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Montag, 7. September 2020

Papst Franziskus- ein jesuitischer und lateinamerikanischer Papst

In seiner montäglichen Kolumne für Monday in the Vatican befaßt sich A. Gagliarducci heute mit den unbeendet gebliebenen Reformen von Papst Franziskus und erklärt diese- auch indem er auf einen Artikel des Papstvertrauten Pater A. Spadaro in "La Civiltà Cattolica"  Bezug nimmt.
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"PAPST FRANZISKUS UND DIE OFFENEN PROZESSE" 

"Ich stelle mir gern vor, daß die Synode nie zuende gegangen wäre. Diese Zeit des Willkommens und der Prozess, den wir durchlebt haben, fordert uns heraus, weiterhin zusammen zu gehen und diese Erfahrung in die Praxis umzusetzen" Das schreibt Papst Franziskus in einer persönlichen Notiz an das jesuiten-geführte Magazin "La Civiltà Cattolica". Der Herausgeber des Magazins,
Pater Antonio Spadaro hat einige Auszüge aus dieser unveröffentlichten Nachricht in einem Artikel veröffentlicht, der den Reformen von Papsr Franziskus gewidmet ist.

In seinem Artikel unterstreicht Pater Spadaro, wie Papst Franziskus zuallererst Jesuit ist. Aus diesem Grund denkt der Papst, der der jesuitischen Rationale folgt, nicht zuerst an Strukturreformen als das Wichtigste. Die Strukturreform folgt als eine Konsequenz der Umkehr des Gewissens und bringt Zeugnis für das Leben mit. Papst Franziskus hat keine Roadmap für Reformen. Er schaut statt dessen auf die Wirklichkeit und die Wahrnehmung. Fr. Spadaro erklärt, daß es für Jesuiten bei Wahnehmung nie um Ideen geht; es geht immer um greifbare Dinge. 

Ein Ergebnis dieser Unterscheidung ist  der offene Prozess. Papst Franziskus - erklärt Pater Spadaro- "erwägt sogar,ob es sich wirklich um Differenzierung gehandelt hat oder nur um einen Disput. Deshalb erwägt er, ob das Differenzieren zu einer wirklichen Entscheidung geführt hat oder nicht. Wenn die Bedingungen nicht stimmen,.fährt der Papst damit nicht fort, unabhängig von den Vorzügen der Vorschläge."

Pater Spadaros Erklärung liefert Stoff zum Nachdenken. Papst Franziskus hat am Ende Prozesse oft offen gelassen. Die Kurienreform scheint ein langer Prozess zu sein, der mit der erwarteten Promulgierung der neuen Pastoralen Konstitution nicht enden wird. Die Reform wird statt dessen ein fortwährender Prozess der Anpassungen sein und manchmal auch einen Schritt rückwärts machen.





Die Schlußfolgerungen aus der Familien-Synode sind auch Teil eines offenen Prozesses: die Exhortation Amoris Laetitia liefert am Ende keine Schlußfolgerungen sondern lädt zur Unterscheidung ein. 

Die Diskussion über die Diakonissen ist ebenfalls ein offen gebliebener Prozess. Papst Franziskus hat sogar vor kurzem eine zweite Kommission für das Thema beauftragt, nachdem er anscheinend die Tür für jede weitere Diskussion verschlossen hatte. Für Papst Franziskus ist es nicht wichtig, daß die Glaubenskongregation bereits zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Dokument erstellt hat. Es ist statt dessen wichtig, weiter über das Thema zu diskutieren und zu unterscheiden.

Ein anderer offener Prozess ist die Arbeit, die Papst Franziskus nach dem Schock über den sexuellen Mißbrauchsskandal in Chile angestoßen hat- der Papst hat zu den Bischöfen gesprochen, ihren kollektiven Rücktritt akzeptiert und ersetzt sie jetzt Schritt für Schritt, indem er nicht neue Bischöfe ernennt, sondern Apostolische Administratoren. Und auch der Prozess wurde offen gelassen, der zu einem- versprochenen aber nie veröffentlichten- Bericht über die causa McCarrick führen sollte.

Schaut man auf diese Fälle, kann man sehen, wie der Papst liebt, seine Entscheidungen zu treffen  und auch, daß der Papst Schritte zurück machen kann, weil zuerst die Unterscheidung kommt- egal wohin sie führt.

Der modus operandi von Papst Franziskus wird so durch das Differenzieren charakterisiert. Der Papst wendet sie auf alle Gebiete und Situationen an. Pater Spadaro sagt, daß Papst Franziskus ideologische Gesichtspunkte nicht mag, Es schätzt dagegen Ehrlichkeit.

In der Notiz, die er an La Civiltà Cattolica geschickt hat, stellt Papst Franziskus selber fest, daß diese Art zu denken die Exhortation Querida Amazonia stark beeinflußt hat. Papst Franziskus schreibt, daß die Synode zu einer umfassende Diskussion der viri probati geführt hat. Er sagte, daß die Saynode "de facto ein reiches, produktives und sogar notwendiges Parlament gewesen sei. Nichts anderes mehr als das." Dennoch stellt Papst Franziskus fest, daß eine Synode mehr ist als ein Parlament.

Pater Spadaros Rekonstruktion hält alle Stücke zusammen. Papst Franziskus ist ein zutiefst Ignatianischer Papst, der als Jesuit lebt, die ignatianischen spirituellen Exerzitien lebt und den Prozess der Veränderung der Herzen anstößt, der zu wahrer Umkehr führt.

Die Jesuitische Perspektive muß mit den Lateinamerikanischen Vision von Papst Franziskus kombiniert werden- das ist etwas, das Pater Spadaro nicht bemerkt. Pragmatisch und gleichgültig gegenüber jedem institutionellen Protokoll hat Papst Franziskus diesen auf Lateinamerika und eine Art Rechtfertigung der Lateinamerikanischen Völker gerichteten Gesichtspunkt fest im Blick behalten. 

Papst Franziskus ist letzten Endes ein jesuitischer und lateinamerikanischer Papst. Diese beiden Seelen können nicht getrennt werden. Als Jesuit betrachtet Papst Franziskus die Kirche als eine Institution, speziell eine spirituelle Institution.  Als Lateinamerikaner. schaut Papst Franziskus mit anderen, fast mißtrauischen Augen auf die Institution und arbeitet unermüdlich gegen den Sinn dieser Institution. Daher die Entscheidung des Papstes, daß Vaticanposten nicht länger als zwei Amtsperioden ausgeübt werden können.Papst Franziskus will, daß der Dienst beim Hl. Stuhl nur ein Dienst ist. keine Position, die man anstrebt. Diese Rationale riskiert jedoch den wahren Sinn des Hl. Stuhls als Institution zu untergraben und den Hl. Stuhl nur zu einem Ort erscheinen zu lassen,  an dem man vorübergehende Jobs übernimmt.

Am Ende geht es darum, daß es das erste Mal ist, daß wir vor einem jesuitischen und lateinamerikanischen Papst stehen. Papst Franziskus muß nach der Methode Versuch und Irrtum vorgehen. Seine Prinzipien sind klar, aber die Prinzipien können in der Praxis Probleme verursachen. Der Schirm, der beide Richtungen und die Realität abdecken sollte, kann dann zu klein sein.

Papst Franziskue herrscht, während Päpste im allegemeinen regieren. Papst Franziskus hat eine antiinstitutionelle Sicht auf seinen Job. während Päpste der Kirche eimem institutionellen Inhalt geben müssen und dem, was immer um die Kirche herum sein mag. Der Papst ist aufgerufen, eher
die Gemeinde im Glauben zu bestärken und Sicherheiten zu bieten, als Prozessse offen zu lassen. 

Aus allen diesen Gründen wird Papst Franziskus der Kirche ein Erbe vieler offener Prozesse und keinen Abschluss hinterlassen. Es hat keine wirkliche Roadmap für die Reformen gegeben. Papst Franziskus sagte, daß Reformen im Gehen gemacht werden müssen. Am Ende hatte die Strukturreform für Papst Franziskus keine Priorität. Er hat immer gesagt, daß die Umkehr der Herzen zuerst kommt.

Die Bekehrung der Herzen sollte dann zu einer Kirche führen, die die an den Rand gedrängten Völker rehabilitiert- angefangen mit denen in Latein-Amerika.  Papst Franziskus ist erfüllt von der  Vorstellung der großen lateinamerikanischen Heimat, die nicht untgerschäötzt werden darf.  Papst Franziskus hat die Kirche letztendlich einer ignatianischen Reform unterzogen, gemischt mit einem starken lateinamerikanischen Geist. Es ist nicht leicht, ihn zu interpretieren, weil es so etwas noch nie gegeben hat."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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