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Freitag, 25. Februar 2022

Die 21 in Libyen enthaupteten Märtyrer

Sandro Magister berichtet bei Settimo Cielo über die 21 koptischen Christen, die vor 7 Jahren durch die Hand von ISIS-Mördern das Martyrium erlitten und stellt das Buch vor. das Martin Mosebach über sie geschrieben hat. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"WER WAREN DIESE 21 MÄRTYRER, DIE VON ISIS ENTHAUPTET WURDEN? EINE RECHERCHE"

Einundzwanzig Christen wurden vor genau 7 Jahren, Mitte Februar 2015 von Muslimen des Islamischen Staates als Leute des Kreuzes enthauptet, am libyschen Strand von Wilayal Tarabulus, etwas westlich von Sirte. Das waren 20 Kopten aus Ägypten und ein Gefährte aus Ghana. 

Einige Wochen nach dem Massaker hat der Koptische Papst Tawadros II sie als Märtyrer kanonisiert. Aber über diese einundzwanzig Männer war wenig bis nichts bekannt, bis der renommierte deutsche Autor Martin Mosebach sich in ihre Dörfer traute, um ihre Geschichte zu rekonstruieren und die in einem  Buch, das so unwiderstehlich wie ein Roman ist, weiterzugeben, das jetzt in der bei Cantagalli in der italienischen Übersetzung mit dem Titel "21. Reise in das Land der koptischen Märtyrer" erschienen ist. 

Das Martyrium der Einundzwanzig wurde in einem Video unsterblich gemacht,, das von niemand anderen als ihren Killern produziert und verbreitet wurde, in offener Herausforderung Roms als Symbol für den Christlichen Westen. Aber für die Familien und die Völker dieser Ermordeten verwandelte sich dieses Video in eine Quelle von Freude und Glauben. Bevor sie enthauptet wurden, hatten die Einundzwanzig nur ein gemurmeltes "Jarap Jesus" auf den Lippen, Anrufungen des Herrn Jesus, wie in den Akten der Märtyrer der ersten Jahrhunderte, in einer Kirche in Ägypten, die seit jeher die Jahre ihres Alters seit dem Beginn der diokletianischen Verfolgung zählt und immer noch "Kirche der Märtyrer" genannt wird, fast pausenlos von den Byzantinern, Persern, Arabern. Fatimiden, Mameluken und Osmanen verfolgt- bis zu den heutigen Militär-Regimes, der Muslim-Bruderschaft und ihren fanatischen Nachahmern. 

Die Einundzwanzig stammen fast alle aus Oberägypten, aus Bauerndörfern rund um die Stadt Samalut und unterhalb der Festung Gebel El Teir, am Ostufer des Nils mit dem antiken Schrein, der an die Flucht Jesu, Marias und Josephs erinnert. In EL-Or , hat das Al-Sisi-Regime den Bau einer großen Kirche zu Ehren der Märtyrer und ihrer Reliquien finanziert. Aber das Leben der Kopten in Ägypten ist trotz der Tatsache, daß sie viel zahlreicher sind. als die offizielle Statistik sagt, immer noch massiv bedroht. Martin Mosebach war im Verlauf der Untersuchung von den Befestigungsanlagen überrascht, die errichtet wurden, um die Bischofssitze mit ihren Kathedralen, Schulen und Büros zu verteidigen. 


Aber Mosebach stellte  trotz aller Feindseligkeiten auch ein erstaunliches Wiederaufleben der Koptischen Kirche fest- mit ihren Klöstern in der Wüste- jedes mit Hunderten von Mönchen, von denen viele jung sind. Die normale Heiligkeit der einundzwanzig Märtyrer, wie sie auf den Seiten des Buches beschrieben wird- unten wiedergegeben- ist ein Zeugnis dieses lebendigen und weitverbreiteten Glaubens. 

Mit ihrem unbezähmbaren Glauben nahmen die Einundzwanzig in den einundvierzig Tagen der Gefangenschaft vor ihrer Hinrichtung nicht nur den Islam nicht an, sondern bekehrten einen ihrer Entführer zum christlichen Glauben, der vor seiner Flucht in Sicherheit die Verwandten eines der Gefangenen anrief und von seiner Bekehrung erzählte.

Am Ende seiner Untersuchung fragt sich Mosebach, ob koptische Christen, gestärkt durch ununterbrochene Jahrhunderte des Martyriums, nicht auch Hoffnung für die abgenutzten Kirchen des Westens erwecken können, die heute nach ihrem vergangenen Glanz "genau dort angekommen sind,  wo die koptischen Kirche geduldig durchgehalten hat“, bis sie inmitten ihrer vielen Widrigkeiten wieder aufblühen.

EINE "ABSOLUT NORMALE" HEILIGKEIT

(Aus dem Kapitel "Unter den Famlien der Märtyrer)

16 der 21 Märtyrer hatten nebeneinander in einer Allee in EL-Or gelebt. In den Häusern hing ein Bild des ermordeten Sohnes mit einer Krone und dem weißen Gewand eines Diakons. Kein Haus war in Traurigkeit eingehüllt. Beileid und Mitgefühl waren fehl am Platze. [...]

Das offizielle Martyrologium der Erzdiözese war mangels biografischen Materials eher knapp bei der Beschreibung der Persönlichkeiten der einzelnen Märtyrer. […] Aber nach meinem Besuch in El-Or und den Nachbardörfern wurde mir klar, daß der bischöfliche Chronist einfach niedergeschrieben hatte, was ihm berichtet worden war. Ich selbst habe nicht mehr gehört als er.

Tawadros, der mit 46 Jahren der älteste der Märtyrer war, hat eine Witwe hinterlassen, die ihre drei Kinder nun alleine großziehen muss. Über ihren Mann hatte sie Folgendes zu sagen: "Er war ehrlich und einfach.“ Hätte die Jungfrau Maria  etwas anderes über den heiligen Josef gesagt? Der Pfarrer, der bei mir war, fügte hinzu: "Das waren ganz normale junge Leute, ganz normal. Ich hätte nie gedacht, daß sie eines Tages Heilige werden könnten!“ Aber wenn es sich um ganz normale junge Leute handelte, so handelte es sich bei ihnen ohnehin um eine ziemlich große Normalität. Die Witwe von Tawadros hatte herausgefunden, daß ihm in Libyen geraten worden war, seinen Vornamen zu ändern, weil der Ärger verursachen könnte. Seine Antwort war: "Wer erst seinen Namen ändert, ändert am Ende auch seinen Glauben.“

Mit 41 Jahren war Magued der Zweitälteste der 21, ein stämmiger Bauer mit niedriger Stirn und dichtem Haar. Als ich mich von seiner Witwe verabschiedete, sagte sie mir verlegen, als würde dieses Geständnis sie Mühe kosten: !Er wollte, daß wir alle Engel sind.“

Die junge Witwe des 28-jährigen Samuel, des älteren von zwei Brüdern, zeigte mir zunächst ein gestelltes Familienfoto, auf dem sie mit ihrem Mann und ihren drei Kindern vor einer futuristischen Kulisse stand. Dann fügte sie hinzu, daß ihr Mann von Libyen aus sicherstellen wollte, daß die Familie betete; bei jedem Anruf war dies seine letzte Frage.

Milad, 26, gab sein Fasten trotz seiner anstrengenden Landarbeit und gegen den Rat des Pfarrers nicht auf, dem er antwortete: "Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Das hörte ich von seiner in Trauer gekleideten Witwe, praktisch noch ein Mädchen.  Aus Libyen  haben sie ihr die Bibel zurück geschickt, die er immer in seiner Tasche bei sich trug. Sie kann sie nicht lesen und bewahrt diesen Schatz für ihre Kinder auf. 

Der 23-jährige Girgis, der ältere von zwei Brüdern, der sich kürzlich mit einer Cousine verlobte, verbrachte oft bis zu zwei Stunden damit, in seinem Zimmer zu beten, und sein Vater deutete auf die geschlossene Tür mit ihren farbenfrohen Heiligenbildern, als wäre sein Sohn noch drinnen .

Die junge Witwe des 28-jährigen Luka – der nie die Gelegenheit hatte, seine Tochter zu sehen – erinnerte sich, daß er Gedanken lesen konnte, einschließlich ihrer: "Er schickte mir immer Geld, noch bevor ich sagen konnte, daß ich etwas brauchte.“ Nachdem ich sie besucht hatte, erfuhr ich, daß die jungen Witwen, die ich getroffen hatte, nie wieder heiraten würden, sondern allein bleiben würden, weil sie mit einem Märtyrer verheiratet waren.

Die Mutter von Bishoy und seinem jüngeren Bruder Samuel, eine gebrechliche kleine Frau, hielt ein Bild von letzterem, auf dem er mit großen Augen  und einem gelassenen Gesicht wie auf einer kone erschien. Er sagte immer: WIch bin der Sohn des Königs.“ Im Alter von zwölf Jahren traf ihn ein Stein aus dem dritten Stock am Kopf. "Während er auf der Intensivstation lag, erschien ihm die Heilige Jungfrau und sagte: "Fürchte dich nicht‘, und sofort war er geheilt.“

Im Haus des 23-jährigen Mina steht ein Objekt, das er gebaut hat: das Modell einer koptischen Kirche, so groß wie ein Vogelkäfig, mit kleinen Kuppeltürmen und Rundbogenfenstern, innen von bunten Glühbirnen beleuchtet. Beim Bauen, erzählte mir seine Mutter, blieb Mina von einer schweren Verletzung verschont: "Die Kreissäge rutschte aus und lag schon auf seiner Hand, als sie plötzlich stehen blieb.“ [...]

Nur die Mutter von Kiryollos, die fünf weitere Kinder hatte, konnte mir nichts über ihren Sohn sagen. In seinem Haus herrschte eine heitere Atmosphäre, ein junger Onkel, der Priester war, sagte: „Er hat einfach Tag für Tag gelebt.“ War es das, was ich selbst im Video der Hinrichtung auf dem Gesicht des Märtyrers eingefangen zu haben glaubte, der abwesende Blick, das leichte Anderswo, ein Träumen mit offenen Augen? Auch nach der Enthauptung behielt sein Gesicht diesen Ausdruck. Ich erinnerte mich an diesen Abschnitt aus der Offenbarung: "Dann sah ich die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu willen enthauptet wurden. Sie wurden lebendig und regierten mit Christus tausend Jahre“ (20:4-6). [...] 

Malaks Vater, ein großer gutmütiger Bauer, berichtete, daß er in der Nacht nach dem Mord Zeuge dieses Phänomens geworden sei: am dunklen Himmel sei ein intensives weißes Licht erschienen, "wie aus einer Laserkanone“. Er und die Nachbarn hatten es gesehen, noch bevor sie die Nachricht vom Tod ihrer Söhne erhielten. "Wir wussten nicht, wie es ihnen ging, aber als wir das Licht sahen, war klar: entweder waren sie befreit worden oder sie waren tot.“

Und nach dem Massaker hörten die Wunder nicht auf. […] Dies bestätigte den Familien, aber auch den Nachbarn und vielen Menschen im ganzen Land, daß die Märtyrer wirklich zu Christus gekommen waren. Während der einundvierzig Tage ihrer Gefangenschaft gab es die Qual, ohne Nachricht zu bleiben und sich mit dem Schlimmsten abfinden zu müssen. Als sie jedoch das von den Killern veröffentlichte Video sahen und sicher waren, kam das Vertrauen zurück: "Heute haben wir einen heiligen Märtyrer im Himmel: Wir müssen uns freuen, und nichts kann uns mehr verletzen.“ 

Das war der Grund, warum das Video mit absoluter Selbstverständlichkeit aufgenommen wurde. In jeder Familie gab es ein iPad, auf dem es in voller Länge zu sehen war, ohne erbärmliche Anpassungen und ohne Ausschnitte.  Umgeben von Kindern mit Schnupfen, in Räumen, die mit Fotos der Träger der Krone geschmückt sind, mit einer Ziege vor der Tür und einem Kalb im Nebenzimmer.

In vielen Gesprächen habe ich nie einen Ruf nach Vergeltung oder Rache oder gar nach Bestrafung der Mörder gehört. Es war, als wären die Mörder uninteressant, während die Pracht der Märtyrer sie verdeckte. Was für ihre Söhne zählte, war: Sie hatten "den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt“ (2 Tim 4,7), wie der Apostel Paulus schreibt."

                                                           *   *   *   *   *

Martin Mosebachs Untersuchung über die einundzwanzig Märtyrer der koptischen Kirche hat ein Vorwort von Kardinal Robert Sarah über die authentische Bedeutung des christlichen Martyriums, ganz anders als in der muslimischen Welt üblich.

Das Buch ist Teil einer Reihe von Edizioni Cantagalli, die dem berühmten deutschen Philosophen Robert Spaemann (1927-2018) gewidmet ist und von Leonardo Allodi, Professor für die Soziologie kultureller Prozesse an der Universität Bologna, herausgegeben wurde. Dem wissenschaftlichen Beirat der Reihe gehören unter anderem Kardinal Camillo Ruini, Rémi Brague, Sergio Belardinelli, Carlo Galli, Vittorio Possenti, Gabriella Cotta und Mosebach selbst an.

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo, M.Mosebach

 

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