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Mittwoch, 22. Juli 2020

Peter Seewald- ein Interview

Dr. Jan Bentz hat Peter Seewald für "Inside the Vatican" über seine Papstbiographie "Benedikt XVI. Ein Leben" interviewt, die im November 2020 in englischer Sprache erscheinen wird.
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"SEINE BESCHEIDENHEIT, SEINE DEMUT"
Christozentrik, Wiederstarkung der Kirche, Erkennen der Schönheit der Lateinischen Messe" damit hat Benedikt XVI "den Weg der Kirche in die Zukunft bereitet". Interview mit Peter Seewald, Biograph des Papa emeritus Benedikt XVI.
Von Dr. Jan Bentz

Peter Seewalds monumentale neue Biographie von Benedikt XVI  ist eine Hommage an eine unvergleichliche Persönlichkeit und einen Papst, der einen bleibenden Eindruck in der Kirche hinterlassen hat. Inside the Vatican hatte die Gelegenheit, Seewald über sein letztes Gespräch mit Benedikt XVI und die kolossale Aufgabe seine Biographie zu schreiben, zu interviewen.

Inside the Vatican: "Herr Seewald, Ihr neues Buch ist ein ziemlich "heftiger" Band - wie lange haben sie daran gearbeitet?"

Peter Seewald: "Ich habe 2012 mit der Arbeit begonnen, als Benedikt XVI noch Papst war. Es war mir wichtig, das Leben Joseph Ratzingers im historischen Kontext zu zeigen. Ich kann sagen, daß ich ungefähr 5 Jahre daran gearbeitet habe."

"Welche Quellen haben Sie zur Sammlung von Informationen benutzt?"

P.S.: "Meine Informationen beruhen auf Recherchen in Archiven und Büchern und Interviews mit rund 100 Zeugen. Zusätzlich habe ich Informationen aus den Interviewbüchern benutzt, die ich zusammen mit Ratzinger als Kardinal, Papst und Emeritus gemacht habe.
- Last but not least konnte ich Benedikt XVI selbst in zahllosen Sitzungen zu biographischen Informationen fragen, besonders um seinen Rücktritt zu verstehen."

"Haben Sie für die letzten Zusätze mit Benedikt gesprochen?" 

P.S. : "Nein, mein Buch ist keine autorisierte sondern eine unabhängige Biographie. Aber ich habe dem Papa emeritus vor der Veröffentlichung einige Kapitel zu lesen gegeben. Ich wollte seine Meinung hören. Er hat mir gegenüber betont, daß die Passage über die Enzyklika "Mit brennender Sorge" beonders eindrucksvoll ist. Er schrieb mir: "Das ist ein außerordentliches Kapitel mit spezifischen Informationen über den historischen Kontext und ihren Platz in meinem Leben und schließlich die umfassende Bedeutung für die verfolgte Kirche."
Ob ihm alle Kapitel gefallen haben, kann ich nicht sagen. Mein Ziel war es, Zugang zu einem für die Kirche unersetzlichen Werk zu ermöglichen und den Leser auf eine Reise mit historischer und spiritueller Bedeutung mitzunehmen. Das Erbe Benedikts XVI betrifft nicht die Vergangenheit sondern die Zukunft. Man wird in der Lehre Ratzingers, die aus einer sehr breiten Erfahrung und sehr tiefen Geistigkeit stammt, Hinweise auf die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft entdecken."





"Wie waren sein körperlicher Zustand und seine Gesundheit bei Ihrem letzten Besuch bei ihm?"

P.S.: "Am Ende war er körperlich sehr zerbrechlich. Er hatte Schwierigkeiten beim Sprechen, aber sein Geist was hellwach und sein phänomenales Gedächtnis hat ihn nicht verlassen. Ich fand es bemerkenswert, daß er während meiner letzten Fragen zögerte und sagte"darauf zu antworten würde unzweifelhaft eine Einmischung in die Arbeit des jetzigen Papstes als ein "Schattenpapst" sein. "
Benedikt XVI hat de facto immer sorgfältig darauf geachtet, daß es keinen Grund für solche Vorwürfe gibt. Er hat wörtlich bekräftigt "Meine persönliche Freundschaft mit Papst Franziskus ist nicht nur geblieben sondern ist beständig größer geworden."

"Was sollten wir vor allem mit Benedikt XVI verbinden? "

P.S.:"Ratzingers Theologie war schon früh voll entwickelt, so daß er sie nicht mehr verändern sondern nur noch entfalten mußte, "Mein Hauptimpuls war" so erklärte er in einem unserer Interviews "unter allen Verkrustungen den Kern des Glaubens zu zeigen und diesem Kern neue Stärke und Dynamik zu geben." Dieser Impuls war ein konstantes Element seines Lebens. Er hat nie daran gearbeitet, eine eigene Lehre zu entwickeln. Wie seine Theologenkollegen -wie Henri de Lubac-sah er sich selbst als einen modernen, progressiven Theologen, der für eine Erneuerung des Glaubens kämpfte. Die Suche nach der Moderne, glaubte er, sollte nie dazu führen, das zeitlos Gültige zu verlassen. 
Ratzinger war maßgeblich am Modernisierungsschub des Konzils beteiligt, aber er war auch einer der Ersten, die vor einer Neuinterpretation dessen warnten, was das II, Vaticanische Konzil wirklich wollte.
Zusätzlich zu seinem Engagement für eine unverdorbene Liturgie, war der entscheidende Faktor für diesen Papst, sein Rückgriff auf die Kirchenväter und seine Beziehung zu Christus. Er hat das Phänomen Kirche und Christentum immer auf die Person Jesu bezogen.

Zusätzlich zur Wiederzulassung der Traditionellen Messe wurde sein Pontifikat vor allem von seiner Jesus-Trilogie geprägt. Keiner seiner Vorgänger auf dem Stuhl Petri hat gewagt, eine solche Aufgabe anzugehen und tatsächlich gab es keinen Passenderen dafür als Papst Benedikt. Seine Christologie war dringend nötig, angesichts der Zerstörung und Verfälschung des Bildes und der Botschaft Jesu."

"Was ist Ihrer Meinung nach die größte kreative Originalität der Theologie Ratzingers?" 

P.S. : "Ratzinger hat einen persönlichen Überblick historischer Erfahrung von Anfang des 20. Jahrhunderts in der Weimarer Republik bis zum Digitalen Zeitalter. Er kennt die Situation der Kirche in den verschiedenen Epochen: als eine "Volkskirche", als "verfolgte Kirche" in der Diktatur und als "Kirche der Krise", die wir zur Zeit erleben. Mit seinem Beitrag zur sozialen Diskussion, hat er sich früh den Herausforderungen der säkularisierten Welt gestellt. Schon am Ende der 1950-er Jahre bestand er darauf, daß die Kirche sich von der Welt lösen sollte (Entweltlichung), was ihn fast seine Karriere kostete. Er hatte aus der Nazi-Zeit gelernt: die Institution allein hat keinen Wert. wenn die Menschen in ihr nicht da sind. Die Aufgabe ist deshalb also nicht, sich mit der Welt zu verbinden, sondern den Glauben wieder von Innen heraus zu  stärken. Der Glaube wird in der Zukunft von einem Kern entschlossener Gläubigen abhängen, auf die sich andere verlassen können.

Ich war immer bewegt durch die Art, wie er versucht hat, die Synthese seines Denkens, Glaubens und Handelns in seinem persönlichen Tun zu leben. Vor allem hat er gezeigt, daß Glaube und Vernunft kein Gegensatz sind, sondern miteinander verbundene Stränge des Wissens. Ich denke, daß Ratzingers Schriften immer eine Botschaft enthalten, die- über das Vernünftige hinaus- immer etwas kommuniziert, das im Herzen wiederklingt.

Es war ihm wichtig, den persönlichen Gott zu zeigen, mit dem man eine persönliche Beziehung haben kann und muß, um in der Nachfolge Christi bleiben zu können. Seine Bescheidenheit, seine
Demut, seine Fähigkeit, komplizierte Dinge einfach auszudrücken, ohne ihnen ihre Substanz zu nehmen, seine Innigkeit im Dienen, die man fühlen kann, haben Millionen von Menschen inspiriert, sogar die, die der Kirche und dem Glauben zuvor distanziert gegenüber standen."

"Können Sie ein Detail oder eine Geschichte verraten, das Sie überrascht hat?"

P.S: "Ratzingers Biographie ist charakterisiert von Unterbrechungen und Prüfungen, in denen auch oft Scheitern lauerte- und dann wieder kam eine Wendung des Schicksals, die Ratzinger wie einen Phönix aus der Asche steigen sah. Er hat immer Dinge getan, die niemand vor ihm gewagt hatte, Nicht zuletzt durch seinen Rücktritt, durch den er den Weg für eine frische Kraft frei gemacht hat, Eines der Kapitel berichtet z.B. von Ratzingers unbekannten Gesundheitsproblemen und seine Erschöpfung nach dem Tod seiner Schwester. Vor allem war ich von seiner Bereitschaft, zu leiden,
überrascht. Es war nie rachsüchtig oder hegte einen Groll. Sogar seine härtesten Kritiker hat er nicht als Feinde beschrieben - sondern äußerstenfalls als "Nicht-Freunde".

Quelle: Insider the Vatican, Dr. J..Bentz



 

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