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Samstag, 20. Juli 2019

S. Magister über die weltweiten Angriffe auf das Beichtgeheimnis

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo die aktuelle Situation im juristischen und politischen Kampf um das Beichtgeheimnis und veröffentlicht einen Artikel, den ein Kirchenrechtsprofessor zu diesem Thema verfaßt hat.
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"GLOBALE ATTACKE GEGEN DAS BEICHTGEHEIMNIS.
ENTWEDER GEFÄNGNIS ODER EXKOMMUNIKATION" 

Der letzte Angriff wurde vor einigen tagen in Kaliforniern abgewehrt.  Am 13. Juli hat Senator Jerry Hill im Sicherheitsausschuss des Kalifornischen Abgeordnetenhaus , das von ihm selbst eingebrachte Gesetz SB 360  zur Abschaffung des Beichtgeheimnisses zurückgenommen, dem der Senat bereits zugestimmt hatte.

Im  Bericht über das Geschehen hat " Vatican News" betont, daß ês 140.000 Briefe, 17.000 e-mails und Hunderte von Telefonanrufen brauchte, um diese Bedrohung für das Gewissen jedes Amerikaners -wie es der Erzbischof von Los Angeles Peter Gomez ausdrückte-die zu dieser Mobilisierung führte, zu verhindern.

Zurück im Jahr 2000 hatte der Internationale Strafgerichtshof in der Diskussion um "Regeln, Prozeduren und Beweise" die Forderung Kanadas und Frankreichs zurückgewiesen, daß Priester nicht länger das Recht haben sollten, die Aussage über Dinge zu verweigern, die sie unter dem Beichtsiegel erfahren hatten.

Und 2016 hat das Bundesland Louisiana betont, daß ein Priester, Rabbiner, geweihter Diakon nicht als Meldepflichtiger betrachtet werden kann und nicht gezwungen werden darf, Wissen, das er während der Beichte erfahren oder anderer heiliger Handlungen erfahren hat, zu melden.

In der Zwischenzeit nahmen im Zuge des Skandals des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker die Angriffe auf das Beichtgeheimnis zu. Zum Beispiel 2011 in Irland durch die damalige Premierministerin Enda Kenny. Oder 2014 in Genf vom UN-Komitee für die Konvention über die Rechte des Kindes. Jedes Mal mit der katholischen Kirche auf der Anklagebank. .

Bis zum 7. Juni 2018 in Australien auf dem Gebiet der Hauptstadt Canberra eine Bresche in das Beichtgeheimnis geschlagen wurde, als mit Zustimmung aller Parteien ein Gesetz verabschiedet wurde, das katholische Priester - und analog die Hirten anderer Glaubensrichtungen - zur Verletzung des sakramentalen Beichtgeheimnisses verpflichtet, wenn sie von sexuellem Missbrauch gegen Minderjährige erfahren. Das Gesetz trat am 31. März 2019 in Kraft.

So weit sind das alles wohlbekannte Fakten. Was nur wenige wissen.ist, daß das Beichtgeheimnis auch dort ernsthaft gefährdet ist, wo man es am wenigsten vermuten würde.

Italien ist so ein Fall, dem sogar von Seiten der Kirchenautoritäten mit Schweigen begegnet wird.
Hier hat der Oberste Gerichtshof am 14. Januar 2014 im Fall Nr. 6912 entschieden, daß ein als vereidigter Zeuge in einem Strafprozess wegen sexuellen Mißbrauchs aufgerufener Priester, der sich weigert auszusagen, was er in der Beichte gehört hat-. abgesehen von Sünden, die der Beichtende begangen hat, so z.B. daß er Mißbrauch erlitten, nicht begangen hat, das Verbrechen des Meineids begeht.





Es war dann genau dieses italienische Urteil, das A. Bettetini. Professor für Kanonisches Recht an der Katholischen Universität von Mailand und Gastprofessor an verschiedenen europäischen und amerikanischen Universitäten dazu bewog, einen Artikel für die jüngste Ausgabe von "Vita e Pensiero", dem Magazin seiner Universität, einem Artikel über die Angriffe auf das Beichtgeheimnis zu schreiben.

Belletini vergleicht das italienische Urteil mit dem neu erlassenen Gesetz in Australien und zeigt, daß sie sehr viel mehr Ähnlichkeit haben als es scheint, weil beide die Pflicht zur Aussage bejahen, die dem "fundamentalen und moralischen Recht" , das das Gewissen der Person schützt, die ihre Seele gegenüber einem Priester öffnet,. widerspricht.

Im Hauptteil seines Textes legt Bettetini den Schutz des Beichtgeheimnisses in der Katholischen Kirche, im Kanonischen Recht und in der Lehre aus und zeigt, wie dieser Schutz alles einschließt, was der Priester in der Beichte erfährt- nicht nur die Sünden des Beichtenden.

Er zitiert nicht die "Note der Apostolischen Poenitentierei über die Wichtigkeit des "forum internum" des Beichtgeheimnisses" weil die erst am 29. Juni mit Billigung von Papst Franziskus promulgiert wurde,- nachdem sein Artikel bereits in Druck gegangen war. Die kam -angesichts des "zunehmenden negativen Vorurteils" vieler gegen die Beibehaltung dieses Geheimnisses - keine Minute zu früh.

Darüber hinaus zeigt Bettetini, wie auch im italienischen Recht das Beichtgeheimnis gut geschützt wäre, gäbe diese Intervention dieses Urteils des Obersten Kassationsgerichtes nicht.

Hier folgen die dramatischen Schlußfolgerungen, die er am Ende seines Artikels zieht. Was den Priester angeht, so ist der gezwungen zwischen Gefängnis und Exkommunikation zu wählen,

"SEXUELLER MISSBRAUCH UND DAS BEICHTGEHEIMNIS" 
von Andrea Bettetini
[...]

Als Schlussfolgerungen aus dem, was hier vorgestellt wurde, können wir bestätigen, daß die beiden am Anfang unseres Artikels angeführten Beispiele [ Italien und Australien] paradigmatisch für einen Neo-Jurisdiktionismus mit zweifelhaftem Ausgang sind, der sich durch verschiedene politische  Strukturen durch Gesetzgebung und Gesetzesinterpretation einmischt, die mit wenig aufgeregt aber mit großer Wirkung de facto das Gleichgewichte (und die jeweiligen Verantwortlichkeiten) zwischen zeitlicher Ordnung und geistiger Ordnung verändern. Damit ist nicht nur das Autonomiegebiet der katholischen Kirche gemeint. sondern ebenso das anderer religiösen Bekenntnisse, die sich vom katholischen und allgemeiner dem der Religion unterscheiden.

Christopher Prowse, Erzbischof von Canberra und Goulburn, hat das neue italienische Gesetz in der "Canberra Times" scharf kritisiert und den letztendlichen Grund für seine Inkohärenz hervorgehoben: "Wer bereit wäre, sich -ohne dieses Gelübde-von seinen Sünden zu befreien, den weisen Rat eines Priesters zu suchen, um die barmherzige Vergebung Gottes erhalten?" “Das Gesetz der Kirche und in der Kirche dient genau dazu, seine Natur als Instrument der Erlösung für jeden Menschen zu bewahren, dessen Leben und Erfahrung sich in einer Dimension von Recht und Gerechtigkeit bewegen und sich verpflichtet, den Normen, die mit Wahrheit und Gerechtigkeit in den Grenzen menschlichen Sprachverständnisses übereinstimmen, inhaltlich sichtbar zu machen.

Und so überwiegt in der westlichen Rechtstradition im Gleichgewicht zwischen zwei Hauptwerten- Gewissens- und Religionsfreiheit einerseits und der Auferlegung von Strafmaßnahmen zur Bestrafung eines unmenschlichen Verbrechens andererseits-das Erstere,
sowohl weil es- nach der Gabe des Lebens-  den innersten Kern der Freiheit und Verantwortung des Menschen darstellt, als auch weil es die Realität ist, die in der grundlegendsten und unabänderlichsten Weise dem Menschen zugehört und ihm im Rechtswesen zusteht.

Und dieses andere ist nichts anderes als die Widerspiegelung dessen, was der wertvollste Beitrag der westlichen Welt zur Rechtsstruktur der globalen Zivilisation ist: der Begriff des Menschen und seiner Würde im Schutz seiner unveräußerlichen Rechte, dessen erstes genau die Religionsfreiheit ist-
Andernfalls würde es zu einem Rückschritt in der juristischen Zivilisation und damit der Menschheit kommen, den der Erzbischof von Canberra am meisten befürchtete, als er am Vorabend des Inkrafttretens des Gesetzes, das vom Beichtvater verlangt, gegebenenfalls das Beichtgeheimnis zu verletzen, erklärte: „Jetzt stehen wir Priester im ACT (Australian Capital Territory) vor einer  unmöglichen Wahl. Wir müssen entweder das Beichtgeheimnis respektieren und strafrechtlicher
Verfolgung entgegen sehen, oder das Gesetz einhalten und uns einer automatischen Exkommunikation stellen. “

Quelle: Settimo Cielo, S. Magister, Prof. A. Bettetini, Vita e Pensiero

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