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Montag, 21. Februar 2022

Hat der Papst eine Agenda, und wenn ja, welche?

A.Gagliarducci kommentiert in seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican den derzeitigen Stand der Kurienreform und fragt sich, ob Papst Franziskus eine Agenda hat oder nicht. 
Hier geht´s zum Original: klicken

"HAT PAPST FRANZISKUS EINEN PLAN?  UND WELCHEN?"

Motu proprio sind Dokumente, die dem Willen des Papstes entspringen. Sie entstammen nicht aus Konsultationen mit der Kurie. Sie mögen vielleicht nicht von einem Vorschlag sondern einfach nur aus dem Willen des Papstes kommen. Anders als die rescripta ex audientia santissimi sind sie normativer formuliert und müssen veröffentlich werden. Die Motu Proprio sind wie ein Brief verfaßt - mit einer Regelung. Reskripte sind Notizen, die der Papst am Ende einer Audienz niederschreibt. Motu proprio werden veröffentlicht und verbreitet. Reskripte nicht unbedingt. Beide sind jedoch von maßgebender Wichtigkeit in der Regierung von Papst Franziskus. 

Alle wichtigsten Regeln des Pontifikates sind aus motu proprio entstanden. Alle entscheidenden Regeländerungen sind das Resultat von Reskripten. Andererseits kommt die Apostolische Konstitution der Kurienreform, von der nur der Name Praesdicate Evangelium bekannt ist, nur langsam. Die Statuten der neuen Dikasterien wurden auf der Vatican-website in die Sektion motu proprio eingegliedert. 

Die Status-Änderungen einiger Dikasterien haben oft zu minimalen Änderungen oder einer Kopie und Übernahme früherer Ideen geführt- denken Sie an die Umbenennung der Financial Intelligence Autorität in Finanz-Information und -Supervisions- Autorität, eine Idee, an die Kardinal Attilio Nicora, erster Präsident der Behörde schon gedacht und die dann er wieder verworfen hatte. Große Gesetzesreformen wie die des Strafgesetzbuches sind schon seit längerer Zeit in Arbeit. Die neuen legislativen Reformen- wie die des Beschaffungsgesetzes- sind nötig, weil sie sich aus internationalen Verträgen ergeben. 

An diesem Punkt ist es legitim uns zu fragen, was die Agenda von Papst Franziskus ist. Und es ist noch angemessener das am Ende einer Woche zu tun, in der Papst Franziskus zwei motu proprio  veröffentlicht hat, die beide wichtig sind. 

Das erste, am 14. Februar Veröffentlichte ändert die Struktur der Glaubenskongregation:  sie war zuvor in 4  Büros unterteilt und wird jetzt in 2 Sektionen geteilt. Vorher arbeiteten die 4 Büros harmonisch zusammen und die Theologie stand immer im Vordergrund.  Doktrin  und Disziplin sind jetzt zwei getrennte Abteilungen, mit zwei Sekretären (wahrscheinlich beides Erzbischöfe) auf gleicher Ebene. 



Das zweite motu proprio, das am 15. Februar veröffentlicht wurde, ändert den Kodex des Kanonischen Rechts und überträgt den Bischöfe einige Kompetenzen, die bis jetzt beim Hl. Stuhl lagenMehr als alles andere ist der Apostolische Stuhl jetzt berufen, die Entscheidungen der Bischöfe zu verschiedenen Themen, wie die Abfassung von Katechismen, zu bestätigen und nicht mehr zu billigen. Also mehr Autonomie für die Bischöfe, die jedoch weniger Hilfe vom Apostolischen Stuhl zur Harmonisierung von Entscheidungen haben werden. Gleichzeitig mehr Willkür für den Apostolischen Stuhl, weil alles davon abhängt, wie er sich jeweils entscheidet, das Instrument der Bestätigung anzuwenden.

Ein summarischer Blick auf die motu proprio -ohne zu sehr ins Detail zu gehen,- kann Papst Franziskus´ Agenda enthüllen.

Der erste Hinweis ist, daß Papst Franziskus keine systematischen Reformen will, Er fängt eine an- die der Kurie- über die seit Jahren diskutiert wird. In der Zwischenzeit trifft er jedoch Entscheidungen; er läßt sie konkret werden, ohne daß es einen Gesamttext gibt. Zur Zeit sind Papst Franziskus´ Reformen nicht in eine Apostolische Konstitution eingebunden, die sie dauerhaft werden ließe. und sie sind noch nicht einmal in die bestehende Apostolische Konstitution Pastor Bonus integriert worden.  Bis jetzt konnte ein neuer Papst Reformen durch einen Federstrich widerrufen. Will Papst Franziskus auf diese Weise den Funktionalismus in der Kirche bekämpfen? Oder ist es einfach nur die Art und Weise, wie er Entscheidungen trifft, jedem zuhören, aber niemanden konsultieren?

Der zweite Hinweis ist, daß Papst Franziskus die Entwicklung einer Synodalen Kirche zeigen will. Aber synodal bedeutet nicht kollegial.
Synodalität beinhaltet das gemeinsame Gehen, aber immer die Entscheidung eines einsamen Führers. Die neue Struktur der Kongregation für die Glaubenslehre läuft Gefahr, die Kollegialität zugunsten größerer Funktionalität zu verlieren. Das Dikasterium wird spezialisierter, aber weniger kollegial. Wahrscheinlich wird es, zumindest was den Disziplinarbereich betrifft, auf externe Experten oder Diözesen zurückgreifen müssen. Dort wird sich die Synodalität zeigen. Ist die Synodalität für Papst Franziskus also eine Möglichkeit, die zentrale Macht zu stärken? Oder fehlen dem Papst die organisatorischen Fähigkeiten und er kann die Strukturen nicht effizient organisieren?

Der dritte Hinweis ist, daß der Papst keine Bedenken hat, das kanonische Recht zu ändern, wenn er es braucht. Wie er sagt, tut er dies, um eine "gesunde Dezentralisierung“ zu fördern, aber da er die Entscheidungen selbst trifft, hat er die Macht in seinen Händen gebündelt. Ist sich Papst Franziskus des Widerspruchs bewusst, den er mit seinem Handeln erzeugt? Oder glaubt er, daß nur so alte Mechanismen überholt werden können?

Abgesehen von den durch diese Hinweise offen gelassenen Fragen gibt es noch weitere Fragen. Plant der Papst zum Beispiel, alles durch Versuch und Irrtum voranzutreiben, ohne einen genauen Zeitplan, wie er immer sagt, daß er das tut? Oder ist das Projekt wirklich ein Chaos, das Verwirrung stiftet, um die Dinge zu finden, die ihm am wichtigsten sind? 

Diese letzte Frage ergibt sich aus einer persönlichen Erklärung "des Papstes, der sagte, er habe den Rücktritt des Pariser Erzbischofs Michel Aupetit auf dem Altar der Heuchelei angenommen.". Worte, die suggerieren, daß viele andere Entscheidungen auf diesem Altar getroffen worden sind, wenn man eher ihre Wirkung auf die Öffentliche Wirkung bedenkt als ihre aktuelle Effektivität. 

Am Ende gibt es das Risiko eines Paradoxons. Die Entscheidungen des Papstes sagen- daß sie Zentralisierung. Funktionalismus, Bürokratisierung von Rollen vermeiden wollen, aber sie gehen in diese Richtung. Das ist das Risiko wenn Realität höher geschätzt wird als Ideen. Absoluter Pragmatismus beim Regieren führt dazu, daß man Ideale aus den Augen verliert. Genau das Ideal, das-  die Priester- wie Papst Franziskus sie bittet- immer lebendig bewahren sollen, wie er es in seiner Eröffnungsrede für das Priester-Symposium am 17. Februar tat.2

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

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