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Montag, 2. August 2021

Der Finanzskandal-Prozess im Vatican- und das Rechtsverständnis des amtierenden Papstes

A. Gagliarducci analysiert und kommentiert in seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican  den ersten Tag des Vatican-Prozesses gegen 10 angeklagte früherer Mitarbeiter.
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PAPST FRANZISKUS, DIE SCHLÜSSEL ZUM VERSTÄNDNIS SEINES URTEILENS 

Der Prozess, der am 28. Juli im Vatican begann, wird nicht von kurzer Dauer sein. Das beweist die erste Anhörung, bei der alle Einsprüche der Rechtsanwälte der 10 Angeklagten präsentiert wurden, die 7 Stunden ohne Pause dauerte und bei der die Richter sich für während 1h und 20min im Beratungszimmer trafen. 

Man nennt es auch "Das Jüngste Gericht des Papstes" und auch wenn dieser Ausdruck sein marketing-Ziel verraten mag, ist er keineswegs übertrieben. Viel von der Glaubwürdigkeit des Pontifikates, das jetzt sein 8. Jahr erreicht hat, ohne eine der versprochenen Reformen erreicht zu haben, steht bei diesem Prozess auf dem Spiel. Vieles ist getan worden, aber alles unkoordiniert und auf unorganisierte Weise. Es gibt keine Reform. Es gibt viele kleine Reformen. Und dann ist da der Papst-ein einsamer Mann in der Verantwortung, der fest an der Spitze des Systems steht. 

Zur Zeit stehen wir an einem Wendepunkt des Pontifikates, das sich in einer Abwärtsphase zu befinden scheint, -auch der kürzlichen Operation von Papst Franziskus geschuldet, der uns im Alter von 85 zum ersten mal die mögliche Sterblichkeit des Papstes wahrnehmen ließ. 

Warum kann ein Zivilprozess ein Wendepunkt sein? Weil der Papst große Teile seiner Glaubwürdigkeit auf die Transparenz und die Finanzreform gesetzt hat. Mit wenig Erfolg. Die Reformen, die es bei Papst Franziskus gab, sind welche, die den festen, vor ihm  festgelegten Weg fortgesetzt haben.

Heute aber ist keiner der Protagonisten dieser Zeit der Reform mehr im Vatican. René Brülhart und Tommaso Di Ruzza, Präsident und Direktor der Finanzaufsicht sind nicht im Amt bestätigt worden- obwohl ihre Arbeit den Hl. Stuhl vor einem negativen Urteil durch das Moneyval-Komitee des Euroäischen Rates bewahrt hat und obwohl sie die schwierige Aufgabe gelöst haben, die laufenden Konten des IOR, der sog. "Vatican-Bank"- zu  überprüfen und neu zu ordnen. 

Nachdem der Papst die Untersuchungen beschloss, kehrten die Architekten der ersten Phase der Finanz-Reform in den Vatican zurück. Reformen, die auf Italien abzielten, bekamen nicht einmal grünes Licht von der FATF  (Financial Action Task Force). - Diese Reformen enthüllten die fehlenden Kenntnisse der internationalen Anti-Geldwäsche-Vorschriften. 

Wir sind zurück in der ersten Phase, die auch durch eine gewisse Nähe zu Italien gekennzeichnet ist. Aber es ist falsch, diesen Prozess durch die italienische Brille zu lesen. Das ist es, was die Vatican-Richter wollen, die gut-etablierte Karrieren in Italien haben oder hatten und die dieses Modell in die Leoninische Stadt bringen.

Alles auf Italien zu reduzieren bedeutet, den fundamentalen Schlüssel zum Prozess nicht zu verstehen: der Bezugspunkt für diese Verbrechen ist nicht Rom sondern Straßburg und Brüssel. Weil in Straßburh und Brüssel die internationalen Standards festgelegt und als Norm etabliert werden. Dort wird festgelegt, on die Menschenrechte rfespektiert werden und ob es einen fairen Prozess gibt.

 

Die sieben Stunden Anhörung dienten dazu, alle Einsprüche zu entwirren und den Richtern einen langen Aufschub zu verschaffen, der dabei helfen wird, ihre Mängel zu beheben. Aber die Einwände der Verteidiger der Angeklagten müssen bedacht werden.

Es wurde festgestellt, daß der Papst vier motu proprio unterschrieben hat, um den Prozeduren, die dem Verfahren vorangingen, eine wichtige gesetzgeberische Wirkung zu verleihen, von der die Angeklagten nicht vollständig informiert wurden. Es wurden auch einige Situationen beleuchtet, die in Italien oder jedem anderen Land irregulär gewesen wären. Die Möglichkeit, daß der Hl. Stuhl einen fairen Prozess durchführt, wurde in Frage gestellt,- im Licht der Tatsache, daß nicht nur eine spezielle Jurisdiktion eingeführt wurde, sondern auch, daß den Angeklagten keine Zeit gewährt wurde, die Dokumente zu lesen, die in vielen Fällen unvollständig bei den Rechtsanwälten ankamen.

Praktisch hat der Papst sich völlig in die Hände der Richter gegeben. Sein gesamtes Handeln bevorteilt die Richter und ihre Arbeit. So werden wir Zeugen einer Vaticanisierung des Hl. Stuhls, weil das Gericht des Staates wichtiger wird, als jede Institution, der es dient. Das ist auf internationaler Ebene ein Risiko.

Im Namen der Vaticanisierung sind auch Kooperationsvorgänge in Frage gestellt worden, wie der Austausch von Nachrichtendienstinformationen, die von den Vatican-Richtern ohne Kriterien aufgegriffen wurde- erst nachdem sie Gegenstand einer Vereinbarung zwischen dem Gerichtshof und der Finanzaufsicht zur Vermeidung weiterer Vorfälle geworden waren.

Dieser Prozess ist jedoch keine Sache des Vaticans. Während Vatican-Mitarbeiter oder frühere Mitarbeiter vor Gericht gestellt werden, sind es die Menschenrechte und verschiedene andere Rechte, die vor Gericht stehen. Rechte, die der Hl. Stuhl international unterstützt, aber auf denen herumzutrampeln, der Papst erlaubt hat. Kein Problem für Rom. Das ist ein globales Problem.

Ein anderes Thema ist, daß die APSA und das Staatssekretariat darum ersucht haben, als Zivil-Partei zum Prozess zugelassen zu werden, was ihnen gewährt wurde. Beide Körperschaften wurden über die Operationen informiert. Warum fordern sie dann Schadenersatz?

Es gibt viele Merkwürdigkeiten beim Prozess. Die wurden in einem Urteil des englischen Richters Baumgartner festgestellt, der das vom Heiligen Stuhl erfolgreich beantragte Urteil zum Einfrieren der Gelder von Gianluigi Torzi aufhob. Torzi ist der Makler, mit dem der Heilige Stuhl das Londoner Anwesen gekauft hatte, an dem er Anteile hatte.

Torzi ist wegen Erpressung angeklagt. Giuseppe Milanese fungierte als Vermittler zwischen dem Heiligen Stuhl und Torzi, damit Torzi die Anteile des Anwesens verkaufte – Anteile, die er besaß, weil es im Vertrag so angegeben war, von dem er zurücktreten musste. Das Vatikantribunal erklärte, und Milanese bestätigte, daß der Papst den Verhandlungsraum betreten habe. Torzi fügte hinzu, daß der Papst eine umfassende Resolution mit einer gerechten Entschädigung gefordert habe. Wenn wir also über Entschädigung sprechen, wo ist die Erpressung?

Und warum ist Msgr. Alberto Perlasca, der 10 Jahre lang an der Spitze der Verwaltung des Staatssekretariates stand, nicht unter den Angeklagten? Perlasca hat ausgesagt und u.a. von Kardinal Becciu, der ebenfalls angeklagt ist, eine Beschwerde wegen Verleumdung provoziert.

Einige Zweifel internationaler Dimension müssen angesichts der Tatsachen und weiteren Perspektiven geäußert werden. Das Risiko am Ende des Prozesses ist, daß der Hl. Stuhl aus einer diplomatischen Perspektice irrelevant wird, weil er nicht in der Lage ist, Verpflichtungen wie die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens in seinem Staat umzusetzen, und weil es in seinem Hoheitsgebiet Richter aus einem anderen Staat gibt, die nur in Teilzeit beim Gerichtshof tätig sind.

Schaut man weiter als auf das, was man durch das italienische Schlüsselloch sehen kann, hilft das, zu verstehen, daß über die verbalen Scharmützel hinaus, die Frage nach der Londonder Immonbilie differenzierter ist, als zunächst gedacht und daß sie für den Hl. Stuhl keine so teure Investition war.

Es wird klar, daß es den Wunsch gab, die alte Leitung anzugreifen, die an der Internationalisierung gearbeite hatte. Jetzt scheint alles nach Italien und zur italienuischen Art, Dinge zu tun, zurück zu kommen. Die Konsequenzen werden nicht gering sein."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

1 Kommentar:

  1. Das heutige Problem sämtlicher - nicht nur kirchlicher - Institutionen hier unter dem Vergrösserungsglas:
    Extremer Dilettantismus.

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