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Montag, 7. März 2022

Zur Diplomatie des Hl. Stuhls im Ukraine-Konflikt

In seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican setzt sich A. Gagliarducci mit der Stellung und den Möglichkeiten des Hl. Stuhls und seiner Diplomatie im Ukraine-Krieg auseinander.
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS´  ÖKUMENISCHE DIPLOMATIE IN DER UKRAINE" 

"Man weiß nicht, ob es ein zweites Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarch Kyrill geben wird. Sei zwei Jahren wurde ursprünglich an Kazachstan als möglichen Ort des Treffens gedacht, anläßlich des Festes der Religionen und weil der Päpstliche Rat für den interreligiösen Dialog mit Nur Sultan ein Memorandum zum Verständnis für die Themen des Dialogs unterzeichnete. Die Unruhen in Kazachstan jedoch, denen (auch dort) eine russische Intervention folgte, hat diese Option scheitern lassen. Die zweite Option war die Abtei von Pannonhalma in Ungarn, einem ökumenischen Ort, der schon einmal für ein Treffen zwischen Johannes Paul II und Alexej II in Betracht gezogen wurde, Das war eine Möglichkeit, aber auch die wurde verworfen. Am Ende gibt es die Vorstellung einer Reise nach Jerusalem, wo eine gemeinsame Friedenserklärung unterzeichnet wird. Aber es gibt auch die Ansicht, daß wenn das passieren sollte, dann mit allen´Christlichen Gemeinschaften, in einem ökumenischen Schub, der nur aus der Heiligen Stadt kommen kann.

Bei seiner Rückkehr aus Griechenland ließ Papst franziskus wissen, daß er gern zu einem zweiten Treffen bereit sei und betonte, daß das ein Treffen von Brüdern sein solle, ohne Protokoll."  Worte, die die verständnisvolle Offenheit des Papstes für einen Dialog mit dem Moskauer Patriarchates bezeugte.

Hintergrund ist- wie wir wissen- daß Papst Franziskus träumt, der erste Papst der Geschichte zu sein, der nach Moskau reist. Und für diesen Traum, der ein starkes symbolisches Gewicht, ist er auch bereit, ein bißchen Protokoll zu opfern. 

Das wird durch die gemeinsam mit Patriarch Kyrill in Havanna unterzeichnete Erklärung bezeugt. Wichtige Themen wurden ebenso angesprochen- wie die Unierten Kirchen- aber immer vom russischen Standpunkt aus.Tatsächlich wurden nur die beiden entführten orthodoxen Bischöfe erwähnt- kein Hinweis auf Katholiken mit dem selben Schicksal- wie Fr. Paolo Dall`Oglio, von dem es seit Jahren keine Spur gibt.  

Die Havanna-Erklärung enthält auch zwei Paragraphen zur Ukraine-Frage. Unter Nummer 26 lesen wir: "Wir bedauern die Feindseligkeit in der Ukraine, die bereits viele Opfer gefordert, friedlichen Einwohnern unzählige Wunden zugefügt und die Gesellschaft in eine tiefe wirtschaftliche und humanitäre Krise gestürzt hat. Wir laden alle am Konflikt beteiligten Parteien zur Besonnenheit, zur sozialen Solidarität und zu friedensstiftenden Maßnahmen ein. Wir laden unsere Kirchen in der Ukraine ein, auf soziale Harmonie hinzuarbeiten, sich nicht an der Konfrontation zu beteiligen und keine weitere Entwicklung des Konflikts zu unterstützen. ”

Unter Punkt 27 betonten Papst Franziskus und Kyrill: "Es ist unsere Hoffnung, daß die Spaltung zwischen den orthodoxen Gläubigen in der Ukraine durch bestehende kanonische Normen überwunden wird, daß alle orthodoxen Christen der Ukraine in Frieden und Harmonie leben können und daß die Katholiken im Land dazu beitragen können, daß unsere christliche Brüderlichkeit immer deutlicher zur  .Gemeinschaft wir

Bei La Croix sagte Yves Lamant, ein Experte für russische Angelegenheiten, dass die Erklärung aktualisiert werden sollte, und nannte sie „völlig veraltet“, weil sie nicht berücksichtigt, daß es jetzt einen Angreifer und einen angegriffenen Staat gibt.


Aber schon damals war diese Aussage problematisch und hat eine breite Debatte ausgelöst. Großerzbischof Swjatoslaw Shevtchuk, Vater und Oberhaupt der ukrainisch-griechisch-katholischen Kirche, betonte sofort: "Wir können uns mit unseren Brüdern versöhnen. Wir können uns nicht mit der Geopolitik versöhnen.“

Das war 2016. Kurz vor dem Konflikt betonte der Großerzbischof, daß er ein neues Treffen zwischen Papst Franziskus und Kirill begrüße, um die notwendige Ökumene in der Ukraine zu schaffen, um Konflikte zu vermeiden. Wir müssen uns treffen, um die Wunden der Geschichte zu heilen.

Der Ansatz von Papst Franziskus, ohne Protokolle, ohne Vorbedingungen, birgt die Gefahr, ein Problem zu schaffen, weil er aus historischer Sicht keine Richtlinien setzt. Als ob die Wunden der Geschichte keine Rolle spielten oder beiseite geschoben werden könnten.

Wenn Moskau heute Kiew fürchtet, dann deshalb, weil es in Kiew ein antirussisches, proeuropäisches Wiederaufleben erlebt hat, das es nicht versteht. Moskau fühlt sich umzingelt und greift an, um nicht angegriffen zu werden. Aber was Russland nicht erkennt, ist, daß die Unterdrückung, Unterdrückung und Verfolgung von Christen und die Verweigerung von Freiheiten, die es in der Zeit der Sowjetunion gab, frische Wunden sind. Niemand will in diese Zeit zurückkehren. Russland ist unwiderruflich damit verbunden. Jeder Angriff, jede schroffe Verteidigung seines Einflussbereichs beschwört das Gespenst der Rückkehr einer Sowjetmacht herauf, die niemand will.

Es mag 2014 westliche Unterstützung für die Revolution der Würde gegeben haben, aber die Tatsache bleibtm daß die Ukraine alles tun wollte, um sich vom russischen Einfluss zu befreien, koste es was es wolle. Die Ukraine mag ein Staat mit diversen Problemen sein- einschließlich einigen Zeichen des Autokratismus, den Präsident Zelenskyi manchmal zeigt, aber da bleibt ein Volk, das nicht unterworfen werden kann. 

Das sind alles Themen, die von der Diplomatie des Hl. Stuhls und auch von Papst Franziskus bedacht werden müssen. Z.B. beeilte sich der Papst nach dem Treffen mit Patriarch Kyrill den Journalisten, die mit ihm von Havanna zurückflogen, zu erklären, daß das eine "pastorale" Erklärung war und lud sie dazu ein, sie nicht von einem politischen Standpunkt zu lesen. Der Papst denkt, daß man die Ukraine-Frage ebenso behandeln kann. 

In diesem Sinne verstehen wir den Besuch der russischen Botschaft am 25. Februar, einen völlig protokollwidriger Akt, den manche damit rechtfertigten, daß der Papst mit Putin sprechen wollte, der nur über eine sichere russische Leitung sprechen konnte. Wir wissen das nicht, aber es scheint, dass das Gespräch des Papstes nur ein Gespräch war, mit einem pastoralen Zweck. Und man fragt sich, warum er nicht mit dem gleichen pastoralen Ziel zur ukrainischen Botschaft beim Heiligen Stuhl gegangen ist und vielleicht sogar die ukrainisch-griechisch-katholische Basilika Santa Sofia in Rom besucht hat, von wo aus die Hilfe für das Land koordiniert wird .

Das katholische humanitäre Netzwerk leistet hervorragende Arbeit, und die stille Diplomatie versucht vorsichtig, in einer schwierigen Situation einen Ausgleich herzustellen. Auch Erzbischof Visvaldas Kulbokas, der Nuntius in der Ukraine, ließ in einer Sendung des italienischen Staatsrundfunks wissen, daß man sich noch Gedanken darüber machen müsse, ob und wie man die Beziehungen zu einer im Falle eines russischen Sieges  eingesetzten pro-russischen Regierung aufrechterhalten könne. Tatsächlich bricht der Heilige Stuhl niemals diplomatische Beziehungen ab. Es bleibt vor Ort. Er hilft den Menschen.

Heute könnte ein Treffen zwischen Papst Franziskus und Kyrill - Kyrill mehr helfen als Papst Franziskus. Denn Patriarch Kyrill erscheint zunehmend isoliert in seiner Position der Verteidigung eines Großrusslands (was auch Putins Sicht ist). Gleichzeitig kommen von allen anderen orthodoxen Kirchen direkte oder indirekte Verurteilungen wegen der Aggression gegen einen souveränen Staat. In einigen Fällen haben die Menschen sogar aufgehört, in der Göttlichen Liturgie für Patriarch Kyrill zu beten, worauf das Patriarchat von Moskau mit Härte reagierte.

Bei all dem gibt es für die katholische Kirche in Europa viel Raum, um einen wirklich versöhnten Kontinent zu schaffen. Als ich in meinem Buch „Christus, die Hoffnung Europas“ die Geschichte des Konzils der Bischofskonferenzen Europas rekonstruiert habe, konnte ich feststellen, daß es gerade das Netzwerk der Ortskirchen war, die jenseits des Eisernen Vorhangs vereint waren, und zwar ohne den Eisernen Vorhang zu berücksichtigen-  dieses Gewebe geschaffen haben, das es der verfolgten Kirche ermöglicht hat, Widerstand zu leisten und dann den Kontinent wieder aufzubauen.

Heute ist die Katholische Kirche aufgefordert, als Vermittlerin zur Lösung heißer Konflikte und als Vermittlerin zwischen den Völkern zu fungieren, um die Wunden der Geschichte zu heilen. Die Versöhnung zwischen Brüdern muss auch zur Versöhnung der Verantwortlichkeit werden. Aber für diese Versöhnung reichen pastorale Gesten nicht aus. Es kann nicht ausreichen, zu zeigen, daß man sich trifft. Es reicht nicht aus, sich auf die einzigartigen gemeinsamen Themen Leben und Familie zu einigen. Wir müssen daran arbeiten, eine neue Kultur zu schaffen.

Vielleicht könnte die vierte europäische ökumenische Versammlung, die gerade organisiert wird, ein Ausgangspunkt sein. Und 2025 könnte der 1700. Jahrestag des Konzils von Nicäa eine Wiedergeburt darstellen. Das müssen wir hoffen."

Quelle: A.Gagliarducci, Monday in the Vatican

Übersetzungsergebni

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