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Montag, 17. September 2018

Ist die aktuelle Krise eine Krise des Klerus?

In seiner montäglichen Kolumne bei "Monday in the Vatican" analysiert A. Gagliarducci die aktuelle Lage der Kirche und des Pontifikates nachdem der Mißbrauchsskandal wieder beherrschendes Thema wurde.
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"PAPST FRANZISKUS-IST DIE KIRCHENKRISE EINE KRISE DES KLERUS ?"
Papst Franziskus´ Entscheidung die Vorsitzenden aller Bichofskonferenzen der Welt nach Rom einzuberufen, um über die aktuelle Krise zu sprechen, ist präzedenzlos. Als Antwort auf das annus horribilis 2012 der Mißbrauchskrise hatte Benedikt XVI darauf gedrängt, daß alle Bischofskonferenzen Richtlinien zur Handhabung des Themas erlassen sollten. Nie jedoch wurdeb die Bischöfe nach Rom gerufen worden , um darüber zu sprechen.

Man kann Papst Franziskus´ Entscheidung von verschiedenen Standpunkten aus betrachten.
Zuerst, daß Papst Franziskus will, daß jeder sich der Situation bewußt ist. Er handelt als Garant, hört jedem zu und trifft dann persönliche Entscheidungen. Er zieht der Kollegialität eher vor, nach breit angelegten Konsultationen persönliche Entscheidungen zu treffen. De facto ist er ein Papst, der nicht allzu viel delegiert. Vielleicht weil er erlebt hat, daß Delegierte ihren Auftrag verraten.

Das erklärt einige Entscheidungen zu Beginn seines Pontifikates, wie die Beschäftigung externer Berater, was die Vatileaks-Welle unterhielt, die vorbei zu sein schien, oder daß er sich mit Menschen umgibt, denen er vertraut, bevor er Entscheidungen trifft- ohne auf irgendjemanden zu hören, bis zu dem Punkt, nicht über das Timing von Konsistorien zur Kreierung neuer Kardinäle zu sprechen,

Zweitens: Papst Franziskus trifft pragmatische Entscheidungen. Mit einer Krise konfrontiert, sucht er nach einer konkreten und sofortigen Lösung, wenn er die nicht haben kann, wartet er. Papst Franziskus glaubt nicht an kurzfristige Festlegungen. Er spricht immer von der Umkehr der Herzen. Aber diese Lösung wird oft durch die Umstände diktiert, durch die Notwendigkeit die Dinge zu erledigen.

Am Ende kann man sagen, daß Papst Franziskus keine großen Rahmen steckt, die die Reformen umrahmen. Er ist eher einer, der Reformen in einen vorgegebenen Rahmen einfügt. Das wird oft als "mangelnde Visionen" bezeichnet, obwohl Papst Franziskus vorzieht, es "Reformen im Gehen" zu nennen. So bleibt aber alles in der Schwebe und muß noch zuende geführt werden,

Drittens hat er das Befürnis, Themen sofort anzugehen, Papst Franziskus dazu gebracht, sich hauptsächlich auf dringende Themen zu konzentrieren. Die Verlautbarung zu seinem jüngsten Treffen mit dem Kardinalsrat, am 10. September, besagt, daß die Kardinäle den Papst gebeten haben, die Zusammensetzung der Gruppe zu überdenken. 

Vor dem Treffen gab es das Gerücht, daß es das letzte Treffen sein würde, wie wir es kennen, weil einige Kardinäe ausgetauscht, andere bestätigt werden sollen und ein Experte für kanonisches Recht rekrutiert werden soll, um die Vorschläge zur Kurienreform zu harmonisieren. 

Die Mißbrauchskrise hat diesen Plan verzögert und ein weiteres Treffen des Rates wurde für den 10.-12. Dezember geplant, während die letzte Verlautbarung nicht von irgendwelchen spezifischen Experten spricht, obwohl Experten konsultiert wurden. Am Ende werden die Treffen-die vorher angekündigt wurden, wie vorgesehen weitergehen und der Kardinalsrat wird seine Zusammensetzung behalten, obwohl einige der Kardinäle sehr alt sind- wie Kardinal Erraruriz, der in Chile in die Vertuschung des Mißbrauchs verwickelt war.





Am Ende kann man sagen, daß der Kardinalsrat mit einer Entscheidung startete, dem Mißbrauch entgegen zu wirken - der Schaffung der Päpstlichen Kommission zum Schutz Minderjähriger- und seine Arbeit mit einer weiteren Entscheidung, der Krise zu begegnen  beenden wird,

Das ist ein Zeichen, daß die Mißbrauchskrise ein brennendes Thema ist, nicht nur wegen der jüngsten Enthüllungen und daß sie auf der Agenda des Papstes höchste Priorität hat.

Das könnte ein Problem werden, weil die Mißbrauchskrise Teil einer allgemeineren Problems ist. In seinem Brief an das Gottesvolk, der mitten im Aufschrei über die chilenische Mißbrauchskrise versandt wurde, hat Papst Franziskus den Klerikalismus als das Übel identifiziert, das zur Vertuschungskultur führte. In der Exhortation Gaudete et Exsultate identifizierte der Papst auch Gnostiszismus und Neopelagianismus als zwei Quellen dieser Kultur.

Außer diesem größeren Blickwinkel auf die Realtität, drehen sich die Diskussionen um ein sehr spezielles Thema- das ist der Kampf gegen den Mißbrauch. Papst Franziskus hat in seinem Dialog mit den Jesuiten in Irland über Heilung und das den Opfern-Zuhören gesprochen. Das sind nötige Schritte.

Andererseits braucht diese Krise etwas mehr als Richtlinien und praktische Ratschläge. Es ist eine Krise des Klerus, weil es oft einen Klerus gibt, der nicht wirklich noch an Gott glaubt oder glaubt, aber sich so verhält, als ob er nicht glaube und dem Glauben fast keine Wichtigkeit zuerkennt.

Die Skandale haben nicht nur eine Kultur des Vertuschung offenbart, sondern eine Kultur des Amtsmißbrauchs. Das sind Macht-Aktionen die manchmal auch Sex beinhalten.

Das Problem ist größer als Klerikalismus und sollte nicht nur aus einer Perspektive des pragmatischen Handelns angegangen werden,  sondern eher aus der eines visionären Zugehens. Zuersr indem man eine Christliche Terminologie wählt - das Wort Heilung durch Erlösung ersetzt, die säkulare Terminologie, die jetzt auch die Diskussion innerhalb der Kirche übernommen hat.
Das ist wie ein neues Langzeit-Projekt, das auch mit den Besonderheiten der Kirche übereinstimmt, das eingeführt werden und für immer funktionieren kann. 

Am Ende geht es nicht nur darum bestimmte Normen aufzustellen, um das Problem zu bewältigen. Es geht eher darum, einen adäquaten Rahmen zu schaffen- sowohl kulturell als auch juristisch, an den sich jeder halten kann und der dem Ziel einer starken Kirche und besonders dem Schutz der Kinder dienen kann.

Also fehlt in der Diskussion ein wichtiger Aspekt: Erziehung. Genau wie bei der Kurienreform auf breiter Basis die Theologie fehlt.In beiden Fällen sind die Narrative immer noch unvollständig.

Während der Woche, in der sich Papst Franziskus mit den amerikanischen Bischöfen traf, hat er seinen Dialog mit den irischen Jesuiten hervorgehoben und die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen aufgefordert, zu ihm zu sprechen.Er erwartete Vorschläge von ihnen.

In der selben Woche hat Erzbischof Georg Gänswein, der Sekretär des Papa Emeritus, eine Rede gehalten, in der er den Nagel der aktuellen Situation auf den Kopf traf.

Dieses Zusammentreffen ist verblüffend.

Erzbischof Gänswein hat die Mißbrauchskrise als das 9/11 der Katholischen Kirche beschrieben und auf die wahren Wurzeln des Christlichen Lebens geschaut und dabei viele Zitate von Benedikt XVI angebracht, wie die Krise anzugehen sei.

Erzbischof Gänswein erwähnte die Klage Benedikts XVI über den Schmutz in der Kirche im Kreuzweg 2005 in Rom; seine Bitte um Vergebung für den Mißbrauch im Schrein der Unbefleckten Empfängnis in Washington 2008; und seine Worte 2010 während des Flugs nach Fatima, als Benedikt XVI über den Skandal der Sünde innerhalb der Kirche sprach- einen oft unterschätzten inneren Feind. 

Erzbischof Gänswein hat auch die Worte Bénedikts XVI über das Mönchstum als Basis unserer Zivilisation zitiert, die Geschichte der Geburt einer neuen Gesellschaft, die mit jenen Mönchen begann, die sich mit dem Hl.Benedict zurückzogen und das "ora et labora"  zu ihrer Regel machten
Über diese Mönche sagte Benedikt XVI 2008 im Collège des Bernardins in Frankreich:  "die antiken Manuskripte zu studieren und zu kopieren war Teil des Hauptziels ihre Lebens, quaerere Deum- Gott suchen. Diese Suche nach Gott ist die Basis der Westlichen Zivilisation."

Auf diese Weise erinnerte Erzbischof Gänswein uns daran, daß es eine weitere Perspektive gibt, die den Rahmen für die Antwort auf den Skandal geben kann.

Keine Richtlinien und keine Prozeduren um dem Mißbrauch entgegen zu treten, ist in der Lage, die Kirche zu heilen. Was gebraucht wird, ist eine praktische Reform innerhalb eines größeren Rahmenwerkes, die es ermöglichen würde, die Krise des Klerus anzugehen.

Eine Frage  bleibt: werden über den guten Willen hinaus die Änderung der Handhabung und die Konfrontation mit der Krise die Reformen von Papst Franziskus ausreichen oder werden zu kurz greifen?

Diese Frage kann auf alles angewandt werden: von der Kurien-Reform, der Mission mit dem Titel der neuen Konstitution (Praedicate Evangelium), die dann aber durch bestimmte pragmatische Zugänge eingegrenzt wurden- eher als auf einen ernsthaften Mentalitätswechsel durch den pastoralen Schub, der vor kurzem drohte, die wahre Lehre der Kirche beiseite  zu schieben bis zur Lehre selbst, wo sogar die theologische Diskussion festzustecken scheint.

Wir brauchen größere Denker, die fähig sind, die aktuelle Welt zu verlassen und eine neue Zivilisation zu begründen. Besonders dieses Pontifikat braucht sie."

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci

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