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"DAS ABSOLUTE NEIN ZUR TODESSTRAFE. EIN SIEG FÜR DAS EVANGELIUM ODER FÜR DEN SÄKULAREN HUMANISMUS?"
"Die Entscheidung von Papst Franziskus den Katechismus der Katholischen Kirche bzgl. der Todesstrafe umzuschreiben, hat lebhafte Diskussionen ausgelöst.
Die Änderung lag in der Luft und Jorge Mario Bergoglio hatte sie seit einiger Zeit geplant. Im Brief des Präfekten der Glaubenskongregatio, der die Neufassung begleitet, sagt Kardinal Luis Ladaria, daß "die neue Formulierung von Nr. 2267 des Katechismus die authentische Entwicklung der Lehre ist, die nicht im Widerspruch zur vorherigen Lehres des Lehramtes steht."
Aber das ist genau der Punkt, der die größte Kontroverse ausgelöst hat. Für viele gibt es einen Widerspruch zur vorherigen Lehre der Kirche. Und der stellt nicht eine "Entwicklung" sondern eine richtige und wirkliche Ruptur dar.
Verblüffend ist auch die historistische Natur der Begründungen, die Franziskus wählt: neue Aufmerkamkeit für die Würde der Person, neues Verständnis der Bedeutung von Strafen, neue und effektivere Gefängnisse etc. Daraus würden "im Licht des Evangeliums" die neue Lehre der Kirche der absoluten Unzulässigkeit der Todesstrafe entstehen.
Akzeptiert man das- wie viele hoffen oder im Gegenteil fürchten- was kann einen Papst davon abhalten, die Lehre der Kirche zhu jedem anderen Thema zu ändern? Nicht nur mit dem vorangegangenen Lehramt sondern mit der Heiligen Schrift selbst zu brechen?
Um die Diskussion besser verstehen zu können, sind die beiden folgenden Dokumentationen hilfreich.
Die erste ist ein Vergleich zwischen dem alten Artikel des CCC zur Todesstrafe mit dem neuen, auf Anordnung von Papst Franziskus geschriebenen.
DER ALTE ARTIKEL
2267 Die traditionelle Lehre der Kirche schließt- eine vollständige Sicherheit über die Identität und Verantwortlichkeit des Täters vorausgesetzt- den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn sie der einzig praktikable Weg ist, Menschenleben wirkungsvoll gegen den Angreifer zu verteidigen.
Wenn-statt dessen- unblutige Mittel ausreichen um sich gegen den Angfreifer zu verteidigen und die Sicherheit von Menschen zu schützen, sollten sich die öffentlichen Autoritäten auf solche Mittel beschränken, weil sie besser zu den konkreten Bedingungen des Allgemeinwohls paasen und mehr mit der Würde der menschlichen Person übereinstimmen.
Heute sind- angesichts der Mittel, die dem Staat zur Verfügung stehen, um Verbrechen wirkungsvoll zu verhindern, indem er denjenigen der eines begangen hat, unschädlich macht, ohne ihn endgültig der Möglichkeit der Selbstbesserung zu berauben- Fälle der absoluten Notwendigkeit der Tötung des Verbrechers sehr selten, wenn nicht sogar inexistent." (Johannes Paul II, Evangelium Vitae 56).
DER NEUE
2267 "Der Rückgriff auf die Todesstrafe durch die rechtmäßige Staatsgewalt- in Folge iens fairen Prozesses wurde lange Zeit als angemessene Antwort auf die Schwere bestimmter Verbrechen und als akzeptables- wenn auch extremes Mittel zur Bewahrung des Allgemeinwohls angesehen.
Heute jedoch gibt es ein zunehmendes Bewußtsein für die Würde der Person, die sogar nicht durch das Begehen sehr schwerer Verbrechen verloren geht. Zusätzlich hat sich ein neues Verständnis für die Bedeutung von Strafen herausgebildet, die vom Staat verhängt werden.
Und scließlich sind effektivere Gefängnissysteme entwickelt worden, die den gebotenen Schutz der Bürger sichern, aber zur gleichen Zeit den Schuldigennicht endgültig der Möglichkeit der Besserung berauben.
Als Konsequenz lehrt die Kirche im Licht des Evangeliums, daß "die Todesstrafe unzulässig ist, weil sie ein Angriff auf die Unverletzbarkeit und Würde der daranist," [1] und arbeitet entschlossen für ihre weltweite Abschaffung. "
[1] Franziskus, Rede an die Teilnehmer des vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisation organisierten Treffens, am 11. Oktober 2017, Osservatore Romano, 13. Oktober
Das zweite Element der Dokumentatio, das jetzt vorgestellt wird, ist ein Auszug aus einem 2001 in "First Things" veröffentlichten Esay von Kardinal Avery Dulles, Jesuit und einer der größten Nordamerikanischen Theologen des 20. Jahrhunderts -den Johannes Paul II und Benedikt XVI sehr schätzten.
Der vollständige text des Essays:
"Katholizismus und die Todesstrafe"
Zu Beginn konzentriert sich Dulles darauf, was die Heilige Schrift im Hinblick auf die Todesstrafe sagt:
"Im Alten Testament spezifiziert das Mosaische Gesetz nicht weniger als 36 Kapitalverbrechen, die eine Exekution durch Steinigung, Verbrennen, Enthauptung oder Strangulation verlangten. In dieser Liste sind Idolatrie, Magie, Blasphemie, Verletzung des Sabbat, Mord, Ehebruch, Grausamkeit, Päderastie und Inzest aufgezählt. Die Todesstrafe wurde besonders als Strafe für Mord passend befunden, weil in seinem Bund mit Noah- Gott das Prinzip festgelegt hatte: "Wer immer das Blut eines Menschen vergießt, dessen Blut soll durch das Schwert eines Menschen vergossen werde weil Gott den Menschen nach Seinem eigenen Bild gemacht hat. (Genesis 9:6)
In vielen Fällen wird dargestellt, wie Gott Schuldige, die es verdient haben, mit dem Tode bestraft- wie es Korah, Dathan und Ambiram passierte.
In anderen Fällen- wie Daniel und Mordechai bringen Gottes Vermittler schuldigen Personen den gerechten Tod.
Im Neuen Testament scheint das Recht des Staates, Kriminelle hinzurichten als gegeben angenommen zu werden. Jesus selber verzichtet darauf, Gewalt anzuwenden. Er weist seine Jünger dafür zurecht, daß sie sich wünschen Feuer vom Himmel herab wünschen, um die Samariter zu wegen ihrer fehlenden Gastfreundschaft zu bestrafen. (Lk 9:55).
Später ermahnt er Petrus, sein Schwert in die Scheide zu stecken anstatt des Verhaftung zu widerstehen (Mt. 26: 52). Zu keiner Zeit leugnet Jesus, daß der Staat die Autorität hat, die Todesstrafe zu verhängen. In seiner Diskussion mit den Pharisäern zitiert Jesus zustimmend das offensichtlich harsche Gebot: "er, der schlecht über Vater oder Mutter spricht, laßt ihn sicher sterben."
(Mt. 15:4; Mk 7:10; mit Bezug auf Exodus 21:17 und Levithicus 20:9)
Als Pilatus die Aufmerksamkeit auf seine Autorität ihn zu kreuzigen lenkt, weits Jesus darauf hin, daß Pilatus´ Macht von oben kommt- also von Gott (Joh 19:11). Jesus lobt den guten Räuber am Kreuz neben ihm, der zugab, daß er und sein Mittäter die gerechte Strafe für ihre Taten empfangen (Lk 23:41).
Die frühen Christen hatten offensichtlich nichts gegen die Todesstrafe. Sie stimmen der göttlichen Bestrafung zu, die Hananias und Saphira auferlegt wurde zu, als sie von Petrus wegen ihrer arglistigen Handlungen gemaßregelt wurden. (Apg 5:1-11). Der Hebräerbrief argumentiert mit der Tatsache, daß ein Mann, der das Mosaische Gesetz übertreten hat, nach dem Zeugnis von zwei oder drei Zeugen- ohne Gnade stirbt. (Hebr10:28)
Paulus bezieht sih wiederholt auf die Beziehung zwischen Sünde und Tod. Er schreibt an die Römer- mit offensichtlichem Bezug zur Todesstrafe- daß die regierende Obrigkeit "das Schwert nicht umsonst trägt, weil sie die Dienerin Gottes ist, die das Urteil an denen vollstreckt, die Böses tun" (Röm 13:4). Keine Passage im Neuen Testament lehnt die Todesstrafe ab."
Dulles fährt dann fort zu untersuchen, wie die Kirchenväter und Katholischen Theologen sich im Lauf der Jahrhunderte geäußert haben und kommt zu diesem Schluss:
" Wenn wir uns der Christlichen Tradition zuwenden, können wir feststellen, daß die Kirchenväter und -lehrer so gut wie einstimmig sind in ihrer Unterstützung der Todesstrafe, [....] Und während der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts ist die Zustimmung Katholischer Theologen zur Todesstrafe in extremen Fällen solide."
Er weist jedoch darauf hin, daß bereits 1977 ein Theologe mit huter Reputation im "Osservatore Romano" zur Unzulässigkeit der Todesstrafe Stellung bezogen und dem "anwachsenden Chor des Widerstandes in der Katholischen Gemeinschaft eine Stimme verliehen".
"Einige nehmen eine absolutistische Position ein, daß weil das Lebensrecht heilig und unverletzbar ist, die Todesstrafe immer falsch ist. Der respektierte italienische Franzsiskaner Gino Concetti, der 1977 im "Osservatore Romano" schrieb, gab folgendes machtvoller Statement ab: "Im Licht des Worte Gottes und so des Glaubens- ist alles menschliche Leben heilig und unantastbar. Gleich wie abscheulich die Verbrechen sind, verliert [der Kriminelle] nicht sein fundamentales Recht auf Leben, weil es vorrangig, unverletzlich und unabdingbar ist und so unter niemandes Macht kommen kann."
Und von da an diskutiert Dulles diese radikale These - eine Vorläuferin dessen, was Papst Franziskus jetzt entschieden hat.
Hier einige Passagen aus seiner 2001 geschriebenen aber immer noch perfekt relevanten Argumentation:
"Um diese radikale Revision - man möchte fast Aufhebung sagen- der Katholischen Tradition erklären Pater Concetti und andere, daß die Kirche seit biblischen Zeiten bis in unsere Tage dabei versagte, die wahre Bedeutung des Gottesbildes im Menschen wahrzunehmen, das impliziert, daß auch das irdische Leben jeder individuellen Person heilig und unantastbar ist.
In vergangenen Jahrhunderten- wird angenommen- daß Juden und Christen dabei versagten, die Konsequenzen dieser offenbarten Lehre zu durchdenken. Sie waren in einer barbarischen Kultur der Gewalt und der absolutistischen Theorie von politischer Macht gefangen- beide aus der antiken Welt überkommen. Aber in unseren Tagen dämmert eine neue Erkenntnis der Würde und der unabdingbaren Rechte der mneschlichen Person herauf.
Jene, die die Zeichen der Zeit erkennen, werden über die überholten Doktrinen hinausgehen, daß der Staat die göttlich verliehene Macht hat, zu töten und daß Kriminelle ihre fundamentalen Menschenrechte einbüßen. Die Lehre über die Todesstrafe muß heute eine dramatische Entwicklung durchmachen- die diesen neuen Einsichten entspricht."
" Diese abolitionistische Position ist von einer verlockenden Einfachheit. Aber sie ist nicht wirklich neu. Sie wird seit dem Mittelalter von sektiererischen Christen eingenommen. Viele pazifistische Gruppen, wie die Waldenser, Quäker, Hutterer und Mennoniten, haben diesen Gesichtspunkt geteilt.
Aber wie der Pazifismus selbst fand diese absolutistische Interpretation des Rechts auf Leben damals unter katholischen Theologen, die die Todesstrafe als im Einklang mit der Schrift, der Tradition und dem Naturgesetz akzeptierten, kein Echo."
"Die wachsende Opposition gegen die Todesstrafe in Europa seit der Aufklärung ging Hand in Hand mit einem Rückgang des Glaubens an das ewige Leben. Im 19. Jahrhundert waren die christlichen Kirchen die konsequentesten Anhänger der Todesstrafe, und ihre konsequentesten Gegner waren Gruppen, die der Kirche feindlich gegenüber standen.
Wenn der Tod eher als das ultimative Übel und nicht als eine Stufe auf dem Weg zum ewigen Leben verstanden werden solte, fanden utilitaristische Philosophen wie Jeremy Bentham es leicht, die Todesstrafe als "nutzlose Vernichtung" zu verwerfen
"Viele Regierungen in Europa und anderswo haben die Todesstrafe im zwanzigsten Jahrhundert, oft gegen die Proteste religiöser Gläubiger, abgeschafft.
Obwohl diese Veränderung als moralischer Fortschritt betrachtet werden kann, liegt es wahrscheinlich teilweise an der Verdunstung des Gefühls von Sünde, Schuld und Vergeltungsgerechtigkeit, die allesamt essentiell für die biblische Religion und den katholischen Glauben sind.
Die Abschaffung der Todesstrafe in ehemals christlichen Ländern könnte eher dem säkularen Humanismus als dem tieferen Eindringen in das Evangelium zu verdanken sein.
"Argumente vom Fortschritt des ethischen Bewusstseins wurden verwendet, um eine Reihe von angeblichen Menschenrechten zu fördern, die die katholische Kirche im Namen der Schrift und der Tradition konsequent ablehnt. Das Lehramt beruft sich auf diese Autoritäten als Gründe für die Ablehnung von Scheidung, Abtreibung, homosexuellen Beziehungen,
Wenn sich die Kirche in diesen anderen Bereichen der Schrift und der Tradition verpflichtet fühlt, erscheint es für die Katholiken inkonsequent, eine "moralische Revolution" in der Frage der Todesstrafe zu proklamieren.
"Das katholische Lehramt hat die uneingeschränkte Abschaffung der Todesstrafe nicht unterstützt und hat dies auch nie getan. [...] Papst Johannes Paul II hat für die gesamte katholische Tradition gesprochen, als er in" Evangelium Vitae "(1995) verkündete, daß" die direkte und freiwillige Tötung von einem unschuldigen Menschen immer schwer unmoralisch ist. Aber er fügte weise das Wort "unschuldig" in diese Aussage ein. Er hat nie gesagt, daß jeder Verbrecher ein Recht auf Leben hat, noch hat er bestritten, daß der Staat in einigen Fällen das Recht hat, die Schuldigen zu exekutieren. [...]
"Das katholische Lehramt hat sich in den letzten Jahren zunehmend gegen die Praxis der Todesstrafe gewandt. Papst Johannes Paul II hat in" Evangelium Vitae "erklärt, daß" aufgrund ständiger Verbesserungen in der Organisation des Strafvollzugs Fälle, in denen die Hinrichtung des Täters absolut notwendig wäre, sehr selten, wenn nicht praktisch nicht existent sind".
Das ist, wie man feststellen kann, die Position, die im 1992 promulgierten Katechismus der Katholischen Kirche und 1997 in seiner definitiver Form zum Ausdruck gebracht wurde. Dulles, der 2001 schrieb, schließt sich dieser Position an und schließt wie folgt ab, wobei ihm natürlich die Änderung nicht bekannt war, die Papst Franziskus 2018 einführen würde:
"Indem es zu dieser vorsichtigen Schlußfolgerung kommt, ändert das Lehramt nicht die Lehre der Kirche. Die Lehre bleibt, wie sie war: daß der Staat grundsätzlich das Recht hat, die Todesstrafe für Personen zu verhängen, die wegen sehr schwerer Verbrechen verurteilt wurden. Aber die klassische Tradition vertrat die Ansicht, daß der Staat dieses Recht nicht ausüben sollte, wenn die bösen Auswirkungen die guten Wirkungen überwiegen, so daß das Prinzip immer noch die Frage offen lässt, ob und wann die Todesstrafe angewandt werden sollte. Ich bin zu dem Schluss gekommen, daß in der heutigen Gesellschaft, zumindest in Ländern wie unserem, die Todesstrafe nicht in Anspruch genommen werden sollte, weil sie mehr Schaden als Nutzen anrichtet.
Ich persönlich untertütze diese Position."
Quelle: Settimo Cielo, S. Magister
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