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Dienstag, 29. Dezember 2020

15 Jahre ....

sind seit der Veröffentlichung der Enzyklika  "Deus caritas est" vergangen. Aus diesem Anlass  veröffentlicht La Nuova Bussola Quotidiana eine Würdigung dieser Enzyklika von Kurienkardinal Paul Cordes.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"DEUS CARITAS EST, SO STELLTE BENEDIKT GOTT INS ZENTRUM ZURÜCK"

Am 25. Dezember 2005 hat Benedikt XVI seine erste Enzyklika Deus caritas est  unterzeichnet, die einen Monat später veröffentlicht wurde. Am Ursprung des Dokumentes steht ein Gedanke von Cor Unum, der vom Staatssekretariat zurückgewiesen,aber von Ratzinger, der Papst geworden war,unterstützt wurde, der ihn weiterentwickelte und ihm ein völlig neues Gesicht gab. Vom Anfang bis zum Ende der Enzyklika weist Benedikt gegen jeden Säkularismus auf die Zentralität Gottes als fundamentale Basis der Liebe und jeder Erlösung der Menschheit hin.

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EINE UNERWÜNSCHTE IDEE 

1995 ernannte mich der Hl. Johannes Paul II zum Präsidenten von Cor Unum, dem vaticanischen Dicasterium für die Koordinierung der caritativen Aktivitäten der Kirche. Mit der Zeit kam mir der Gedanke, daß in einer Welt des säkularen Humanismus- auch bei den Gläubigen- die christlichen Wurzeln der kirchlichen Caritas vergessen werden. Nachdem ich mich mit dem Hl. Vater beraten hatte, erhielt ich den Auftrag, einen klärenden Text zu formulieren. Ich habe mich mit meinem Dicasterium sofort an die Arbeit gemacht. Nach tiefergehenden Überlegungen haben wir dem Staatssekretariat einen Entwurf geschickt. Im Sommer 2004 kam die Antwort, daß das Projekt abgelehnt wurde.Leider war inzwischen die Schwächung der Caritas offensichtlich geworden und vor allem ging die Mission des Papstes zuende. Ich habe mich dann an den Präfekten der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger gewandt und ihm unseren Text geschickt. Als ich ihn kurz danach besuchte, hat er sofort ans Staatssekretariat geschrieben und unseren abgelehnten Entwurf verteidigt. 

Papst Johannes Paul II kehrte am 2. April 2005 ins Haus des Vaters zurück. Sein Nachfolger wurde Kardinal J.Ratzinger. In den ersten Tagen seines Pontifikates wohnte er in der Casa Santa Marta im Vatican. Ich traf ihn kurze Zeit später, wir begrüßten uns sofort-und als ob er meine unausgesprochene Bitte ahnte, fragte er mich "Was passiert jetzt mit der Enzyklika?" Natürlich wußte ich, daß im ersten Apostolischen Brief des Papstes sein "Regierungsprogramm" formuliert wird" wie bei Johannes XXIII mit Ad Petri cathedram (29. Juni 1959), Paul VI mit Ecclesiam suam ( 6. August 1964) und Johannes Paul II mit Redemptor hominis (4. März 1979). Ich habe dann spontan geantwortet "Ich denke, daß der neue Papst soviele Dinge im Kopf hat, die er in seiner ersten Enzyklika ansprechen will. Aber wenn in seinem Kopf noch ein bißchen Platz für das Thema "Caritas" ist, wäre ich darüber sehr glücklich." Er antwortete: "Ich werde mich bald entscheiden." Kurz darauf ließ er mich wissen, daß er begonnen habe, das Thema des Liebesgebotes anzugehen.

DER ESSENTIELLE PUNKT 

Die Enzyklika wurde weltweit ungewöhnlich positiv aufgenommen. Zeitungen und elektronische Medien haben ihr in vielen westlichen Ländern viel Raum gegeben, um Kommentare zuzulassen. Sogar die New York Times - nicht gerade ein gegenüber der Katholischen Kirche wohlgesinntes Organ - stimmte ihr zu und widmete ihr einen Artikel auf der Titelseite. Natürlich haben wir bei Cor Unum freudig aufgeatmet."

Bei aufmerksamerer Lektüre haben wir dann festgestellt, daß dem Text ein völlig neues Gesicht gegeben worden war. Erstens war da Neues durch die lebendige Sprache des Papstes und es gab viele neue Aspekte, die wir bei unserer Argumentation vergessen hatten. Entscheidend war jedoch, daß der Papst unsere alte Version sozusagen umgeworfen hatte. In der Vorarbeit hatten wir das betreffendeProblem induktiv dargestellt. Thema war der neue Wille der heutigen Menschen und Gesellschaft, den Bedürftigen zu helfen. Der "Marshall-Plan" und die Einrichtung von Entwicklungsministerien waren noch sehr jung; Das europäische Interesse an fremden Ländern war jahrhundertelang in erster Linie kolonial, wenn nicht ausbeuterisch gewesen. Aber jetzt hat sich das Bewusstsein verbreitet, daß der Mensch wegen seiner Würde Unterstützung und Hilfe verdient. In diesen Zusammenhang haben wir dann das Engagement der Christen eingebracht, ihre vielen spontanen, individuellen, ökumenischen und kirchlich-offiziellen Initiativen.

Als letzten aber nicht weniger wichtigen Punkt haben wir dann das II.Vaticanische Konzil und den Beitrag der Kirche zum Erfolg der menschlichen Gesellschaft bedacht ( z.B. die pastorale Konstitution  Gaudium et spes, Nr. 26, 42) Und dann folgte der Augenblick, in dem sich die Kirche ihren Anteil am vielstimmigen Chor aller Wohlgesinnten sicherte und sich nicht in Selbstbespiegelung isolierte. 


OHNE VERZÖGERUNG

Vor dem Hintergrund dieses früheren Entwurfs fällt die Aufmerksamkeit auf, die Papst Benedikt für seine Darstellung erreichen wollt. Er verzichtete auf jede pädagogische Einführung, die sich dem Problem schrittweise nähert. Er beginnt mit einem Knall: "Deus caritas est", den er im ersten Teil der Enzyklika ausführlich erklärt. Die Diskussion der Fragen der Organisation überläßt er dem zweiten Teil. Die redaktionelle Geschichte der Enzyklika zeigt- auch über ihren einzigartigen Titel hinaus- daß der hermeneutische Schlüssel zu ihrer Lektüre in der Gottesfrage liegt. Diese Betonung muß bei allem praktischem Interesse an den Hilfswerken der Kirche beibehalten werden. Da gibt es heute offensichtlich eine neue Dringlichkeit. Während der Diskussionen bei den ad.Limina-Besuchen der Bischöfe bei Cor Unum z.B. mußte ich das oft betonen, wenn der erste Teil der Enzyklika wieder aufgenommen wurde. Stellen wir uns also die provokante Frage, warum der Papst sie geschrieben hat. 

Benedikts Botschaft über die Liebe Gottes als fundamentaler Grund für die ganze  Erlösung der Menschen war 2006 nicht überflüssig- so wie sie auch heute nicht ins Archiv gehört. Der Säkularismus hat Joseph Ratzinger lange Zeit Sorgen gemacht, den er für die Welt und die Kirche von heute als schwerwiegende Verdunkelung des Glaubens betrachtet, in der wir unser Leben ohne Gott organisieren. 1972 hat er in einer erstklassigen Veröffentlichung (Quaestiones disputatae) geschrieben, daß Gott nicht länger Bezugspunkt für die Wahrheit des Glaubens sei, und immer mehr durch Mehrheitsentscheidungen der Kirchengemeinschaft ersetzt wurde. Dann seufzte er: "Aber wer ist der Gott, dessen Namen das "Volk Gottes" angenommen hat? Was bedeutet es, wenn Menschen das "Volk Gottes" sind? Von wem werden sie- senn sie so heißen- bestimmt? Hat dieses Wort "Gott" und so auch dieses Volk noch eine Bedeutung?"

Das aktuelle Gottes-Vergessen zieht sich wie ein roter Faden durch die Schriften und Reden dieses Mannes. In etlichen seiner kürzlichen öffentlichen Erklärungen (Letzte Gespräche. München 2016) hat er daa Ziel seines Petrus-Amtes so zusammengefaßt:"Ich wollte vor allem das Thema Gott ins Zentrum und den Glauben an die erste Stelle setzen. " Und in seiner Predigt beim Begräbnis des Gründers von CL (Communione & Liberazione) Msgr. Luigi Cuissani (Mailand 2005) hat er die Kirche ermahnt: Wer nicht Gott gibt, der gibt zu wenig." 

Quelle: Kardinal P. Cordes, LNBQ

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