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Samstag, 1. Juni 2019

Sandro Magister: Ein Bericht aus der sozialistischen Hölle in Rumänien, Fortsetzung

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"DER SANDSACK"

"Am nächsten Tag- in einem Büro- fesselten sie mich an Händen und Füßen vor einem Tisch mit einem kleinen Sack darauf. Hinter mir stand schweigend ein blasser Gefängniswärter. Am Tisch in der Ecke saß ein kahler Mann mit einem Ziegenbart- der ganz klar versuchte, wie Lenin auszusehen. Auch er sprach nicht, gab aber Zeichen, indem er seinen Kopf bewegte. Mein Folterer verstand das Kommando, Er nahm den Sack, schlug mir damit rhythmisch auf den Kopf und begleitete jeden Schlag mit dem Wort "sprich!". Aber niemand fragte mich etwas. Es gab nur diese hohle, monotone Stimme, die den Befehl zu sprechen in mein Gehirn hämmerte, auf jede Frage zu antworten, die mein Inquisitor in mein Bewußtsein gebracht hatte. Es war nicht schwer für mich, den satanischen Gedanken zu erkennen, meinen Willen zu überwinden. Nach ungefähr zwanzig Schlägen begann ich das moralische Prinzip "age contra" -tu das Gegenteil-. anzuwenden und sagte bei jedem Schlag zu mir selbst "ich werde nichts sagen!"  Dutzende male, hunderte male. Durch Autosuggestion hatte ich mir die Antwort eingepflanzt:Ich werde nichts sagen"- mit dem Risiko von dieser Art mich auszudrücken, sklavisch abhängig zu werden. Und das ist es, was von da an passierte. Ich habe auf jede Frage, die man mir zu jedem Thema stellte. "ich sage nichts" geantwortet. Ich habe ein ganzes Jahr mentaler Bemühungen gebraucht, um mich von diesem düsteren Reflex zu befreien. 

ACHTUNDZWANZIG ZENTIMETER 
Als wertloses, uninteressantes Subjekt für die Befrager, wurde ich in das Gefängnis von Jilava gebracht- 8 Meter unter der Erde- konstruiert zur Verteidigung der Hauptstadt-aber wegen schwerer Wasserschäden unbrauchbar. Dort überlebte nur der Mensch, der größte Schatz des historischen Materialismus. In die Zellen Jilavas waren die armen Menschen wie Sardinen gepackt- nicht in Öl sondern in ihrem eigenen Saft- aus Schweiß und Urin und dem Wasser.  das einsickerte und endlos von den Wänden tröpfelte. Dieser Raum wurde so gut wie möglich auf wissenschaftliche Weise genutzt: ein Fleck von 2m x 0,28 m für jede Person, die auf der Seite auf dem Boden liegt. Die Ältesten lagen auf hölzernen Tischen, ohne Laken oder Decken. Ihre Hüftknochen und die Außenseiten ihrer Knie und Knöchel lagen auf dem Holz. Wir lagen auf den Kanten unserer Knochen, um so wenig Platz einzunehmen wie möglich, Unsere Hände konnten nur auf Knöcheln oder Schultern eines Nachbarn liegen. Das konnte man nicht länger als ein halbe Stunde aushalten, dann drehten sich -auf Kommando- alle um, weil es unmöglich gewesen wäre, das einzeln zu tun. Der Haufen von Körpern  war auf diese Weise in zwei Ebenen angeordnet- wie in Stockbetten. Aber darunter war eine dritte Ebene, auf der die Gefangenen auf nacktem Zement lagen. Auf dem Zement bildeten der kondensierte Dampf von 60 Männern zusammen mit dem eindringenden Wasser und dem Urin, der aus der Latrine einsickerte, eine visköse Mischung, in der die Unglücklichen lagen. Im Zentrum dieses Zellen-Grabes thronte ein metallener Behälter von etwa 78 Litern Fassungsvermögen für den Urin und die Fäkalien von 60 Männern. der hatte keine Abdeckung und der Geruch und die Flüssigkeit flossen reichlich daraus.  Um ihn zu erreichen, mußte man den "Filter" passieren, eine strenge Untersuchung bis auf die nackte Haut, eine Inspektion, bei der der ganze Körper samt aller Öffnungen inspiziert wurde. 




DER "FILTER"
Sie kratzten unseren Mund, den Raum unter unseren Zungen und unserer Gaumen mit einem hölzernen Stab aus, falls wir Kriminellen dort etwas versteckt hätten. Der selbe Stab drang auch in Nasenlöcher, Ohren, Anus unter den Hoden ein- immer der selbe Stab- rigoros für alle der selbe- als Zeichen des Egalitarismus. Die Fenster von Jilava waren so gemacht, daß sie kein Licht gaben, sondern es aussperrten, sie waren völlig mit hölzernen Planken vernagelt. Der Luftmangel war derartig, daß wir schichtweise an die Tür gingen, drei auf einmal, den Bauch dagegen und unsere Münder in der Lücke unterhalb der Tür, um zu atmen, eine Stellung, in der wir 60 Atemzüge zählten, nach denen dann die anderen Insassen kamen, um sich von Ohnmachten und Sauerstoffmangel zu erholen,. 
So trugen wir auf unsere Weise zur Konstruktion des menschlichsten Systems in der Welt bei. Wußten Churchill und Roosevelt von diesen dingen, als sie mit einem Federstrich unter dem Teheraner Abkommen verfügten, daß wir Rumänen von den Kiefern des Molochs aus dem Osten zermalmt werden sollten, daß wir die Schnur sein sollten, die ihren Komfort sicherte? und hätte der Hl. Stuhl irgend etwas davon wissen? 

NACKT IN DER KÄLTE
Von Jilava aus -nach langen Jahren der Profanation unserer Menschlichkeit wurden wird -mit Beinketten- in das Gefängnis maximaler Isolation gebracht- nach Zarka- dem Terrorbau des Aiud-Gefängnisses. Die Aufnahme folgte den gleichen finsteren, teuflischen Ritualen der Erniedrigung des Menschen, der durch die Liebe Gottes erschaffen wurde. Hier gab es das selbe Kratzen und Untersuchen, die selben schweren Stiefel, die sich in unsere Rippen, Mägen und Nieren senkten. Trotzdem stellten wir einen Unterschied fest, wir waren nicht länger dem Regime einer intensiven Behandlung mit der Verwahrung in Urin, Schweiß, Kondenswasser und Sauerstoffmangel unterworfen, dafür aber einer intensiven Sauerstoffbehandlung mit nackter Haut und in der Kälte, ein Krimineller nach dem anderen ( d.h. Minister, Generäle, Universitätsprofessoren, Wisscnschaftler, Dichter etc) -auch ich- der nichts anderes war als ein großer "ich werde nichts sagen" mit festem und demütigem Vertrauen in die Gnade, die mich diese Prüfung bestehen lassen würde. 

Wir alle sollten verschwinden, weil wir Feinde des Volkes waren. Wenn nicht, wie sollte der viel gepriesene "Neue Sowjet-Mensch" erscheinen? Die Zelle, in die ich gesteckt wurde, enthielt nichts: kein Bett, keine Decke, Laken, Kissen, Tisch, Stuhl, oder Matte- nicht mal ein Fenster. Es gab nur das eiserne Gitter und ich war- wie alle anderen- allein in der Zelle. Ich wunderte mich über mich selbst, bekleidet nur mit meiner Haut und der Kälte. 

Es war Ende November. Die Kälte wurde immer durchdringender, wie ein unangenehmer Zellengenosse. Nach ungefähr 3 Tagen, wurde die Tür aufgerissen und sie warfen mir ein zerissene Hose, ein kurzärmeliges Hemd, Unterwäsche , eine gestreifte Uniform und ein Paar abgetragene Schuhe ohne Schnürsenkel, ohne Socken zu. Nicht, um meinen Kopf zu bedecken. Sie gaben mir auch eine Art Latrine, einen erbärmlichen Behälter von ungefähr 4 Litern. Ich zog mich hastig an.

Am vierten Tag zählten sie die frierenden Insassen. 
Statt meines Namens gaben sie mir eine Nummer: K-1700. das Jahr in dem die Kirche von Transsylvanien sich mit Rom vereinte. Im öffentlichen Register war ich bereits tot. 
Ich habe nur als Nummer, in der Statistik überlebt.  Dann kam die Brühe, 125g, eine dünne Flüssigkeit, mit Mehl gekocht. Zum Mittagessen verteilten sie uns eine Bohnensuppe, in der man acht oder neun Bohnen zählen konnte. Es gab viele leere Hülsen. Zum Abendbrot brachten sie uns Tee mit einer Kruste verbrannten Brot. Nach einer Woche ersetzten sie die Bohnen durch Getreidebrei, in dem ich 14 oder 15 ganze Getreidekörner zählte. Wir lebten von weniger als man einem Huhn gibt. 

GEH ODER STIRB 
Um die Kälte zu überleben, mußten wir uns ständig bewegen und Gymnastik machen: Sobald wir- von Schwäche und Hunger überwältigt- umfielen, verfielen wir in Schlaf-in einen sehr kurzen Schlaf, weil es bitter kalt war. Eine Stimme von der anderen Seite der Mauer weckte mich eines Tages aus einem solchen Schlaf: "ich bin Professor Tomescu, der frühere Gesundheitsminister. Wer sind Sie? " Als er meinen Namen hörte, sagte er "ich habe von Ihnen gehört. Hören Sie mir sorgfältig zu: wir sind hierher gebracht worden, um ausgelöscht zu werden. Wir werden nie mit ihnen zusammenarbeiten. Aber wer immer nicht geht, stirbt und wird ein Kollaborateur. Sag es den anderen: geht ohne Pause! " Das Gebäude "der Pavillon" -eingetaucht in die Stille des Todes- ertönte vom Widerhall unserer ungebundenen Schuhe. Wir wurden vom geheimnisvollen Willen eines Volkes belebt, in der Geschichte zu bleiben und kraft Berufung durch die Kirche am Leben zu bleiben.
Wir hörten gegen 12:30 für eine halbe Stunde auf zu arbeiten,  wenn das spärliche Sonnenlicht in der Ecke des Raums auf uns wartete. Dort-stahl ich .zusammengekauert, mit der Sonne auf dem Gesicht, ein bißchen Schlaf und einen Hoffnungsstrahl. Wenn die Sonne mich verließ,  fühlte ich dennoch, daß ich von der Gnade nicht verlassen worden war. 

Ich wußte, daß ich überleben mußte. Ich ging also und wiederholte mich. wie in einem Refrain-:"Ich will nicht sterben! Ich will nicht sterben!" Und ich bin nicht gestorben. Bei jedem Schritt rezitierte ich im Geist Gebete, komponierte Litaneien, rezitierte Psalmen. 

Wir fuhren fort, auf diese Weise zu gehen, 17 Wochen lang-  um nicht in den Tod zu stolpern. Jeder, der die Kraft oder den Willen verlor, sich zu bewegen, starb. Von den 80 Männern, die nach Zarka kamen, haben nur 30 überlebt. Die eisernen Gitter bedeckten sich Stück um Stück mit einer Eisschicht, geformt aus unserem lebendigen Atem, ein schillerndes Reisekleid für den Weg in den Himmel.


ABER ALLES IST GNADE
Ich habe oft fest daran geglaubt, am Ende der Dunkelheit angekommen zu sein.Aber ich hatte noch einen weiten Weg zu gehen. Jahre später in dem angekommen, was ich mir als Freiheit vorstellte, stellte ich fest, daß das in  Wirklichkeit nur eine andere Art war, in Dunkelheit zu leben, daß die Kälte zwischen der griechisch-katholischen Kirche und der Hierarchie der Orthodoxen Schwesterkirchen nicht tauen würde; daß unsere Kirchen weiterhin konfisziert wurden und unsere Herde weiterhin schrumpfte, getötet durch Versprechungen. Aber Christus der Herr hat den Sieg auch erst errungen, als er mit seinem letzten Atemzug sagen konnte "consummatum est" - es ist vollbracht. 

Och habe nicht viel über meine dramatischen Erlebnisse geschrieben. Wenn kann glauben, was unglaublich erscheint?  Wer kann glauben, daß der Wille die Naturgesetze überwinden kann? Und was, wenn ich von den Wundern erzählen würde, die ich erlebt habe? Würde das nicht für reine Phantasie gehalten? Es wäre schwerer für mich, diesen Unglauben zu ertragen, als mehr Jahre im Gefängnis auszuhalten. Aber Jesus wurde nicht  von jedem geglaubt, der ihn sah"Danach gingen viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm" (Joh. 6:66)

Nichts im Leben geschieht zufällig. Jeder Augenblick, den der Herr uns gibt, ist mit Gnade befrachtet- der gutwilligen Ungeduld Gottes- und mit unserem Willen darauf zu antworten oder es abzulehnen. Es ist an jedem von uns, nicht alles auf eine harte, furchteinflößende, unglaubliche Erzählung zu reduzieren, sondern zu verstehen, daß das Annehmen der Gnade den Menschen nicht behindert sondern ihn über seine Erwartungen und Kräfte hinaus trägt. Ich hoffe ernsthaft, daß dieses Zeugnis, ein Fenster zum Himmel öffnet. Weil er größer ist- der Himmel über uns- als die Erde unter unseren Füßen."

Quelle:  Settimo Cielo, S. Magister 



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