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Montag, 9. März 2020

Zwei Seelen wohnen ach in seiner Brust...?

In seiner heutigen Kolumne in "Monday in the Vatican" setzt sich A. Gagliarducci mit der lateinamerikanischen Ausrichtung und scheinbar widersprüchlichen Entscheidungen des aktuellen Pontifikates auseinander
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"PAPST FRANZISKUS: DAS LATEINAMERIKANISCHE PARADOXON" 
Ernesto Cardenal starb als Priester im Alter von 95 Jahren. Minister in der Sandinistischen Regierung zu Beginn der 1980-er Jahre  und dafür öffentlich vom Hl. Papst Johannes Paul II während  seiner Reise nach Managua 1983 getadelt. Cardenal wurde wegen seiner politischen Einstellung, die mit dem Priestertum unvereinbar war, a divinis suspendiert. Papst Franziskus hat diese Anordnung widerrufen, und so Cardenal ermöglicht, im letzten Abschnitt seines Lebens wieder die Messe zu zelebrieren.

2014 tat Papst Franziskus das selbe mit Miguel D´Ernesto Brockmann, einem anderen Minister der Sandinistischen Regierung. D´Escoto war aus den selben Gründen a divinis suspendiert worden.
Auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere wurde er zu den Vereinten Nationen versetzt.

Papst Franziskus hat auch der Eröffnung des Seligsprechungsverfahrens für Dom Helder Camara, den brasilianischen Bischof, Champion der Befreiungstheologie zugestimmt. Camara ist auch dafür bekannt, daß er an Gesichtspunkten festhielt, die in offenem Widerpruch zur Kirchenlehre über Abtreibung,  Scheidung und Empfängnisverhütung stand.

Diese drei Personen scheinen in Opposition zu Papst Franziskus zu stehen. Papst Franziskus´ Entscheidungen ihnen gegenüber scheinen fast eine bipolare Persönlichkeit zu enthüllen. 
Als Papst Franziskus in den 1970-er Jahren Jesuiten-Provinzial in Argentinien war, kritisierte er die Befreiungstheologie und stieß mit Pater Pedro Arrupe, dem General der Jesuiten, zusammen, der sie stattdessen unterstützte.

Sogar heute ist Papst Franziskus kein progressiver Papst. Er hat keine substantiellen Veränderungen der Lehre eingeführt, Er hat nur einige kleine pragmatische Verschiebungen vorgezogen. Die Wahrnehmung, daß wir vor einem progressiven Papst stehen, ist am Ende nur ein Mythos.

Bei Themen der Doktrin ist Papst Franziskus ein sehr traditioneller Papst. Er ist traditionell und gleichzeitig pragmatisch,.So pragmatisch, daß seine Entscheidungen und Worte manchmal auf eine doktrinale Verschiebung hinzudeuten. Das ist nicht der Fall. Der Papst gibt praktische Antworten auf praktische Fragen,.

Und dennoch, seit er Papst geworden ist, hat er nicht aufgehört mit Empathie auf die Lateinamerikanische Welt zu blicken. Er hat versucht, den Volksbewegungen neuen Schwung zu geben und die drei Reden, die er vor  ihnen hielt, verkörpern vielleicht  sein ganzes politisches Denken. Er hat die Theologie des Volkes überarbeitet, - was eine Normalisierung der Befreiungstheologie darstellt -, indem er die Volksfrömmigkeit förderte, an die er glaubt. Er betrachtete aufmerksam die politischen Modelle Lateinamerikas und forderte eine Alternative zu einer Wirtschaft, die tötet.




Das zentrale Thema dieser Veränderungen ist weder eine Änderung der Lehre noch eine Kirche, die sich endlich der sozialistischen und linken Denkweise anschließt und für die Welt offen ist, wie sie einige Narrative nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorgeschlagen haben.

Das zentrale Thema des Pontifikats von Papst Franziskus ist stattdessen die Versöhnung Lateinamerikas. Diese Versöhnung geht durch diese verschiedenen Gesten. Querida Amazonia, die postsynodale Exhortation für die Sondersynode der Panamazonas-Region stellt die richtigen "Linsen zur Verfügung, um zu verstehen, daß das Thema vor allem Lateinamerika ist". 

Querida Amazonia hat viele Erwartungen geweckt. Viele haben auf Veränderungen der Lehre gewartet, besonders was den Zölibat betrifft. Nach der Veröffentlichung der Exhortation gibt es eine Überzeugung, die weiterhin darauf hofft und behauptet, daß weil der Papst den Zölibat im Text nicht erwähnt, die Diskussion weiterhin offen ist.

In Querida Amazonia hat Papst Franziskus seine Träume für Amazonien und Lateinamerika präsentiert. Diese Träume sind die Grundlage seines Denkens. Diese Träume betreffen einen vereinten lateinamerikanischen Kontinent, der endlich in der Lage ist, ein Bezugsubnkt für die Welt zu sein. 

Im Hintergrund denkt Papst Franziskus Folgendes: wenn Lateinamerika vereint wäre, würden
sein Reichtum. seine Volksfrömmigkeit, seine Ressourcen endlich ein Patria Grand (Großes Vaterland) werden und so wäre es nicht länger Geisel der Völker des Reichtums, wie Paul VI sie in Populorum Progressio beschrieben hat.

Der Lateinamerikanische Kontinent hat oft versucht, seine Wunden zu heilen. Die politische Theologie war eine Art Palliativtherapie für ein System, die ein kräftiges Ungleichgewicht zwischen armen und reichen, einflußreichen und normalen Menschen schuf. Die Priester überschritten ihre Befugnisse betraten die politische Arena, wurden Minister und wurden daraufhin a divinis suspendiert.  Die Priester hatten unter den Armen gelebt,  hatten die Mächtigsten und die Institutionen angegriffen, um auf der Seite des Volkes zu stehen, und waren manchmal über ihre evangelische Mission hinausgegangen.

Allgemein wird gesagt, daß der Hl. Johannes Paul II und mit ihm Kardinal Joseph Ratzinger die Befreiungstheologie zensiert haben. Die Glaubenskongregation hat der Befreiungstheologie vorgeworfen, marxistische und politische Ideologien zu benutzen, die im Gegensatz zum Christentum stehen. Das Hauptziel war dabei, Christus und nicht politische Ideologien in den Mittelpunkt zu stellen. 

Kardinal Jorge Mario Bergoglio hat diese Sichtweise 2007 als Berichterstatter bei der CELAM-Konferenz in Aparecida geteilt. Das Thema der Konferenz war "Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unserer Völker das Leben haben" Benedikt XVI fügte nicht zufällig dem Thema
ein "in IHM" hinzu, und stellte Jesus Christus ins Zentrum der Diskussion.

Als Papst Franziskus zum Papst gewählt wurde, wußte er, daß die lateinamerikanischen Narben geheilt werden mussten. Es hatte so viel Propaganda um die Suspendierungen a divinis 
der sandinistischen Priester gegeben. Diese Propaganda löste eine Spaltung unter den Menschen aus, die nicht verstanden, warum ein Priester, der dem Volk nahe stand, suspendiert werden sollte.

Papst Franziskus wußte, daß er Versöhnungsgesten brauchte, um nach dem Traum vom Patria Grande zu greifen. Aus diesem Grund betrachtete er die politischen Erfahrungen der Vergangenheit als „verjährt“ und beschloss, barmherzig zu sein. Er hat es nicht getan, weil er den von Cardenal, D'Escoto oder Camara gepflasterten Weg teilt. Er tat es, weil das Endziel darin besteht, einem Kontinent, der immer an den Rand gedrängt wurde, eine neue Würde zu verleihen.

Am Ende kann das gesamte Pontifikat von Papst Franziskus als Rehabilitation der Lateinamerikanischen Welt betrachtet werden, Am Beginn seines Pontifik
ates
sagte Papst Franziskus "man kann das Zentrum von der Peripherei aus klarer sehen". 

Man kann das Pontifikat von Papst Franziskus kann schließlich als Hand interpretiert werden, die der progressiven Theologie ausgestreckt wird, die üblicherweise im Gegensatz zu Rom stand. Ein Beispiel dafür ist die Zusammenarbeit von Papst Franziskus mit dem Befreiungstheologen Leonardo Boff bei der Abfassung der Enzyklika Laudato Si´. 

Wenn wir die Lateinamerikanische Perspektive vernachlässigen, scheinen sich viele Dinge zu widersprechen. Es wird oft gesagt, daß es Papst Franziskus an Visionen fehlt. Tatsächlich fehlt es Papst Franziskus an institutionellen Perspektiven und das hat einige Probleme verursacht, z.B. die Handhabung der Kurien-Reform oder der Reaktionen auf Amoris Laetitia. Papst Franziskus hat jedoch wirklich eine Vision. 

Quelle: Monday in the Vatican, A. Gagliarducci 

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