Sandro Magister veröffentlicht bei Settimo Cielo den ihm der Neutestamentler Professor Lugaresi zum Thema Lage der Christen in der Coronavirus-Krise geschrieben hat.
Hier geht´s zum Original: klicken
"VON ANGESICHT ZU ANGESICHT MIT DEM TOD. WIE VERKÜNDET MAN DIE BOTSCHAFT DIE DIE WELT NICHT HÖREN WILL?"
"Veröffentlicht wie erhalten. Professor Leonardo Lugaresi ist Neutestamentler und Patristiker, der von den Lesern von Settimo Cielo hochgeschätzt wird, die am Ende dieses Briefes links zu allen seinen vorherigen Beiträgen finden können..
Lieber Magister,
Der Brief des französischen Priesters, der über den "mittelalterlichen" Zorn spottet, den er Professor Pietro De Marco zuspricht und der den Lektionen seines "modernen" Christentums (die Religion ist kein Platz um seine Ängste weiterzugeben) widerspricht- erfaßt unfreiwillig den Kern des Problems. und- fürchte ich- gänzlich ohne die Kenntnisse des Autors.
Die Welt ist heutzutage fest im Griff der Todesangst. Die Covid-19-Pandemie, die jedermann terrorisiert, ist nicht die führende Todesursache und wird es wahrscheinlich auch in Zukunft nicht sein, trotz der befürchteten Entwicklung,.
Auf unserem Planeten sterben mehr Menschen aus tausend anderen Gründen, jedes Jahr zig Millionen. Das erschreckt uns nicht, weil das sozusagen der Tod anderer ist, [...]
Der Tod durch das Coronavirus dagegen ist unser Tod, Der eine, der jederzeit und trotz aller Vorsicht Sie und mich treffen kann. Das unsichtbare und allgegenwärtige Virus bringt die universale Möglichkeit der dauernden Nähe meines Todes mit sich, Das ist genau das, was die Moderne versucht hat, auf Dauer von ihrem Horizont zu verbannen.
Was für uns Moderne unerträglich ist, ist die Tatsache des Zustands einer erheblichen Wehrlosigkeit, in dem wir uns über Nacht wiedergefunden haben. Die instinktive und allgemeine Verwendung der Metapher des Krieges zur Darstellung der aktuellen Lage der Menschheit verrät auch unser unbewußtes Bedürfnis Waffen zur Hand zu haben. Die wir wahrscheinlich haben werden, vielleicht in naher Zukunft - aber nicht jetzt.
Dieser Zustand jedoch - so sehr er von der Moderne verabscheut wird- gehört essentiell zum menschlichen Leben mit seiner Beziehung zum Tod- und das muß gesagt werden.
Der Punkt- heute, gestern und immer, ist daß der Mensch angesichts des Todes wehrlos ist, zuerst weil er unfähig ist, daram zu denken- an den Tod. Die La Rochefoucauld zugeschriebene Maxime "Es gibt zwei Sachen, die man nicht direkt anschauen kann: die Sonne und den Tod." entspricht so sehr dem elementar Offensichtlichen, daß es jedermann zu jeder Zeit hätte formulieren können.
Der Tod ist in sich selbst undenkbar. Man kann natürlich unendlich darum herum denken (von der Idee, daß er uns überhaupt nicht betrifft, weil wenn er kommt,. wir nicht mehr da sind und umgekehrt bis zu der, daß unser Sein in der Welt als ein Sein-zum Tode ist, etc. etc.) aber der Tod kann nicht gedacht werden. Und in diesem Zusammenbruch des menschlichen Denkens versagt das moderne Subjekt. Aus diesem Grund kann er ihn in seinem Horizont nur als den Tod der anderen zulassen.
Hat die Kirche ein Wort über den Tod zu sagen? Ja, das hat sie und sie ist die einzige, die daran festhält, weil sie es von Christus empfangen hat, der der Einzige ist, der darüber sprechen kann, weil er der Einzige ist, der weiß was Tod ist- indem er ihn erlitten und besiegt hat.
Aber diese einzigartige Wort ist auch ein hartes Wort, das die Welt die hören will. Paulus hat das so formuliert: "keiner von uns lebt für sich selbst und keiner stirbt für sich selbst , weil wenn wir leben wir für den Herrn leben und wenn wir sterben, wir für den Herrn sterben. Ob wir leben oder sterben- sind wir deshalb des Herrn (Röm 14,7-8)
Wir sind des Herrn, hier ist alles, was man wissen muß. um zu leben und zu sterben und das Virus , das uns so sehr ängstigt. widerlegt das nicht sondern macht die buchstäbliche Wahrheit dieser Feststellung, die der Dreh-und Angelpunkt des ganzen Christlichen Lebens ist- nur umso stringenter.
Wir können sogar vor Angst erschöpft sein und keinen ersichtlichen psychologischen Trost vom Glauben finden, von den Frömmigkeitsübungen, den Worten und Handlungen der Kirche, aber alles das lenkt nicht von der Objektivität der Tatsache ab, daß "wir des Herrn sind."
Vielleicht sollten wir- um den Sinn dieser Feststellung noch klarer zu machen, kyrios mit "Meister" übersetzen, "wir sind des Meisters" , d.h. wir gehören zu einem Anderen, wir gehören nicht uns selbst. Bis zu dem Ausmaß, daß wenn unser Bewußtsein an dieser Realität festhält, die Angst zurück geht und aufhört entscheidend zu sein. Sie wird bleiben, aber wie eine instinktive Reaktion des Fleisches, das nicht untergehen will, wird sie sozusagen aus der Seele heraus bleiben. Die Angst wird bleiben, aber die Qual nicht mehr.
In diesem Sinn glaube ich, daß ich die Sorge von Prof. De Marco über den aktuellen Mangel an öffentlicher Gegenwart der Kirche "mater et magistra" teile, die ihrer universalen Mutterscchaft und ihrem Lehramt gerecht werden würde. Aber ich habe auch den Eindruck, daß in den vergangenen Wochen, trotz der anfänglichen Niederlage, zumindest aus der sichtbaren institutionellen Kirche ein unsichtbarer Strom von Gnadengaben ausgegangen ist- in die geheimnisvolle Tiefe vieler Herzen, die uns überraschen würde, wenn wir sie messen könnten.
Dies ist wirklich das Große Fasten und wer weiß, welche "mirabilia Dei" vollendet werden, ohne daß wir es bemerken.
Aber da ist mehr, die Wehrlosigkeit, die dem modernen Menschen so unerträglich ist, stellt bei näherer Betrachtung die normale Lebensbedingung des Christen dar, und das Akzeptieren dieser Bedingung ist die Voraussetzung für das Zeugnis, d.h. das Martyrium, das der Christ der Welt gibt,
Um die Worte des Hl. Paulus zu benutzen "Was kann uns von der Liebe Christi trennen? Vielleicht Drangsal, Qual, Verfolgung, Hunger, Nacktheit, Gefahr, das Schwert?" (Röm 8:35)
Das Virus, das uns so sehr erschreckt tut nichts anderes, als dieser Liste etwas hinzuzufügen und sie endlich für jeden von uns konkret werden zu lassen- dieses mal ist keiner ausgeschlossen.
In den vergangenen Tagen bin ich zu einem Buch zurückgekehrt, das mir sehr lieb ist und das ein halbes Jahrhundert nach seinem Erscheinen zeitgemäßer erscheint denn je "Cordula" von Hans Urs von Balthasar, dem ich diese erhellenden Sätze entnehme:
"Unmittelbar nach der Wohltätigkeit kommt die Freude. [...] Freude in der Wehrlosigkeit, eine Wehrlosigkeit ohne Sorge, in der eine mysteriöse Überlegenheit sichtbar wird. [...] Es gibt nichts´Negatives außer der Sünde, die jedoch im Herzen des Herrn getragen wird, Jedes Leiden, selbst die dunkelste Nacht des Kreuzes ist immer in eine Freude eingebunden, die vielleicht nicht gefühlt wird, sondern im Glauben bestätigt und gewußt wird. [...]
Der Tod gibt dem Leben Form. Das war vor dem guten Schächer nicht bekannt, aber nach ihm wird es bekannt und wird bis zum Ende der Welt gewußt werden. Hat das Christentum also die einmalige Möglichkeit dem Leben auf der Grundlage seiner finalen Form Form zu geben? [...]
Was wichtig ist, ist die Wehrlosigkeit. [...] die wehrlose Aussetzung der Kirche vor der Welt."
Aus diesem Grund. glaube ich, daß heute mehr denn je die Gegenwart der Christlichen Minderheit in einer Nichtchristlichen Welt wieder die eine Märtyrerhafte sein wird- gegenüber der Feindseligkeit der "Feinde des Kreuzes Chrsiti" (Phil. 3, 18) Aus diesem Grund fürchte ich, daß ich anderer Meinung bin als Professor De Marco, da wo er der Ideologie einer Kirche als prophetische Minderheit" zu widersprechen scheint, die er - ich weiß nicht warum- "eine unvermeidbare Utopie"für das Konzept der Ecclesia militans nennt.
Wir meinen wahrscheinlich zwei unterschiedliche Dinge mit dem Ausdruck "prophetische Minderheit". Ich würde es vorziehen, "kritische Minderheit" zu sagen mit Bezug auf die "krisis", das Christliche Urteil über die Dinge der Welt, das Gut von Böse unterscheidet und behält, was gut ist, und seinen richtigen Gebrauch lehrt. Aber seine Feststellung, daß "die wahre prophetische biblische Minderheit eine Realität in der Dialektik mit dem Volk Gottes ist, die sich auf die Ökumene erstreckt" macht mich in zweierlei Hinsicht ratlos.
Das Erste bezieht sich auf die Tatsache, daß am Anfang die Kirche (s,. das Petrinische Kerygma on APG 2, 14 ff) als Erfüllung des Versprechens des
Der erste bezieht sich auf die Tatsache, dass die Kirche von Anfang an (siehe Petrinisches Kerygma in Apostelgeschichte 2:14 ff.) Als Erfüllung des Versprechens der universellen Ausgießung des prophetischen Geistes im Zusammenhang mit dem Aufkommen der messianischen Zeit konstituiert ist. Petrus sagt, dass sich Joels Prophezeiung am Pfingsttag erfüllt und von diesem Moment an alle Christen berufen sind, Propheten zu sein. Ich sehe also nicht, wie eine Dialektik zwischen einer „katholischen Ekklesiosphäre“ und einer „prophetischen Minderheit“ hergestellt werden kann. Wenn eine prophetische Minderheit oder eine, die behauptet, eine solche zu sein, sich selbst als „Sekte“ betrachtet, stellt sie sich ipso facto außerhalb der Kirche, sogar vor oder ohne Verurteilung durch die Behörde. Dass dies immer ein drohendes Risiko ist, ist leider wahr, und das traurige Gleichnis, das so viele neue Stiftungen und neue Charismen, die von Skandalen überwältigt wurden, in den letzten Jahren erlebt oder aufgedeckt haben, ist da, um dies zu beweisen. Wenn De Marco auf diese Gefahr hinweisen wollte, stimme ich voll und ganz zu. Es bleibt jedoch die Tatsache, dass die Kirche per Definition vollständig und immer prophetisch ist.
Der andere Aspekt, zu dem ich Vorbehalte habe, ist das Bild einer "Catholica", die möglicherweise aus der Mehrheit von Männern besteht (in Übereinstimmung mit der "Missio"), die in der Gemeinschaft des mystischen Körpers zusammengehalten wird, worüber De Marco spricht. Ein Bild, das- seien wir klar- theologisch immer wahr ist, selbst wenn es 120 Christen auf der ganzen Welt wären (wie in Apostelgeschichte 1:15 mit biblisch-symbolischen Zahlen, aber wahrscheinlich nach einer plausiblen Größenordnung gerechnet wird) ) und selbst wenn wir wieder so wenige werden sollten. Aber ein Bild, das historisch und soziologisch unter den gegenwärtigen Umständen immer weniger plausibel ist.
Aus menschlicher Sicht werden die Christen in naher Zukunft in einer immer weniger christlichen Welt immer weniger sein. Es ist daher meines Erachtens von wesentlicher Bedeutung, sich selbst als Minderheit und „kreative Minderheit“ zu erkennen und zu verstehen, ein Ausdruck, der auch von Benedikt XVI verwendet wird, damit wir das auf eine nicht unrealistische Weise tun können, woran De Marco am Ende seines Beitrags zu Recht erinnert :"Mitverantwortlich für die unendliche Zahl gewöhnlicher Menschen und in erster Linie für die Getauften" zu sein und dafür zu ihnen die Worte zu sprechen, die wirklich gebraucht werden, was "jene der uralten heiligen Geschichte" bedeuten und nicht jene einer "stolz im Mythos der Zukunft begründeten Utopie des noch nicht Existenten, das allein Sinn gibt, die schnell erschöpft und elend sind."
Mit herzlichen Grüßen
Leonardo Lugaresi
Quelle: Settimo Cielo, S. Magister, Prof. Lugaresi
Ich habe keine Angst. Es ist erfrischend, nicht mehr die Gottlosen im Nacken zu haben. Im Verkehr, an der Supermarktkasse, oder sonstwo. Die gegenwärtige Situation hat sie ausgeschaltet. Ich konnte zuletzt nicht mehr die Haustür verlassen, ohne umgehend auf fluchend, drängelnd, anrempelnd angreifende Personen zu treffen.
AntwortenLöschenEs ist darüberhinaus überaus beruhigend, das ganze als einen eschatologischen Ablauf zu sehen. Würden diese Zeichen nicht auftreten, wäre es zum verzweifeln.