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Dienstag, 25. Januar 2022

Warum Benedikt XVI nicht verteidigt wird...

Während in D sich die Opportunisten, Mitläufer und andere Feiglinge nicht schnell genug vom Papa emeritus distanzieren können (Freising hat ihm die Ehrenbürgerwürde entzogen, die ihm zuvor einschleimend angedient wurde) hat man die ganze Affäre und ihr Ziel in Italien von Anfang an richtig verstanden und eingeschätzt. Hier erklärt Stefano Fontana die Hintergründe und Umstände in einem Leitartikel für La Nuova Bussola Quotidiana.. Wenn das doch alle lesen würden, die ihn jetzt ad hoc und bedenkenlos schuldig sprechen.
Hier geht´s zum Original; klicken

"BENEDIKT XVI WIRD NICHT VERTEIDIGT, WEIL ER UNBEQUEM IST"
Das Unbequeme an Benedikt XVI ist heute viel ärgerlicher. Allein seine Gegenwart erinnert an viele Dinge, die stören. Die Befürworter des aktuellen "Vorwärtsschubs", die von verschiedenen Positionen aus die Kirche lenken und fürchten, dieser habe sich verlangsamt, können nicht umhin, Benedikt XVI als sehr unbequem anzusehen. 

Wir haben auf diesen Seiten schon über die Vorwürfe gegen Benedikt XVI berichtet, die in  den vergangenen Tagen das Kirchenpanorama erschüttert haben. Und darüber wie- trotz des Schocks nur sehr wenige, wenn auch Verdienstvolle, zu seiner Unterstützung interveniert sind. Beides, sowohl die Breitseiten gegen ihn, als auch das Schweigen derer, die zu seinen Gunsten hätten protestieren sollen, verlangen nach einer zusätzlichen Erklärung. 
Ich erinnere mich, daß am 2. Mai 2009 in La Civiltà Cattolica ein Artikel von Giandomenico Mucci über Benedikt XVI. mit dem Titel "Ein unbequemer Papst?“ veröffentlicht wurde. Ich erinnere mich daran, weil ich als Autor des im folgenden Jahr veröffentlichten Buches "Das Zeitalter des unbequemen Papstes" Bezug auf diesen Artikel genommen habe. Heute würde ich die Breitseiten gegen und das Schweigen gegenüber Benedikt XVI mit denselben Worten erklären.
Diese Dinge passieren, weil er unangenehm ist. Mit einer Klarstellung: Er war damals unbequem, als die Jesuitenzeitschrift so über ihn sprach, aber heute ist er es noch viel mehr. Das liegt nicht daran, daß die Gründe, warum er damals unbequem war, andere sind als die Gründe, warum er heute unbequem war, sondern weil diejenigen, die ihn damals als unbequem empfanden, heute mehr Macht in der Kirche haben als damals. Das Problem besteht darin, zu verstehen, worin die Unannehmlichkeiten durch Benedikt XVI. bestehen und warum sie heute größer sind als gestern. 

Das Unbequeme an Benedikt XVI verursacht heute viel mehr Ärger.  Allein seine Anwesenheit erinnert an a viele störende Dinge. Inzwischen spricht oder schreibt er nur noch sehr wenig oder gar nicht mehr, aber seine Gegenwart hält das, was er geschrieben und gesagt hat, am Leben. Seine Lehren können, solange er lebt, nicht so leicht beiseite geschoben werden, wie man möchte. Er stört nur, weil er existiert. Es ist seine Existenz, die unbequem ist, wie ein sperriges Vermächtnis von Gedanken und Glauben.


Versuchen wir einige Beispiele.
Wäre zur Zeit des Pontifikats von Benedikt XVI. je ein Artikel wie der von Pater Carlo Casalone über Sterbehilfe in La Civiltà Cattolica erschienen? Sein Gegensatz zu seiner Lehre über nicht verhandelbare Prinzipien wäre zu offensichtlich gewesen. Daß es Jesuiten gab, die schon damals (und sogar lange vorher) so dachten, ist sehr wahr, aber daß eine solche These veröffentlicht wurde, ist es nicht. Unter anderem gab es damals noch eine Kongregation für die Glaubenslehre. Allzu leicht wäre dann der Hinweis, daß Traditionis Custodes, das den von Benedikt XVI. wiederhergestellten alten Ritus verbietet, sicher nie erschienen wäre, wir würden weder von weiblichen Lektoren sprechen, noch von der Möglichkeit weiblicher Diakone und noch weniger von weiblichen Priestern.

Die Frage der verheirateten Priester bliebe im Archiv und die ganze Liturgie und Berufungspastoral würde andere Wege gehen. Aller Voraussicht nach wäre auch die Struktur des theologischen Studiums an den Päpstlichen Universitäten anders, da derzeit nach den jüngsten diesbezüglichen päpstlichen Bestimmungen eher eine Dialog- und Synodalitätsmethode historistischer und hermeneutischer als metaphysischer Art vorherrscht. Die gegenwärtige schnelle Entwicklung hin zu einer radikalen Transformation der Moraltheologie würde eine gewisse Zurückhaltung finden, und die "Situationsethik" zusammen mit der absoluten Zentralität des Gewissens würde zumindest durch die Wahrung eines gewissen Bezugs auf das natürliche Sittengesetz gemildert, das durch das göttliche Gesetz selbst vorgesehen ist. Der zweideutige Begriff der "lebendigen Tradition" der Kirche, wo dieses "lebendig" viele evolutionäre Akzente mit sich bringt, würde nicht verwendet werden, um Vertiefung und Aktualisierung des Dogmas zu verwechseln, und man würde nicht so sehr darauf bestehen, keine Angst vor dem Neuen und der Tradition zu haben, die kein Bankkonto oder ein mit Mottenkugeln im Schrank verstautes Kleid ist. 

Ich habe einige Beispiele dafür gegeben, wie viele aktuelle Impulse bei Benedikt XVI. einen Rückhalt finden, die ihn unbequem machen. Ich weiß sehr wohl, daß viele sagen, daß die derzeitige Beschleunigung eines gewissen kirchlichen Abenteurertums seine Prämissen in einigen Positionen von Benedikt XVI. selbst hätte. Aber, wie ich in dem Buch "Benedikt XVI verstehen“ zu erklären versucht habe, ermöglicht die allgemeine Struktur seines theologischen Denkens und seiner päpstlichen Lehre, bei vielen entscheidenden Punkten innezuhalten und nachzudenken, ohne zu weit abzugleiten, einschließlich der Möglichkeit, vieles von dem, was war und in der jüngeren Vergangenheit gelöscht wurde, wiederzugewinnen. Darin liegt heute all seine Unbequemlichkeit. Benedikt XVI. kann den Befürwortern des aktuellen "Vorwärtsschubs“, die von verschiedenen Positionen aus die Kirche lenken und befürchten, daß sie in jüngster Zeit tatsächlich nachgelassen hat, nur sehr unbequem vorkommen. 

In Phasen des Kirchenlebens, wie die, die wir gerade erleben, voller starker Spannungen und schmerzhafter Wehen, können einerseits Initiativen von Verunglimpfung und andererseits stillschweigender Kompromisse, Verlassens und Isolation bis zu Entscheidungen der Kirchenleitung Gestalt annehmen, die sogar den vorherigen Papst beleidigen, der immer noch unter uns ist. Das sind Phasen, in denen man die Früchte der Veränderung schmecken und sie sehr schnell schmecken möchte."

Quelle: S. Fontana, LNBQ

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