Jahrestages der Promulgierung des neuen Katechismus scheint nach dem Beginn einer Neuinterpretierung des Katechismus der Katholischen Kirche im Licht von Evangelii Gaudium und Amoris Laetitia zu verlangen."

Maike Hickson:
"In einem kürzlich erschienenen Artikel- wie Luther jetzt wieder in die Katholische Kirche eingebracht wird, haben Sie festgetellt: "kurz gesagt, jeder Katholik ist aufgerufen, zu wählen, ob er die Partei von Papst Franziskus und der heutigen Jesuiten oder die der Jesuiten von früher und der Päspste aller Zeiten ergreifen will. Es ist Zeit zu wählen und präzise über die beiden Standards des Hl. Ignatius nachzudenken (Spirituelle Exerzitien, N.137)* die uns in diesen schwierigen Zeiten dabei helfen werden."
Würden Sie unseren Lesern diese Worte ein bißchen erklären, nicht nur im Licht der Luther-Frage sondern auch im Licht von Amoris Laetitia?"

Roberto de Mattei:
"Es gibt Augenblicke in unserem Leben und in der Geschichte der Kirche, in denen man verpflichtet ist, zwischen zwei Seiten zu wählen, unzweideutig und kompromißlos.
Die Spirituellen Exerzitien des Hl. Ignatius und die Theologie der Geschichte des Hl. Augustinus in "Die Stadt Gottes" tun nichts anderes, als die Maxime des Evangeliums zu betonen, nach der "keiner zwei Herren dienen kann; entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben oder den einen lieben und den anderen hassen." (Matth. 6:24). In diesem Licht betrachtet reduziert die jüngste Veröffentlichung des Franziskus-Briefes an die Bischöfe  von Buenos Aires die Angelegenheit auf zwei diametral entgegengesetzte Positionen. Die Denkrichtung jener Kardinäle, Bischöfe und Theologen, die behaupten, daß es möglich ist, Amori Laetitia in Kontinuität mit Familiaris Consortio 84 und anderen Dokumenten des Lehramtes zu lesen, ist zu Staub reduziert worden.
Amoris Laetitia ist ein Dokument, das als Lackmus-Test dient; es muß entweder als Ganzes akzeptiert oder abgelehnt werden. Es gibt keine dritte Möglichkeit und die Einfügung von Papst Franziskus´ Brief an die Argentinischen Bischöfe  [in AAS ] hat den Verdienst, das klarzustellen."

M.Hickson
"Es gibt einige, die leugnen, daß die Veröffentlichung des Briefes an die Argentinischen Bischöfe ein Akt des Magisteriums ist, weil er eine irrige-wenn nicht häretische- Position vertritt."

R.d.Mattei
"Wer immer das denkt, scheint mir, geht von einer falschen Bedingung aus: dem Gedanken, daß das päpstliche Lehramt niemals irren kann. In Wrklichkeit ist die Garantie der Unfehlbarkeit dem Lehramt nur unter bestimmten Bedingungen zuerkannt, die klar in der Dogmatischen Konstitution Pastor Aeternus des I. Vaticanischen Konzils ausgedrückt werden.
Das Vorkommen von Irrtümern in den nicht unfehlbaren Dokumenten des Lehramtes-einschließlich des päsptlichen Lehramtes- ist möglich, vor allem in Perioden großer Krisen.
Es kann einen Akt des Lehramtes geben, der sowohl authentisch als auch feierlich ist, aber irrig.
Das war meiner Meinung nach z.B. der Fall bei der Erklärung Dignitatis Humanae des II. Vaticanums, die -abgesehen von ihrem pastoralen Charakter- unleugbar ein lehramtlicher Akt ist und so gut wie sicher der Lehre der Kirche zur religiösen Freiheit widerspricht- zumindest auf eine indirekte und implizite Weise."

M.Hickson: 
"Sehen sie ein formales Schisma kommen und wie würde es praktisch aussehen? Wer wäre der Auslöser dieses Schismas und was würde es für die einfachen Laien bedeuten?"

R.d Mattei:
"Ein Schisma ist eine innere Spaltung der Kirche- so wie es in Europa während der 40 Jahren zwischen 1378 und 1417 passierte, als es so aussah, daß man nicht mit absoluter Sicherheit entscheiden konnte. wo die [legitime] Autorität der Kirche zu finden war. Bei dieser Zerreißung -die als das "Große Westliche Schisma" bekannt ist,  ging es nicht um Häresie. Generell gesehen aber, folgt Häresie dem Schisma-wie es in England zur Zeit Heinrichs VIII geschah.
Heute befinden wir uns in einer präzedenzlosen Situation, in der Häresie, die in sich selbst gravierender ist, als das Schisma, eher vorausgeht,  als daß sie folgt.
Noch gibt es kein formales Schisma, aber es gibt Häresie in der Kirche. Es sind die Häretiker. die das Schisma in der Kirche fördern, sicher nicht gläubige Katholiken. Und die gläubigen Katholiken, die sich von der Häresie loslösen wollen, können sicher nicht als Schismatiker definiert werden."

M.Hickson:
"Sie scheinen suggerieren, daß der Papst vielleicht das Schisma und Häresie in der Kirche fördert. Was wäre die Konsequenz dieser äußerst schweren Situation? Würde der Papst nicht seine Aurotität als Papst verlieren?"

R.d.Mattei:
"Man kann ein so wichtiges und komplexes Problem nicht in wenigen Worten zusammenfassen. An diesem Punkt ist eine theologische Debatte nötig, bei der man sich auf das Buch "Wahrer oder falscher Papst" von Robert J. Sisco und John Salza beziehen kann, auf die Schriften von Abt Jean-Michel Gleize in [der französischen Zeitschrift] Courrier de Rome und vor allem auf die Studie von Arnaldo Xavier de Silveira "Ipotesi teologica di un Papa eretico" [Hypothese über einen häretischen Papst], dessen italienische Ausgabe ich 2016 herausgegeben habe und auch die nächste Ausgabe in englischer Sprache. Der Autor, dessen Grundthese ich teile, entwickelt die These der mittelalterlichen Dekretisten, vom Hl. Robert Bellarmine und modernen Theologen wie Pietro Ballerini, nach denen -während es eine grundlegende Unverträglichkeit zwischen einer häretischen Haltung und dem Innehaben der päpstlichen Autorität gibt, der Papst sein Amt nicht verliert, bis seine Häresie der gesamten Kirche offenbar wird."

M.Hickson:
"Und endlich, was wäre Ihre Vorhersage und Ihre Ermutigung für unsere Leser am Ende des 100. Jahrestages der Erscheinung unserer Lieben Frau von Fatima?"

R.d. Mattei:
"Entmutigung ist ein Gefühl, das der kämpfende Katholik sich selber nicht erlauben kann. Die erste Waffe, die man gegen Feinde einsetzt, die die Kirche angreifen, ist der Gebrauch der Vernunft, um die Widersprüche zu zeigen, in denen diese Feinde leben und durch die sie notwendigerweise sterben. Dann müssen wir uns an die unüberwinddliche Hilfe der Gnade wenden. Vor 100 Jahren hat Unsere Frau von Fatima diese Krise unserer Zeit vorhergesehen. Sie hat eine Bestrafung der Menschheit angekündigt, wenn sie sich nicht bekehre, aber sie hat auch ein bedingungsloses und irreversibles Versprechen abgegeben: den Triumph ihres Unbefleckten Herzens. Für seinen Teil, hat unser Herr uns versprochen, immer bei uns zu bleiben- bis zum Ende der Welt (Matth. 28:20) . Was können wir mehr verlangen?" 


Notiz des Herausgebers: Maike Hickson hat im vergangenen Monat eine Korrespondenz mit dem katholischen Historiker, Autor und Sprecher Prof. Roberto de Mattei zur Natur der Kirchenkrise begonnen. Die plötzliche schwere Erkrankung ihres Ehemannes hat diese Arbeit unterbrochen, sie hat aber darum gebeten, mit der Veröffentlichung dieses Interviews zu beginnen. 
Quelle: OnePeterFive, M.Hickson, Roberto de Mattei
Unterstützen wir Maike und Robert Hickson im gemeinsamen Gebet!

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