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Freitag, 1. Juni 2018

Sandro Magister, Caravaggio und der "wahre" Matthäus

Auf seinem blog Settimo Cielo bespricht Sandro Magister ein Buch mit einem kunsthistorischen Thema: "Caravaggio. Der wahre Matthäus". 
Das beschriebene Gemälde hängt in der Contarelli-Kapelle der Kirche San Luigi der Francesi in Rom. Hier geht´s zum Original:   klicken

"KIRCHE UND KUNST. DER "WAHRE" MATTHÄUS ENTHÜLLT AUCH WEN DER WAHRE CARAVAGGIO WAR".

"Wer ist der "wahre"Matthäus, den Jesus berief, wie ihn Caravaggio für die Römische Kirche "San Luigi dei Francesi" gemalt hat -dem Gemälde, das auf der Welt vielleicht sein berühmtestes Meisterwerk ist?

Heute Abend um 6:30 wird im Institut Francais Centre Louis in Rom ein Buch vorgestellt, das eine entschieden neue Antwort auf diese Frage gibt.

"Sara Magister: "Caravaggio. Der wahre Matthäus" Campisano Editore, Roma 2018."

2012 hat die Autorin, eine Kunsthistorikerin, in einer damals von TV 2000 ausgestrahlten Sendung und dann bei weiteren Diskussionen Matthäus als den jungen über die Münzen gebeugten Mann auf der linken Seite des Tisches identifiziert.

Damit hat sie die unkonventionelle Meinung einer Minderheit wiederbelebt, die im 19. Jahrhundert von einzelnen deutschen und englischen Gelehrten vorgebracht, aber von den meisten Kritikern nicht akzeptiert wurde, für die Matthäus weiterhin der reife, gut angezogene Mann mit Bart in der Mitte des Bildes ist.

Aber jetzt-in diesem Buch- zeigt Sara Magister, daß die Identifizierung Matthäus´ in dem jungen Mann, der über das Geld gebeugt ist, in der Entstehung des Gemäldes, das Caravaggio dem Apostel gewidmet hat  auf sehr soliden Grundlagen ruht,- ebenso wie auf den vom Konzil von Trient festgelegten Kriterien - sowie vor allem auch auf dem außerordentlichen Genie des Künstlers, der diesen Kriterien- im Gegensatz zum Stereotyp des Rebellen, der ihm üblicherweise zugelegt wird-treuer war.

Das Vorwort zum Buch hat Professor Antonio Paolucci geschrieben- der frühere Direktor der Vaticanischen Museen, der weltweit als Gelehrter ersten Ranges betrachtet wird.

Am vergangenen Sonntag, 27. Mai hat der "Osservatore Romano" Paoluccis Vorwort veröffentlicht und er wird derjenige sein, der das Buch präsentiert- zusammen mit einem anderen großen Kunstgeschichtsgelehrten, Claudio Strinati und dem Journalisten und Kunstexperten Fabio Isman- und dem Kulturinstitut der Französischen Botschaft neben der Kirche Santo Luigi dei Francesi, in der Caravaggios Gemälde des Apostels und Evangelisten Matthäus hängt.



Das Buch beinhaltet 160 Farbillustrationen und einen Anhang mit einer kurzen Biographie Caravaggios im Licht der letzten Studien von Michele Cuppone, sowie ein gewichtiges Layout mit Notizen und archivarischen und bibliographischen Quellen.

Seltsamerweise ist diese Identifikation von Matthäus in dem jungen, über das Geld gebeugten Mann die selbe, die sich Jorge Mario Bergoglio intuititv immer zu eigen gemacht hat. Als Papst hat er mehr als einmal erzählt, daß er, wenn er nach Rom kam und in der Nähe der Kirche San Luigi dei Francesi wohnte, nie versäumte, das Gemälde zu bewundern und sich selbst und seine Berufung in genau diesem jungen von Jesus berufenenen Sünder zu sehen.

Aber hier ist Paoluccis schillerndes Vorwort zu Sara Magisters Buch.

"WER IST DER WAHRE MATTHÄUS?"

von Antonio Paolucci
"Ich bin immer von der Figur des Matthäus fasziniert gewesen, wie Caravaggio ihn uns in seinem berühmten Gemälde in der Contarelli-Kapelle in Santo Luigi dei Francesi zeigt.
In den Erzählungen des Evangeliums ist Matthäus ein Zöllner, der Steuern für die Römer eintreibt, ein abtrünniger Kollaborateur. Sein Status ist schändlich. Und in den ethischen Überlegungen eines Juden des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung steht er auf der untersten Stufe der sozialen Leiter. Jesus sieht dieses Schicksal eines Unberührbaren und bittte ihn, ihm zu folgen. Die Antwort auf diesen Ruf folgt sofort.
Er läßt alles hinter sich und folgt dem Lehrer.

Als er noch keine 30 Jahre alt war, hat Caravaggio zwischen Juli 1599 und Juli 1600 in San Luigi dei Francesi für die Kapelle von Mathieu Cointrel (zu Contarelli italienisiert) die Leinwände bemalt, die dem Hl. Patron seines Kunden geweiht waren- wie er nicht bezweifelte.
Der Text des Evangeliums muß, um für alle wirkungsvoll und verständlich zu sein, einer analogen Übersetzung unterzogen werden. Entweder ist das Evangeliuem relevant und in der Lage, zum heutigen Menschen zu sprechen oder nicht.
Das ist es, was der Katholik Caravaggio dachte, das ist es auch, was durch die Dekrete zur Kunst vom Konzil von Trient promulgiert wurde.

Analogie bedeutet die Übermittlung der Essenz einer alten Botschaft durch die Adaptation an moderne Formen und Situationen. Ist der Matthäus des Evangeliums ein verachtenswerter Charakter oder einer -der in Rom im Jahr 1600- ein "moderner Charakter" sein konnte, der genauso beklagenswert handelt und so durch Analogie mit dem Evangelisten vor seiner Bekehrung verglichen werden kann.

Caravaggios Antwort auf diese Frage ist brillant. Der Matthäus von 1600 ist der Wucherer, einer der damit Geld verdient, zu harten Bedingungen Geld zu verleien, ein arglistiger Händler.
Und hier ist die berühmte Szene, ein Überraschungsangriff auf das Rom seiner Tage, ins Bild gesetzt mit einer konzeptionellen Analogie zur Bank des jüdischen Steuereinnehmer im Jerusalem des Pontius Pilatus. Es ist eine Bruchbude eines Handwerker-Roms- die man sich irgendwo zwischen dem Pantheon und dem Campo dei Fiori vorstellen muß. An diesem Ort, wo junge Dandys, die sichtbar ihre Waffen zur Schau stellen- ein Typ der zwischen der "Schwarzen Garde" Manzonis, dem Frauenausbeuer und dem Schwindler angesiedelt ist-  um den Tisch herumstehen, an dem über Geld gesprochen wird und Münzen gezählt werden.

Christus tritt durch die Tür ein. Er tritt in das düstere gelbe Licht des Durchgangs ein. Dieser staubige Lichtstrahl ist eine Metapher für das göttliche Licht, das das Herz des einen, der berufen wird,, berührt hat.

Aber wer ist Matthäus, der Zöllner im Gewand der Wucherer des Jahres 1600? Ist er der reife, wohlgekleidete Mann an der Mittes des Tisches, der- fasziniert und beunruhigt- seine Hand an die Brust führt, als ob er sich selbst an Christus wenden wollte "willst du mich?".
Oder ist er der mürrische junge Mann, der völlig auf die Münzen konzentriert ist, in der linken Ecke?

Sara Magister hat keinen Zweifel, und die Identifizierung des wahren Matthäus ist das Thema des Buches, in das mein Text einführt; ein Buch, das in genuinem Engagement, mit Entschlossenheit und Leidenschaft Quellen und Dokumente durchforscht hat, die in jedem seiner Abschnitte analysiert wird.

Wie ein gut abgeschossener Pfeil kommt das Buch am Ende sicher und unumkehrbar zum Ziel.

Quelle: Settimo Cielo, Sandro Magister 

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