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Mittwoch, 3. Juni 2020

Fr. Hunwicke spricht

bei liturgicalnotes wieder einmal über Übersetzungs- und Datierungsprobleme kirchlicher Texte, Gebete oder Ausdrücke- hochgelehrt wie immer.
Hier geht´s zum Original: klicken

"MEHR LICHT AUF "SUB TUUM PRAESIDIUM" 

"Eines unserer Probleme beim Studium der Vergangenheit besteht darin, daß die Vertreter der verschiedenen Disziplinen oft nicht miteinander reden.
Und so stellen sie bei der Betrachtung ein- und desselben Textes oder Gegenstandes vielfach unterschiedliche Fragen. So ist es auch bei dem christlichen Papyrus mit dem Gebet zu Unserer Lieben Frau, das gewöhnlich als „Sub tuum praesidium“ angesprochen wird.
Wer sich für die Geschichte der Dogmen interessiert, wird andere Fragen stellen als der Paläograph, der sich für die Schriftentwicklung interessiert. Und deshalb wird ein Redakteur, der als unterwürfiger und folgsamer Diener des liberalen Dogmas entsetzt darüber ist, wenn der Begriff "theotokos", Gottesmutter, auf einem frühen Textstück auftaucht, sein Interesse auf andere Gegenstände richtet als ein Paläograph, der einfach nur auf die Schriftformen schaut. Ganzheitliche Studien ein- und desselben Textes sind seltener, als Sie oder ich hoffen würden.

Selbstverständlich ergibt die Datierung eines Papyrus nur das letztmögliche Datum für die Entstehung des Textes, der darauf enthalten ist.  Der Text kann schon tausend Jahre früher entstanden sein, bevor jemand diese ganz bestimmte Abschrift gemacht hat. Aus diesem Grund bedeutet es letztlich auch sehr wenig, wenn jemand (wie das tatsächlich geschehen ist) behauptet, daß das Papyrus 600 Jahre jünger wäre als bisher allgemein angenommen.
Worum handelt es sich nun bei diesem Papyrusblatt, von dem die meisten Autoren annehmen, daß es der älteste Text von Sub tuum Praesidium ist? Es ist zunächst einmal ein einzelnes Blatt – also weder ein Teil aus einer Schriftrolle noch eine herausgerissene Seite aus einem Buch.
Das Blatt enthält einen in sich geschlossenen Text vom Anfang bis zum Ende. Das sind keine Schlussworte eines verloren gegangenen vorausgehenden Abschnitts und keinerlei Anzeichen für den Beginn eines neuen, nun nicht mehr existierenden Abschnitts, auch keine zufällige Unterbrechung mittendrin. Es steht auch nichts auf der Rückseite – also bestimmt keine Buchseite.
Und zum zweiten – schauen Sie sich das Dokument mal auf ihrem Computer an (z.B. hier https://www.schola-sainte-cecile.com/wp-content/2011/01/PapyrusSubTuumPraesidium.jpg).

Es war gefaltet. Man kann die Faltkante in der Mitte erkennen. Und an den symmetrischen Schadstellen der oberen und der unteren Hälfte ist zu sehen, wo das Stück abgenutzt worden ist.
Ich sage Ihnen, woran mich das Stück unwillkürlich erinnert: Ich habe in meiner Hosentasche einen gedruckten Fahrplan der Linie 35 von und nach Ortsmitte Oxford. Der ist gefaltet, und da ich ihn in der Hosentasche habe, wird er stark abgenutzt – ganz besonders an der Faltkante. Das wird dünn und löst sich auf. Alle ein, zwei Monat ersetze ich das Teil durch ein neues Stück. Und ich bin überzeugt, daß es mit diesem Papyrus genau so gegangen ist. Aber warum?
Die Papyrologen kennen einen ganz bestimmten Typ christlicher Papyrus-Texte, den sie als Amulett bezeichnen. Das sind geschriebene Gebetstexte, die man bei sich führt.
Und zum dritten: Kennen Sie diesen Text: „O Marie, concue sans peche, priez pour nous qui avons recours a vous"?  (O Maria, ohne Sünde empfangene, bitte für uns, die wir zu Dir Zuflucht nehmen). Ich wüßte gerne, wieviele von Ihnen das in ihrer Tasche oder an einer Kette an sich tragen. Haben Sie sich jemals gefragt, wie man "nous avons recour“ wohl im Koine-Griechisch des 3. Jahrhunderts ausgedrückt hätte?





Volltreffer! Mit einem Schlag eingelocht (wie unser jüngerer Sohn an jenem unvergesslichen Tag auf dem dritten Grün des Golfplatzes Parknasilla in Kerry gemacht hat!) Ich wußte doch, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Katapheugomen – das vierte Wort auf dem Papyros.
Also, wenn Sie Ihre Wundertätige Medaille mit sich tragen, deren Inschrift sich auf die unbefleckte Reinheit Mariens bezieht und wenn sie Zuflucht zu ihrer Hilfe nehmen, stehen Sie in der direkten Tradition des ersten Besitzers jenes Papyrus, das nun in der John Rylands Bibliothek von Manchester liegt. Und all jener Christen und Christinnen schon vorher, deren Exemplare die Wechselfälle der Geschichte nicht überlebt haben und deren Namen wir wohl niemals kennen werden.
[Subversive Fußnote: Da gibt es doch in Amerika dieses Bibel-Museum, das von einer reichen evangelikalen Familie Green gestiftet worden ist (→ https://www.nationalgeographic.com/history/2020/03/museum-of-the-bible-dead-sea-scrolls-forgeries/). Was hätten die wohl gemacht, wenn man ihnen dieses interessante Papyrus zum Kauf angeboten hätte...]


Quelle: liturgicalnotes, Fr. J.Hunwicke

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