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Donnerstag, 16. September 2021

R. der Mattei: Geschichte der Minoritenkirche in Wien

Roberto de Mattei stellt in corrispondenza romana seinen Lesern die Wiener Minoritenkirche vor und bietet seinen Lesern eine Lektion in österreichischer Kirchengeschichte an.
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"EIN ZENTRUM DES WIDERSTANDS: DIE MINORITENKIRCHE IN WIEN"

Die FSSPX hat angekündigt, daß sie Besitzerin der Minoritenkirche in der Innenstatd von Wien geworden ist. Die Bruderschaft könnte am 3. Juni 2022, dem Jahrestag ihrer Schenkung an die italienische Gemeinschaft durch Kaiser Joseph II am 3. Juni 1784, diese Kirche, die offiziell "Italienische Nationalkirche Maria Schnee" heißt, in Besitz nehmen. 

Die Bedeutung dieser Nachricht entgeht dem katholischen Historiker nicht. Die Minoritenkirche ist nicht nur eine der schönsten alten Kirchen in Wien, sondern repräsentierte zwischen 1780 und 1815 das Herz des Katholischen Widerstands gegen die revolutionären Ideen. In jener Zeit bündelten Jansenismus, Gallikanismus, Illuminismus und verschiedene und heterogene -aber durch den Haß auf die Kirche Roms vereinte- Kräfte im Schatten der Freimauererlogen, um die religiöse und soziale Ordnung des Christentums zu zerstören. Pater Nikolaus von Diessbach (1732-1798), ein ehemaliger Schweizer Offizier, der vor ihrer Auflösung der Gesellschaft Jesu angehört hatte, gründete zwischen 1779 und 1780 in Turin unter dem Namen Christliche Freundschaft eine Organisation, die diesem subversiven Projekt Widerstand leisten sollte, indem er es mit seinen eigenen Waffen- der Verbreitung von Büchern und dem Geheimnis, das die Mitglieder des Vereins umgibt (siehe Roberto de Mattei, Die Bibliothek der "Freunde": kritisches Repertoire der katholischen Kultur in der Epoche der Revolution 1770-1830, Bibliopolis, 2005)- bekämpfte. 

Wien, die Hauptstadt des Hl. Römischen Reichs, über das Joseph II von Habsburg-Lothringen herrschte, war zu der Zeit eine europäische Stadt, in der das Netz von Kontakten und Irrtünern der Kirchenfeinde am engsten verflochten war. "In Wien - das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Hauptstadt des Antikurialismus geworden war- waren Freimaurerei, Illuminismus, Jansenismus und liberaler Katholizismus -manchmal in ein und derselben Person- vermischt, um den selben Kampf gegen den selben Feind zu führen" -wie der Historiker Carlo Francovich in seiner "Geschichte der Freimaurerei in Italien" (La Nuova Italia. 1979. S. 241) geschrieben hat. 


Als 1782 Papst Pius VI (1775-1799) beschloss, sich als "apostolischer Pilger" nach Rom zu begeben, fuhr Pater Diessbach - von seinem Hauptmitarbeiter, dem ehrwürdigen Pio Brunone Lanteri (1759-1830) begleitet- ihm einen Monat voraus, um durch Predigten, Kontakte, Verteilung von Flugblättern, den Empfang des Papstes durch die österreichischen Katholiken vorzubereiten. Der Erfolg war so groß, daß Diessbach beschloss, das Zentrum seiner Berufung von Turin in die habsburgische Hauptstadt zu verlegen. 

In Wien hatte der Katholische Widerstand seinen Angelpunkt in der Minoritenkirche, deren Präfekt Baron Joseph von Penckler (1751-1830) war. Penckler war spirituell im Theresianum der Jesuiten von Wien direkt von Diessbach und dann von Lanteri erzogen worden und hatte enge Beziehungen zu einigen ihrer Persönlichkeiten, wie z.B. Pater Maximilian Hell (1720-1792), Hofastronom, und mit dem Theologen Luigi Virginio (1756-1805), der Direktor der Minoritenkirche wurde. 

In der selben Kirche war er auch der Vorsitzende einer Gruppe exilierter Italiener, zu denen die Marquise Maria Maddalena Frescobaldi (1771-1839) , die Gründerin der Suore Passionista des Hl Paulus vom Kreuz und deren Zweigniederlassungen war -und auch zur Amicizia cristiana -gehörte.

Diessbach hat in der österreichischen Hauptstadt auch mit Hilfe von Prinz Ludwig Eugen von Württemberg (1767-1795) enge Beziehungen zum Hof geknüpf und wurde -nachdem er abgeschworen hatte,- spiritueller Führer der Prinzessin Elisabeth von Württemberg (1757-1790) und Erzieher des kaiserlichen Erzherzog Franz, der 1788 -vor seinen vier Ehefrauen- Elisabeth heiratete.

Im Winter 1790 als Joseph II starb, überreichte Diessbach dem neuen Kaiser Leopold II ein Memorandum, das ein wahres Manifest kulturellen und politischen Handelns darstellte. Der Historiker Karl Winter, der als erster auf dessen Bedeutung hinwies, glaubte darin die "Staats-Romantik" zu erkennen, die das Modell des österreichischen politischen Katholizismus des 18. Jahrhunderts bildete (Romantik, in der Zeitschrift  für schweizerische Kirchengeschichte, 21 1927, Ss. 81-102). 

In Wien lernte Diessbach schließlich durch Baron Penckler, der dort seine philosophische und theologische Ausbildung absolvierte, den späteren Redemptoristenheiligen Clement Maria Hofbauer (1751–1820) kennen. Hofbauer, der Diessbach die Kenntnis der Werke des hl. Alfons von Liguori zu verdanken hatte, trat der Wiener Christlichen Freundschaft bei und gründete daraufhin in Warschau einen ähnlichen Verein, die "Oblaten des Allerheiligsten Erlösers". Der heutige Schutzpatron Wiens, der Hl. Clemens Maria Hofbauer, war von 1808 bis 1813 Kaplan der Minoritenkirche und aus diesem Grund wurde ihm zu Ehren ein Denkmal vor der Antoniuskapelle errichtet.

Fast an der Jahrhundertschwelle, am 2. Januar 1799, teilte die Wiener Zeitung den Tod des "Adligen Nikola von Diessbach, Weltpriester und ehemaliger Jesuit, am 22. Dezember 1798 im Alter von 60 Jahren Seizergasse Nr. 460 in der Stadt"mit. Der Tod des Ex-Jesuiten, den die Jünger auf die Nachwirkungen eines Attentats auf dem Rückweg von Prag nach Wien zurückführten, wohin er im Oktober 1798 zu Gesprächen mit Erzherzogin Marianna, der Tochter des Großherzogs der Toscana  (1770 - 1809) gegangen war , die Pläne für eine neue weibliche Gemeinde ignatianischen Geistes hegte,  liegt unter einem geheimnisvollen Schatten. Die Erzherzogin mit ihren beiden Schwestern Luisa und Leopoldina bildete den ersten Kern der Geliebten Jesu, ein Institut, aus dem drei Ordensgemeinschaften hervorgingen: die Gesellschaft vom Heiligsten Herzen Jesu von Magdalena Sofia Barat (1779-1865); das Institut der Schwestern der Heiligen Familie von Verona, von Leopoldina Naudet (1773-1834); die Schulschwestern für christlichen Erziehung, von Agata Verhelle (1786-1838) (Eva Fontana Castelli, Marianna von Habsburg-Lothringen, Protagonistin einer verdrängten Geschichte, (1770-1809), Gabrielli, 2016).

Pater Diessbach fand schließlich seine Ruhe auf dem Wiener Friedhof Maria Enzendorf, der bereits die sterblichen Überreste seines Freundes Maximilianb Hell beherbergte. Neben ihm wollten später die Wiener Schüler  Virginio, Penckler und Hofbauer beerdigt werden. Nach seinem Tode wurde das Erbe der "Christlichen Freundschaft" von Hofbauer persönlich erneuert, der bei seiner Rückkehr nach Wien 1808 eine Gruppe illustrer Konvertiten um sich scharte, wie Friedrich Schlegel (1772-1829) und seine Frau Dorothea Veit (1763- 1839), Adam Heinrich Müller (1779-1829), Zacharias Werner (1768-1823), Johannes (1790-1854) und Philip (1793-1877) Veit, Söhne von Dorothea Schlegel.

Der Hofbauer-Kreis übte insbesondere während des Wiener Kongresses (1814-1815) einen erheblichen Einfluss auf die österreichische katholische Restauration aus. Der Historiker Rudolf Till bezeichnet 1808 als das entscheidende Jahr für die österreichische katholische Restauration. Tatsächlich traf im August desselben Jahres Friedrich von Schlegel (1772-1829) in Wien ein, im September Hofbauer: "Schlegel - schreibt Till - war Kopf und Seele des Kreises, Hofbauer war sein Herz" (Rudolf Till, Hofbauer und sein Kreis, Herold, Wien 1951, S. 68).

1810 übertrug Friedrich von Gentz ​​(1764-1832), Sekretär und Hauptmitarbeiter des Fürsten von Metternich, die Leitung der Wiener Zeitung Der Österreichische Beobachter dem Grafen Joseph Anton von Pilat (1782-1865), der enge Kontakte zwischen Kanzleramt und Hofbauer-Kreis knüpfte. Schirmherrin dieser Kreise war Prinzessin Carolina Augusta von Bayern, die 1816 den zum dritten Mal verwitweten Kaiser Franz I. (1792-1835) heiratete. Die Partei der "Anhänger des Hofes" sollte sich um Carolina versammeln, deren religiöses und politisches Vorbild das von Pater Diessbach war: das Ideal einer Monarchie, die sich von jedem restlichen Josephinismus befreit haben und zu den mittelalterlichen und gegenreformatorischen Quellen der Dynastie zurückkehren würde

Im Zentrum dieser Ereignisse stand die Minoritenkirche. Der Übergang dieser Kirche zu einer Religionsgemeinschaft, die sich dem Progressivismus mit der gleichen Kraft widersetzt, mit der die Wiener Katholiken vor zwei Jahrhunderten den Irrtümern der Revolution widerstanden haben, scheint starken Symbolcharakter zu haben. "

Quelle: R.de Mattei, corrispondenza romana

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