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Dienstag, 4. Januar 2022

Sandro Magister: Neues zum Vatican-Prozess

Sandro Magister kommentiert bei Settimo Cielo den "Prozess des Jahrhunderts" im Vatican und die mögliche Weiterentwicklung. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"DER JAHRHUNDERTPROZESS STELLT DEN PAPST VOR GERICHT. DAS BRINGT DAS RISIKO EINES ZWISCHENFALLS MIT CHINA MIT SICH"

Unter den Papieren, die im Besitz des Gerichtes sind, das über Kardinal Giovanni Angelo Becciu und andere Angeklagte urteilt und dessen nächste Sitzung für den 25. Januar geplant ist, gehört eine erklärende Notiz, in der steht, daß sie während der Sitzung des Aufsichtsrates am 6. April geschrieben wurde. Der Hl. Vater hat die Erlaubnis gegeben, diese Notiz, die mit Edgar Pena Parra, Substitut im Staatssekretariat, unterschrieben ist, zu veröffentlichen.

Das ist es, was Settimo Cielo in diesem Post tut, den Lesern den entscheidenden Inhalt des bis dato unveröffentlichten Dokumentes zur Verfügung zu stellen, das von Pena Parra dem Vatican-Gericht ausgehändigt wurde, um die Situation im Staatssekretariat zu der Zeit zu beschreiben, als er am 15. Oktober 2018 sein Amt als Substitut übernahm- "sowie einige Aspekte der Aktivitäten des Staatssekretariats bzgl. des Gebäudes in Sloane Avenue Nr. 60 in London". 

Das Dossier ist 322 Seiten lang, mit zahlreichen Anhängen, aber die Schlüsselseiten sind die ersten 20- mit der Notiz von Pena Parra. Sie beinhalten u.a. Informationen, die ausgerechnet mit China einen diplomatischen Zwischenfall auslösen könnten. 

Sie beziehen sich de facto auf "einige neue, vom Erzbischof von Vilnius (Litauen) zur Verfügung gestellte Neuigkeiten bzgl. der "Verwundbarkeit des Vaticanischen Computer-Systems". Pena Parra spezifiziert das wie folgt: "Ein Neffe des Erzbischofs, ein Experte auf diesem Gebiet, hat Beweise für das Eindringen Chinas in unser Computer-System und wir haben Beweise dafür erhalten."  

Cyber-Sicherheit beiseite, das Bild das Pena Parra vom Staatssekretariat und besonders von seiner zu der Zeit von Msgr. Alberto Perlasca geleitete Verwaltung zeichnet, ist entschieden kritisch. 

"Der Hl. Vater" stellt die Notiz fest, "verlangte eine Anhörung zum Verwaltungsamt und zu den Fonds des Staatssekretariats, die beendet hätte sein sollen. bevor der neue Substitut sein Amt antrat" -soll heißen: die Ankunft Pena Parras an Stelle seines Vorgängers Becciu. 

Aber nichts davon geschah. Perlasca- schreibt Pena Parra- rechtfertigt diese Nichtbefolgung durch die Behauptung, daß "das Staatssekretariat in den vergangenen Jahren mit dem Wirtschaftssekretriat eine sehr schwierige Zeit durchmachte, wegen Kardinal Pells Ansprüchen, die Kontrolle über die gesamte Verwaltung des Hl. Stuhls zu übernehmen,  was bedeutete, sich in die dem Staatssekretariat eigenen Pflichten auf  Verwaltungsebene einzumischen. Außerdem war Msgr. Perlasca auch der Meinung, daß weder der vorherige General-Auditor Dott. Libero Milone noch der gegenwärtige, Dott. Alessandro Cassinis Righini Personen waren, denen man vertrauen konnte."

Pena Parra schreibt, daß beide,  er und der Wirtschaftsprüfer wiederholt darauf bestanden haben, daß der Wille des Papstes erfüllt werde. Aber ohne den geringsten Erfolg. Das Verwaltungsbüro inszenierte einen Dienst-nach-Vorschrift- Streik, ohne seinen systematischen modus operandi auch nur um ein Jota zu ändern, der wie folgt beschrieben wird: 

"Das ist ein Mechanismus, in dem der Obere den Untergebenen unter Druck setzt, und ihn dazu drängt, hastig zu handeln, was zu katastrophalen Ereignissen führt- wie "Wenn das nicht sofort unterschrieben wird, verlieren wir vielleicht viel Geld" [...] Viele male wurde ich plötzlich unterbrochen- sogar während Begegnungen mit Botschaftern, Bischöfen usw. um dringende Dokumente zu unterschreiben, die ihrer Meinung nach- nicht bis zum Ende der Gespräche warten konnten.[...]. Das ständige Leitmotiv war, daß ich die "Maschinerie" nicht kannte und die Bedenken, die ich äußerte, deshalb unbegründet waren und lediglich die Arbeit des Verwaltungsbüros verlangsamten." 


Das Missmanagement betraf auch das Geld des Staatssekretariates, das in 3 Investmentfonds, in nicht weniger als dreizehn Banken deponiert war, mit den entsprechenden Verträgen, "die fast immer zugunsten der Gegenparteien formuliert waren." Gar nicht zu reden, von den "ernsten Irrtümern" in der Buchführung, die den Wert des vom Staatssekretariats verwalteten Kapitals "ungerechtfertigt aufbliesen, der zu einer bestimmten Zeit auf einen Betrag von 603 Millionen Euro geschätzt wurde, während es nur insgesamt 425 Mio waren. 

Kurz gesagt: "das Gesamtmanagement zielte auf finanzielle Spekulationen und nicht auf ein konservatives und sicheres Bewahren des Kapitals des Staatssekretariates." 

Und der katastrophale Londoner Deal? Nach dem Urteil von Pena Parra war das das Meisterstück des Verwaltungsbüros, das alle zuvor erwähnten kritischen Themen und viele andere wiedergibt, die sich auszudenken, der menschlichen Phantasie schwerfallen würde. Z.B. nach den schlechtesten internationalen Financiers zu suchen und mit ihnen Geschäfte zu machen." 

Der zweite Teil der Notiz von Pena Parra betrifft genau die Entwicklungen der Londoner Operation ab Ende November 2018, die nicht nur von ihm, dem Substituten, sondern auch vom Staatssekretär, Kardinal Pietro Parolin und von Papst Franziskus selbst angestoßen wurden. 

Am 22. November 2018 ordnete Pena Parra, der von Msgr, Perlasca gedrängt wurde, an, grünes Licht für eine als "sehr dingend" definierte finanzielle Initiative zu geben, um den Erwerb der Londoner Immobilie abzuschließen. Pena Parra ordnete an, ein "Memorandum zu entwerfen, um das Ersuchen dem Staatssekretär und dem Hl. Vater zur Beurteilung der Sache vorzulegen."  

Zu diesem Zweck bat der Substitut am 25. November, ein "dringendes Treffen mit dem Hl.Vater" und erhielt es. Dessen Antwort war ein vorsichtiges "Ja".  "Er bat mich, zwei Dinge im Hinterkopf zu behalten, die er später von Zeit zu Zeit wiederholte "Laß uns versuchen, so wenig wie möglich zu verlieren" und "wir müssen umblättern und neu anfangen." 

Am nächsten Tag, Montag, 26. November, gab Kardinal Parolin seine Zustimmung und gab das Memorandum an Pena Parra  mit dieser am Ende angefügten Bemerkung in etwas unsicherem Italienisch zurück:

Foto2

"Nachdem ich dieses Memorandum  im Licht der gestern Abend von Msgr. Perlasca und Dott. Tirabassi abgegebenen Erklärungen gelesen habe  und nach den Versicherungen über die Solidität der Operation (die dem Hl. Stuhl Vorteile bringen wird), ihre Transparenz und das Fehlen von Risiken für die Reputation (die in der Tat von denen vom Management des GOF vorgenommenen übertroffen würden) bin ich dafür, den Vertrag aufzusetzen."

Der GOF, der Global Opportunity Fond, auf den Kardinal Parolin anspielt, war einer der drei Investment-Fonds, in denen das Staatssekretariat Geld investiert hatte - um genau zu sein: 200 Millionen Dollar, die zuvor bei den Schweizer Banken BSI und UBS deponiert waren, deren Konten auf Anordnung des damaligen Präfekten des Wirtschaftssekretariates, Kardinal Pells, 2014 aufgelöst wurden. Der GOF, gewohnt in den Londoner Deal zu investieren, wurde vom Financier Raffaele Mincione gemanagt.

Die Operation wurde also abgeschlossen. "Mit der Zustimmung des Hl. Vaters und des Kardinal-Staatssekretärs" schreibt Pena Parra "beendeten wir die Operation zum Erwerb der Gesellschaft, der das Gebäude gehörte und haben am 27. November 2018 die Ratifizierung unterschrieben. "
Es blieben jedoch immer noch 1000 Aktien im Besitz eines anderes Financiers, Gian Luigi Torzis, der für ihren Transfer 10 Millionen Euro verlangte.

Die alternative Überlegung, die zunächst vom Staatssekretariat erwogen wurde, war folgende: 
1. einen Prozess gegen Torzi anstrengen 
2. die volle Kontrolle über den Vermögenswert zu erlangen (und so den Wert der 1000 Aktien zu quantifizieren).
Die zweite Lösung wurde akzeptiert, nicht nur, weil sie als "billiger und mit überschaubarerem Risiko angesehen wurde" sondern vor allem, weil sie strikt dem "höheren Willen" entsprach, d.h. dem Willen des Papstes, der nicht nur das Staatssekretariat ermutigte auf diesem Weg weiterzugehen sondern auch selbst den Verhandlungen Nachdruck verlieh, wie Pena Parra in der Notiz berichtet hat.
 
Am Samstag, 22.Dezember 2018 bat mich der Hl. Vater nach Santa Marta zu kommen, wo er mich Dott. Giuseppe Milanese vorstellte [...] den ich zum ersten mal traf, sowie Dott. Manuele Intendente [...] der, wie ich später erfuhr, einer von Torzis Anwälten war, während Milanese ein Bekannter des Hl. Vaters war, [...] Am nächsten Tag hielt ich es für angemessen, das Verwaltungsbüro um eine Erklärung für das zu bitten, was ich während des Treffens in Santa Marta erfahren hatte.[...] Als ich Msgr. Perlasca vor Ort nicht fand, weil er bereits zu seinen Weihnachtsferien aufgebrochen war, bestellte ich Tirabassi in mein Büro ein." Fabrizio Tirabbassi- ebenfalls einer der Angeklagten im Prozess-, war der zweite Mann in der Leitung des Verwaltungsbüros des Staatssekretariates.

Einige Tage später, am 26. Dezember, dem Fest des Hl. Stephans, empfing Papst Franziskus in Santa Marta Torzi erneut, mit seiner Familie und ließ sich mit ihm fotografieren und informierte Pena Parra darüber, der in der Notiz von den Instruktionen berichtet, die er von Franziskus erhielt,

Zu einem dritten Treffen zwischen dem Papst und Torzi kam es kurz danach, wie Pena Parra berichtet: "Zu Beginn vom Januar 2019 empfing der Papst Torzi zusammen mit dem Administrator Prof. Renato Milanese und dem Unterzeichneten zu einem kurzen Treffen. Papst Franziskus wollte Torzi wieder einsetzen, weil er schätzte, was der für das Staatssekretariat getan hatte und daß er dem Substituten den Auftrag gegeben hatte, das Vermögen und das finanzielle Management des Staatssekretariates zu reorganisieren und daß es sein Ziel war, " umzublättern und neu zu beginnen" . Dieser Vorgesetzte wird unser starker Punkt bei den Verhandlungen mit Torzi sein, der nie dem vom Hl. Vater ausgedrückten Willen zu widersprechen konnte."

Die 1000 Aktien wurden am 2. Mai 2019 tatsächlich vom Staatssekretariat zum Preis von 10 Mio Euro erworben.

Aber das hält Pena Parra nicht davon ab, in der Notiz zu schreiben, daß er "zur Überzeugung gekommen sei, daß das Staatssekretariat Opfer einer Täuschung geworden war" auf Grund der Tatsache, wie der Leiter des Verwaltungsbüros zuvor gehandelt und "de facto das Staatssekretariat gezwungen hatte, den Vertrag zu erfüllen, Torzi diese große Summe zu bezahlen:
"Mit seiner Unterschrift -voreilig und auf alle Fälle nicht von den Vorgesetzten autorisiert, hatte Perlasca Torzi nicht nur die 1000 Aktien überlassen sondern darüber hinaus alle Exklusivrechte zum Management des Gebäudes [...] und so dem Staatssekretariat beträchtlichen Schaden zugefügt, ganz abgesehen von der Beschädigung des Rufes des Hl.Vaters und der gesamten Kirche."

Tatsache ist, daß die Erstattung der 1000 Aktien mit Franziskus als führendem Handelnden -die laut dem, was in der erklärenden Notiz von Pena Parra geschrieben steht- verhandelt und beschlossen wurde, auf Anordnung des Papstes selbst veröffentlicht wurde.
 
Als er in der Vorbereitungsphase des Prozesses gegen Becciu und andere Angeklagte befragt wurde, bestätigte Perlasca diese Beteiligung des Pontifex, wurde aber vom Staatsanwalt Alessandro Diddi harsch zum Schweigen gebracht: "Msgr., was Sie sagen, trifft auf den Pontifex nicht zu! Bevor wir getan haben, was wir jetzt tun, sind wir zum Hl. Vater gegangen und haben ihn gefragt, was passiert ist und ich mag an jedem meine Zweifel haben, außer am Hl.Vater."
 
Die Veröffentlichung dieser Passage von Perlascas Befragung  durch einen der Verteidiger 
 am vergangenen 17. November, veranlaßte Diddi dazu, sich selbst zu widersprechen und zu leugnen, daß er den Papst gefragt habe.
Aber daß Franziskus zu den Hauptakteuren der Affäre gehörte, die im Vatican-Prozess endete, steht jetzt mittlerweile fest. Und wenn der Angeklagte ihn vor Gericht bringt? Die große Unbekannte wird dann sein, wie man diesen Knoten löst."

Quelle: S.Magister, Settimo Cielo 

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