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Montag, 6. September 2021

Ein Papst-Interview und viele Fragen

In seiner heutigen Kolumne in Monday in the Vatican analysiert und kommentiert A. Gagliarducci das Interview, das Papst Franziskus dem Radiosender COPE gegeben hat.  
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"PAPST FRANZISKUS, WAS SAGT UNS DAS INTERVIEW, DAS ER COPE GEGEBEN HAT?" 

In der vergangenen Woche hat Papst Franziskus COPE, dem Radio- Sender der Spanischen Bischofskonferenz ein ausführliches Interview gegeben, In eineinhalb Stunden behandelte er verschiedene, davon einige sehr heikle Themen, wie diesGerichtsverfahren im Vatican, die Kurienreform und seinen Rücktritt. Seine Antworten jedoch zeigen nicht nur die Art zu denken, sondern auch die Art, wie Papst Franziskus alle Dinge wiedergibt oder wahrnimmt. 

Der Gedanke, daß am Narrativ festgehalten wird, kommt bei den Antworten auf die Fragen zu seiner Gesundheit sofort auf. Papst Franziskus eröffnet, daß er die Gemelli-Klinik um 13:00 betreten habe, 33 cm seines Darmes entfernt wurden und daß ein Pfleger sein Leben rettete. Und er versichert, daß es ihm gut geht, daß er ein normales Leben führt, daß nur sein Gehirn verarbeiten muß, daß 33 cm Darm fehlen. 

Mit dieser Antwort übernimmt Papst Franziskus das Narrativ über seine Krankheit. Die Gerüchte über seine Krankheit wurden in einigen Medien veröffentlicht und die Hypothese über den Rücktritt des Papstes auf diese Idee gestützt.  Es ist aber eine Antwort, die einige Punkte ium Dunkeln läßt.- ob der Papst so plötzlich in die Gemelli-Klinik aufgenommen wurde, ob die Operation zu diesem Zeitpunkt geplant war oder die Entscheidung dazu später getroffen wurde. Und warum sagt er, daß ein Pfleger sein Leben rettete? Bedeutet das, daß er etwas Ernsterem gegenüber steht? Das sind Fragen, die offen bleiben, die aber verschwinden, wenn der Papst das Narrative übernimmt und jede Möglichkeit zu leugnen, ausschließt? 

Das ist die Antwort des Papstes auf das, was eine Krise der Macht zu sein schien. Papst Franziskus bestätigt nach eigenem Bekunden, daß sich die Reform der Kurie aufgrund seiner Krankheit verlangsamt hat. Im selben Interview sagt Papst Franziskus, daß die geplante Reise nach Glasgow für die COP26 (noch nicht formalisiert) maßgeblich von seinem Befinden abhängen wird. Es besteht daher eine Unsicherheit, die Papst Franziskus jedoch tendenziell minimiert. Und er minimiert sie, denn – wieder aus dem Interview –,sobald der Papst krank wird, spürt er die Brise des Konklaves. Tatsächlich ist das Nachdenken über seinen Nachfolger, das in den Gängen des Vatikans mit der Nachricht von der Krankenhauseinweisung begann, der Aufmerksamkeit des Papstes nicht entgangen. 

Die Frage zu den Gerichtsverfahren ist auch interessant. Z.B. wissen wir, daß der beginnende Prozess zum sog. Sloane-Avenue-Fall (der Investition des Staatssekretariates in eine Londoner Luxus-Immobilie) im Vatican möglich wurde, weil Papst Franziskus vier Reskripte formulierte, die einige prozedurale Garantien aufgehoben haben. Da wurde sogar von einem "Sondergericht" gesprochen und die Vaticanischen Strafverfolger verweigerten die Herausgabe der vollständigen audio-visuellen Aussagen von Msgr. Alberto Perlasca, einem der Hauptzeugen beim Prozess.

Ich habe wiederholt von einer Vaticanisierung des Hl. Stuhls gesprochen, wenn der Papst wie ein absoluter Monarch handelt und praktisch die durch internationale Verträge bestehenden prozeduralen Rechte des Hl. Stuhls nicht respektiert. 

Der Papst vertieft das jedoch nicht. Statt dessen ignoriert er es oder gibt vor, es zu ignorieren. Stattdessen ist er bemüht, zu betonen, daß alles mit internen Beschwerden begann und bevorzugt diese Vorgehensweise. Er sagt sogar, daß er hoffe, daß Kardinal Angelo Becciu unschuldig ist, stellt aber fest, daß er sich jetzt den Entscheidungen des Vaticanischen Gerichtes unterwerfen muß. Vorher wurde über Kardinäle nur durch das Kardinals-Kollegium geurteilt. (Der Papst bezieht sich im Interview nur auf sich selbst).

Diese angebliche Transparenz jedoch steht im Gegensatz zu verschiedenen Themen, die während der Untersuchungen aufkamen.  


Mehr als der Verfahrensjustiz stehen wir einer vatikanischen Justiz gegenüber, die willkürlich handeln kann und Entscheidungen trifft, die sogar das Amtsgeheimnis außer Kraft setzen. Das Narrativ eines transparenten Prozesses wird beizubehalteversucht, auch wenn nichts in den Vorverfahren transparent war. Auch hier weiß der Papst Bescheid und gibt vor, es nicht zu wissen. Er konzentriert alles allein auf den Vatikan, ohne zu bedenken, daß der Heilige Stuhl eine internationale Entität ist. Aber er verschleiert damit die Konsequenzen seiner Entscheidungen. Aufgrund der Art und Weise, wie der Prozess durchgeführt wurde, könnte der Heilige Stuhl sich international isoliert wiederfinden. Und auch das Charisma des Papstes könnte ihn nicht retten.

Papst Franziskus spricht auch das heikle Kapitel der Vatican-Reform an. Die Veröffentlichung von Praedicate Evangelium, die Konstitution, die Regeln für die Kurie festlegt, wird für den kommenden Herbst erwartet. Papst Franziskus war bedacht darauf, zu sagen, daß seine Reformen nichts anderes sind, als die, die während der General-Kongregationen des Präkonklave-Treffens gefordert wurden. Er sagte, daß er über seine Ernennung überrascht war, aber sehr gut wußte, was zu tun ist, weil alles während der General-Kongregationen geplant worden war.

Auf diese Weise -indem er sagt, daß er nur einen Auftrag ausführt, der ihm anvertraut wurde, sichert Papst Franziskus seine eigene Entscheidung ab. Der Papst jedoch ist jedoch kein Ausführer von Aufträgen- und kann es nicht sein. Und, obwohl die General-Kongregationen auch über die nötigen Kurienreformen gesprochen haben, über die schon seit Jahren diskutiert worden war, hat nicht jeder diese Art der Reform favorisiert.

Bleibt die Frage, ob das grundlegende Reformen sind, Papst Franziskus bemüht sich, die Idee der Reform herunterzuspielen; er sagt, daß sich durch die Kurienreform anders als die Reform der Dicasterien und die Zusammenlegungen nichts ändert. Wenn z.B. die Apostolische Caritas ein Dicasterium wird, gehört sie nicht länger zur Päpstlichen Familie. Wird der Papst dann seine persönlichen Almosen nur durch die Büros des H. Stuhls geben? Wird das das Ende der symbolischen Wirkung der direkt vom Papst gespendeten Almosen sein?

Diese Themen werden aus der Diskussion ausgeschlossen. Wer immer sie stellt, wird sofort anti-päpstlich genannt. Die Möglichkeit zur Diskussion ist ausgeschlossen. Es gibt nut einen Papst. Er trifft seine eigenen Entscheidungen. Am Ende jedoch- will Papst Franziskus selber zeigen, daß seine Entscheidungen nicht von oben kommen, sondern nach Beratungen, Wenn sie berasten worden wären, warum dann so viel Erstaunen? Warum  dann die Sorgen um die neue Linie?

Papst Franziskus sagte, er habe sich auch wegen Traditionis Custodes beraten, das im Endeffekt ude Liberalisierung der Feier der Messe nach dem alten Ritus, abgeschafft hat. Der Papst sagt, daß nach 10 Jahren eine Bewertung durchgeführt wurde und daß diese Geste der Offenheit zu einer Einladung wurde, ideologische Standpunkte ienzunehmen, die nicht zugelassen werden können. Haben alle, die es vorziehen nach dem antiken Ritus zu zelebrieren ideologische Vorturteile? Kann man diese weitgehende Verallgemeinerung bei einer Frage machen, die von Nation zu Nation viele Nuancen hat?

Papst Franziskus hält sich auch bei der Bedeutung der "Messe in Latein" auf und unterstreicht, daß "die Verkündigung des Wortes in einer Sprache stattfinden muß, die jeder versteht" Sonst ist es, als ob man sich über das Wort Gottes lustig macht." Am Ende zeigt der Papst u.a. seine klare Vorliebe, indem er den Gebrauch des Lateinischen gemäß dem Missale von Paul VI verwehrt. Dennoch ist Laein immer noch die offizielle Sprache der Kirche. Wie soll man dann die Wore des Papstes interpretieren?

In der Tat enthält jede Rede des Papstes im Verborgenen eine Reihe von Widersprüchen. Als ob der Papst eine Linie verfolgte, aber dafür nicht kritisiert werden möchte und versucht, Kritik zu vermeiden, indem er ein Narrativ schafft. Vielleicht ist das zu weit gedacht, und vielleicht tut Papst Franziskus das in Naivität.

Aber wenn er nicht naiv wäre, würden wir uns einem Narrativ gegenüber sehen, daß dekonstruiert werden müßte, weil jede Handlung von ihrer Wurzel her verstanden werden muß. Die Äußerungen eines Papstes sind nicht genug. Wir müssen die Fakten analysieren. Und die Fakten besagen, daß Papst Franziskus in manchen Fällen das eine sagt und das andere tut."
Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican 

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