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Montag, 16. November 2020

Wer ist unser Nächster? Wer ist unser Bruder?

M. Tosatti hat bei Stilum Curiae die Überlegungen des Biblizisten Don Sandro Carbone zu den Begriffen "Nächster" und "Bruder" in der Bibel veröffentlicht.
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"WER IST DER NÄCHSTE, WER IST DER BRUDER IM EVANGELIUM. MEHR SEIN ALS TUN..." 

Liebe Freunde und Feinde von Stilum Curiae, wir müssen Don Sandro Carbone, von Herzen danken, der uns diese Überlegung  eines Biblisten zu den Worten "Nächster" und "Brüder", die in dieser Zeit sicher sehr häufig gebraucht werden und das, wie Sie nach der Analyse von Don Sandro sehen und verstehen werden, nicht selten unsinnig. Aber lesen wir diese kleine Dissertation. Gute Lektüre. 

                                                                    §§§

                                                       "NÄCHSTE UND BRÜDER "

Im hebräischen Alten Testament (AT) stimmen die Begriffe Nächster ( rea´) und Bruder (ách) praktisch überein,. Der Begriff Nächster bedeutet "der, der dir nahe steht" und ist insgesamt ein Mensch, mit dem man zu tun hat, ohne daß das eine nahe Verwandtschaft impliziert. Er kann der Nachbar sein (Es 11,2),der Nächste (Es 2,13, At 7,27), der Ähnliche (Pr 6,1) oder einfach nur der Andere. Sie alle leben aber im Inneten des Bundes mit JHWH. 

Auch das Liebesgebot "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst" (Lv 19,18) betrifft die Mitglieder des eigenen Volkes Gottes. Die Überlegung über den Fremden in Levithikus Kap. 19 wird erst am Ende der Rede hinzugefügt.

Bruder aber weist im gesamten AT immer und einfach nur auf ein Mitglied des Auserwähtlen Volkes hin, der Begriff "Nächster" dagegen, erfährt semantische Entwicklung vom universalen Typ, der seinen Mitmenschen im Allgemeinen und den Proselyten im Besonderen- d.h. jeden Menschen als mögliches Ziel einer Bekehrung betrifft, besonders in der LXX (der ältesten griechischen Übersetzung des Alten Testaments aus dem 3.Jahrhundert v. Chr.) 

Der Ausdruck "Bruder" bleibt dagegen strikt an die Grenzen des Bundes und die Zugehörigkeit zum auserwählten Volk gebunden. 

Das ändert sich auch im Neuen Testament (NT) nicht, das immer und einzig die Begriffe des AT (besonders durch die Akzeptanz der von der LXX angebotenen) ohne je ihre Bedeutung zu ändern- mit Ausnahme wenn sie direkt von Jesus vorgenommen wird. Die terminologische Treue der Hagiographen des NT und ebenso der Kirchenväter und der ersten sieben Ökumenischen Konzile, die sich in ihren dogmatischen Definitionen niemals erlauben, Begriffe zu benutzen, die nicht bereits in der Hl. Schrift enthalten sind. 

Jesus gestattet sich die Bedeutung dieser Begriffe ein bißchen zu verändern, beginnend mit Ihm selbst persönlich. Wer ist der Nächste im Gleichnis vom Guten Samariter? "Jener., der Mitleid mit ihm hatte"  liest man im Text von Lk 10,37. Jetzt wird der Ausdruck "jener,der Mitleid hatte..:" im Lukas-Evangelium nur benutzt, um die Nähe Jesu zu den Menschen darzustellen. Und was bedeutet in der Tradition der Evangelien der Begriff "Samariter"? Wieder Jesus (Jh. 8,48) - nur Jesus ist de facto in der Lage. die Hindernisse des jüdischen Rechts zu überwinden und dem armen Heiden entgegen zu gehen, der von Dämonen angegriffen und auf der Straße von Jerusalem nach Jericho halb tot liegen gelassen wurde. Er allein kann durch die Versöhnung, die er am Kreuz herbeigeführt hat, die Trennmauer zwischen den beiden Völkern niederreißen (vgl. Eph 2,14-18).

Zusammenfassend wird der Jünger jemandes Nächster, wenn er sich wie Jesus um ihn kümmert, im Sinne einer Nachahmung nicht nur der Handlung, sondern auch der Wirkungsweise, die wir in ihrer Komplexität hier nicht untersuchen, die aber immer den Versuch beinhaltet, eine Antwort des Glaubens oder des Selbstvertrauens zu finden. 

"Geh auch du und tu das selbe" (Lk 10, 37) was bedeutet, daß der Christ für jeden, auf den er auf seinem Weg stößt, wie Jesus sein muß. Dieser ist sein Nächster, der universaler Empfänger der Botschaft Jesu, deren Träger er ist.


Was den Begriff "Bruder" angeht, hat sich die Dynamik im Verhältnis zum AT nicht viel geändert. In der Tat bezieht sich der Terminus Bruder nur und immer auf die Mitglieder des Bundes. Wie wir schon im vorherigen Artikel bei Stilum Curiae (Dass alle eins seien) gesagt haben, bezeichent der Begriff fratello vor allem die Beziehung mit dem Leib Christi, in dem die Jünger des Reichs durch die Taufe und die Gabe des Hl. Geistes verbunden sind. 

Laut dem NT gibt es fundamentale Unterschiede zwischen dem Verhalten, die der Christ gegenüber dem Nächsten und gegenüber dem Bruder zeigen soll. 

Wenn er dem Bruder sagt, er solle sich nicht unter unbescheidene Brüder mischen, sondern "die Gottlosen aus seiner MItte nehmen" (1 Kor, 6,12) und daß dieser eine dem Satan übergeben wird, um sein Fleisch zu verderben, damit sein Geist am Tag des Herrn Erlösung erlangen kann."(1Kor. 5:5) heißt es jedoch vom Nächsten, , man müsse mit den Schamlosen, Gierigen und Götzendienern leben, "sonst müßte man die Welt verlassen!" (1Kor 6,10) um sich zu allem für alle zu machen," in der Hoffnung, einige zu retten" (1Kor, 9,22).

Wenn vom Nächsten gesagt wird, daß jeder auf der Grundlage des Zeugnisses seines eigenen Gewissens beurteilt wird, das ihn jetzt beschuldigt, spricht ihn jetzt Jesus Christus und das von den Aposteln gepredigte Evangelium frei (vgl. Röm 2,15) das von den Brüdern sagt: „Prüft euch selbst, ob ihr im Glauben seid, prüft euch selbst. Oder könnt ihr nicht erkennen, daß Jesus Christus in euch wohnt? Wenn nicht, dann habt ihr euch nicht bewährt. Ich hoffe, indes, daß wir nicht unbewährt sind " (2Kor 13,5), und daß die Kinder des Königreichs danach beurteilt werden, wie sie die Talente, die Christus ihnen gegeben hat, zurückbringen konnten (Mt 25,14-30), auf der Grundlage der Früchte, die sie hervorgebracht haben (Joh 15) , 8) und wie sie bis zum Ende bewahren konnten (vgl. Lk 21,19).

Wenn vom Verhalten gegenüber dem Nächsten gesagt wird, "euer gütige Wesen sollen alle Men schen erfahren" (Phil, 4,5) "weil die Traurigkeit der Welt den Tod produziet" (2Kor, 7,10) , sagt man vom Verhalten gegnüber dem Bruder "wir siud bereit, "wir sind bereit, jeden Ungehorsam zu bestrafen, sobald euer Gehorsam vollendet ist." (2 Kor, 10,6) "weil die Traurigkeit -laut Gott- Umkehr zum Heil ist, die man nicht bereuen muß." (2Kor 7,10). Deshalb muß ich euch gegenüber streng handeln, mit der Volmacht. doie Christus uns [Aposteln] gegeben hat- zum Aufbauen und zum Niederreißen." (vgl. 2Kor, 13,10)

Wenn vom Nächsren gesagt wird "liebe deinen Nächsten wie dich selbst" (Mk 12,31) - Grundgebot des alten Gesetzes und Grundlage der natürlichen und fleischlichen Liebe der Menschen als GEschöpfe Gottes (vgl. 1 Kor 2,13) heißt es bei den Brüdern "liebt einander, wie ich euch geliebt habe" (Jh. 13,34, Joh, 15,17) ein Gebot, das die Grundlage der innerkirchlichen Liebe zwischen den Mitgliedern, die den einen Leib Christi bilden, bildet. Jesus Christus ist der Erstgeborene aller Kreatur. Und er ist das Haupt des Leibes. d.h. der Kirche. Der Anfang, der Erstgeborene derer, die von den Toten auferstehen. ...(Kol. 1,16,18).

Wenn von den Brüdern gesagt wird, daß sie alle Glieder des Leibes Christi sind (1. Korinther 12,27 Jetzt bist du der Leib Christi und seine Glieder, jeder für seinen Teil), damit du eins in Christus bist, wie der Vater eins mit dem Sohn ist ( vgl. Joh 17,11), andererseits heißt es vom Nächsten: "Rettet euch vor dieser perversen Generation!" (Apostelgeschichte 2,40); "Lasst euch nicht an das fremde Joch der Ungläubigen binden!" (2Kor 6,14.17) und lebt in der Welt: "als Fremde und Pilger ... ist dein Verhalten unter den Heiden tadellos, so daß sie, während sie dich als Übeltäter verleumden, wenn sie deine guten Werke sehen, kommen, um Gott am Tag des Gerichts zu verherrlichen" ( 1Pt 2: 11-12; vgl. Heb 13:13).

Wenn wir diese Linie fortsetzen, die allen Schriften des NT  gemeinsam ist, können wir hinzufügen, daß es auch sozusagen eine horizontale Entwicklungsweise des Begriffs Bruder gibt. Während derjenige, der das Endobjekt der karitativ-missionarischen Aktion des Bruders ist, Nächster wird, kann er tatsächlich ein Bruder im Eschaton werden, dh in das Reich Gottes eintreten, als derjenige, der eine karitative Handlung an den geringsten Brüdern des Herrn vollzieht. Ein Heide wird der Nächster, wenn er sich von einem Bruder helfen lässt, wird aber ein Bruder im Königreich, wenn er einem Christen hilft. "Wer einem dieser kleinsten meiner Brüder ein Glas Wasser gibt, weil er mein Schüler ist, wird seinen Lohn nicht verlieren" (Mt 10,42).

Die "kleinsten Brüder" des Herrn, ein Begriff, der im Matthäusevangelium immer und nur die Jünger Jesu bezeichnet, sind tatsächlich diejenigen, die ständig verfolgt, diskriminiert, eingesperrt, krank, arm, nackt, hungrig und durstig sind (vgl. Mt 25). 31-46). Wer sie also empfängt und ihnen hilft, ist, als würde er Christus persönlich begrüßen, denn "Gott ... hat die Apostel an die letzte Stelle gesetzt, als ob sie zum Tode verurteilt wären" (1 Kor 3,9). Wenn Jesus sagt: "Wer nicht gegen uns ist, ist für uns" (Mk 10,40) und "wer dich begrüßt, heißt mich willkommen" (Mt 10,40), kann er noch mehr sagen, wer dir hilft, hilft mir (vgl. 25,45)

Um einen Menschen zum Nächsten zu machen, ist es notwendig, einen komplexen und anspruchsvollen Weg der Heilung und Befreiung zu beschreiten, in der Hoffnung, daß jemand auch ein Bruder wird, indem er nicht nur das wohltätige Werk des Jüngers, sondern vor allem das Wort Jesu, das er verkörpert, annimmt. Damit ein Heide bruder werden kann, genügt es daß er Jünger Jesu sich bei dem Kreuz helfen läßt, das er trägt, als von der Welt Verfolgter (haben sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen; Jh. 15,20) . Und zu diesem Zweck muss der wahre Jünger den apostolischen Lebensstil wirklich nachahmen, indem er akzeptiert, der Arme im Geist, der Hungrige, der Durstige, der Fremde, der Kranke, der Inhaftierte zu sein, mit einem Wort, der vom Teufel und von den Menschen verfolgt wird, von falschen Brüdern (vgl. 2 Kor 11,26) wie Jesus.

Er muß nicht so sehr tun als vielmehr sein. Paradoxerweise aber nicht zu sehr, man kann sagen, daß sich der Jünger nicht so sehr darum künmmern muß, Fremde willkommen zu heißen, sondern sich selbst als Fremden zu akzeptieren, Nicht so sehr darum, die Hungrigen zu speisen, sondern zu akzeptieren, hungrig und durstig zu werden,,,,um der Liebe Jesu willen: "ich habe weder Silber noch Gold, aber was ich habe, gebe ich dir-im Namen Jesu Christi, des Nazareners. (Apg 3,6) 

Er soll nicht nach Macht, Reichtum, Bestätigung sterben, sondern muß sich allen unterwerfen und alle Dienen, um das Wort des Hl. Paulus zu verwirklichen: "Wie der Kehrricht der Welt sind wir geworden"(1Kor. 4,13) und "Der Menschensohn ist nicht gekommen. um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen" (Mk, 10,45) und in der Kraft des Geistes zu leben und zu handeln (1 Kor 2,4), Wahres wohltätiges Handeln  ist eine zwingende Verpflichtung  und richtet sich an die Glaubensbrüder: "Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr untereinander Liebe habt." (Jh. 13,35) , weil sie Zeugnis dafür ablegen, wie der Nächste zum Bruder werden kann. 

In Wahrheit sind wir Apostel wie der Kehrriucht der Welt, sagt der Hl. Paulus, aber Paulus ist der Kehrricht der Welt, weil er selbst den Dreck der ganzen Welt als Christus ansah (Phil. 3:8), den die Welt als Skandal und Torheit betrachtet (1Kor 1, 21) weil er sich nicht rühmt außer im Kreut Christi (Gal. 6,14)     

Und genau das ist die Exegese des Hl. Franziskus, der- genau von dieser Nachahmung Christi ausgehend, seine Brüder als Miinderjährige bezeichnete und hat auf diesem Begriff die Modalitäten der Anwesenheit und Mission seiner Brüder in der Welt  begründet- als wahre Jünger Christi." 

Don Sandro Carbone

Quelle: Stilum Curaie,  M.Tosatti,  Don S. Carbone

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