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Sonntag, 14. Juni 2020

Magister: Vatican Affären, das Glück hat sich gewendet....

Sandro Magister analysiert und kommentiert bei Settimo Cielo /I´Espresso den aktuellen Stand der Dinge um die Finanzreform des Vaticans.
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"VATICAN AFFÄREN. PELLS RACHE AM STAATSEKRETARIAT" 

"Am 5. Juni gab es Unruhe wegen der Verhaftung und Inhaftierung von Gianluigi Torzi im Vatican, des Finanziers, der beschuldigt wird, 2014 für den Kauf einer teuren Immobilie in London, der damals auch vom Staatssekretariat unterstützt wurde, 15 Millionen €, die größtenteils aus dem Peters-Pfennig stammten, erpreßt zu haben.

Die Untersuchungen befinden sich noch in der Anfangsphase und der Prozessbeginn ist noch nicht festgelegt. Aber an der Spitze der Kurie im Vatican hat der Krieg schon begonnen. Der stellvertretende Staatssekretär Edgar Pena Parra ist im Visier eines der Verdächtigen, Mauro Carlino, der seinerseits der Sekretär des vorherigen Stellvertreters, Giovanni Angelo Becciu, war und jetzt Kardinalpräfekt der Heiligsprechungskongregation ist. Und Becciu, der 2014 den Startschuss für die Operation gab, wurde von seinem damaligen direkten Vorgesetzten, dem Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, kritisiert, während Alberto Perlasca, ein weiterer hochrangiger Verdächtiger, Parolin beschuldigt, die Operation ebenfalls genehmigt zu haben.

Alles deutet darauf hin, daß der Prozess niemanden verschonen wird. Und um in Zukunft andere derartige Katastrophen zu verhindern, die durch außer Kontrolle geratene Operationen und inkompetente und unzuverlässige Ausführende verursacht wurden, wurde am 1. Juni im Vatikan eine strenge Verschärfung der Regeln für öffentliche Aufträge verabschiedet, die vom Heiligen Stuhl vergebene öffentliche Aufträge - einschließlich Immobilien - betrifft, ein klarer Hinweis auf die Londoner Operation.

Der Eckstein dieser Reform der Vaticanregeln ist die Zentralisierung der Vertragsvergabe, bisher  ausschließlich unter der Jurisdiktion der APSA  (der Verwaltung des Erbes des Apostolischen Stuhls) oder des Governatoratos des Vatican-Staates und die Zugangsbeschränkung auf eine einzige Liste von Anbietern, deren absolute Korrektheit zertifiziert sein muß. Alles unter der Aufsicht des Wirtschaftssekretariates und des Generalrevisors.

Die Neuorganisation und Konzentrierung der Macht angesichts einer unzulänglichen Verwaltung, deren Scheitern seit langem für alle sichtbar war, wurde im Vatican von einem einhelligen Beifalls-
Chor begrüßt, obwohl nicht bekannt ist, wie ehrlich der war.




Was geschehen ist, ist die Anwendung der selben Reform, die zu Beginn des aktuellen Pontifikates von Kardinal Pell mutig begonnen wurde, den der Papst 2014 zum Präfekten des neugeschaffenen Wirtschaftsekretariates ernannt hatte, der sofort Widerstand geleistet und die dann komplett auf den Kopf gestellt wurde - vom Staatssekretariat und seinen Leitern und Mitarbeitern, gegen die jetzt ermittelt wird.

Pell verließ Rom 2017 in Richtung Australien, wo er mit Vorwürfen wegen sexuellen Mißbrauchs bombardiert wurde, die in einer 6-jährigen Haftstrafe mündeten, die vom Revisiongerichtshof bestätigt, aber schließlich am 7. April, dem Dienstag der Karwoche vom Obersten Australischen Gerichtshof komplett verworfen wurde - mit der Freilassung des unschuldigen Kardinals. 

Aber 2017 waren die von Pell im Vatican begonnenen Reformen bereits fast völlig demoliert. Und nicht nur das, im Juni diesen Jahres war auch der Wirtschaftsprüfer Libero Milone auf brutale Weise entlassen worden, der drei Monate später in einem gemeinsamen Interview mit dem Corriere della Sera, dem Wall Street Journal, Reuters und Sky-TV als Ausführenden im Staatssekretariat keinen anderen als Becciu benannte, der mehr als alle anderen seinen Hinauswurf wollte und es sich auch nicht nehmen ließ, sich über das Schweigen des Papstes zu beklagen, der sich bereits seit dem Frühjahr des vorher gegangenen Jahres weigerte, ihn zu empfangen oder auf eine seiner Bitten um ein Treffen zu antworten.

De facto war es kein Geheimnis, daß Franziskus, kurz nachdem er Pell dazu berufen hatte, die Vatican-Finanzen in Ordnung zu bringen, eine Kehrtwende gemacht hatte.

Anfänglich hatte der Papst den australischen Kardinal mit der Zentralisierung der Vermögenswerte aller Kurienämter beauftragt, einschließlich der großen Summen, die nie in den öffentlichen Bilanzen des Hl.Stuhls auftauchten und vom allmächtigen Staatsekretariat verwaltet wurden, dem sogar die APSA, der Geldschrank der Vatican-Ressourcen und Immobilien, gehorchte.

Und Pell hatte sich nicht für Samthandschuhe entschieden.  Sofort gab er öffentlich den Betrag der nicht ausgewiesenen Mittel bekannt, die sich im Besitz des Staatssekretariats und anderer vatikanischer Ämter befanden. 1,4 Milliarden Dollar, über die er offensichtlich die Kontrolle beanspruchte, und stellte die Aufnahme der APSA in sein eigenes Sekretariat als unmittelbar bevorstehend dar.

Soweit ist er nie gekommen.In aller Stille hatten die Machtzentren eine Wagenburg gebildet und Pell belagert und dann den Gegenangriff gestartet. Und der Papst hörte ihnen zu und stellte sich immer mehr auf ihre Seite anstatt auf die des australischen Kardinals. Und Staatssekretär Parolin, den Franziskus inzwischen in seinen 8-Kardinäle-Rat zur Unterstützung der Leitung der Kurie und der Kirche berufen hatte, zog die Fäden des Gegenangriffs. 


Jetzt aber hat sich das Glück gewendet. Kardinal Pell erlangte während der Ostertage seine Freiheit wieder, und hatte jetzt sein Pfingsten durch die Veröffentlichung der neuen Vatican-Richtlinien zur Auftragsvergabe am Vorabend dieses Festes, die schließlich alle mit seinen so bekämpften Reformen übereinstimmen.


Während das Staatsekretariat jetzt im Fadenkreuz einer Untersuchung steht, die bereits einige Mitarbeiter der mittleren Ränge gestürzt hat, die aber morgen auch die Spitzenkräfte von heute und gestern treffen könnte - nachdem ihr Ruf hinsichtlich eines zukünftigen Konklaves bereits getrübt wurde. 


Was Franziskus angeht, so hat er mit der Zeit Schritt gehalten - und während der Pressekonferenz auf dem Rückflug von Japan- aus eigener Initiative die Verurteilung der Männer des Staatssekretariates, die in den Kauf der Londoner Immobilie verwickelt waren, wegen Korruption vorweggenommen, 


Geht man zum 26. Dezember 2018 zurück - den Höhepunkt der Weihnachtsfeiern- entdeckt man, daß der Gast des Papstes in Santa Marta - zusammen mit seiner Familie - kein anderer war als Gianluigi Torzi, der jetzt hinter den Gittern einer Zelle der päpstlichen Gendarmerie sitzt."


Quelle: Settimo Cielo, S. Magister


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