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Montag, 20. Juni 2022

Papst Franziskus: die Unzulänglichkeit des personalistischen Regierungsstils

In seiner heutigen Kolumne für Monday in the Vatican kommentiert A. Gagliarducci noch einmal den personalistischen Regierungsstil. 
Hier geht´s zum Original:  klicken

"PAPST FRANZISKUS, DIE GRENZEN DES PERSONALISMUS"

Auf unterschiedliche Art spiegelt der Umgang von Papst Franziskus sowohl mit dem Malteser Orden als auch mit dem Verzicht des emeritierten Erzbischofs von Gent, Lucas van Looy auf das Kardinalat wieder, wie der Pontifex vorgeht. Jetzt mehr denn je. Papst Franziskus ist alleiniger Kommandierender  und pflegt ein besonders personalistisches Umgehen mit den Dingen.

Besonders das Eingreifen beim Malteser Orden ist symbolisch. Wahr ist, daß Päpste auch in der Vergangenheit eingegriffen haben und daß der Orden, ein Staat ohne Territorium mit bilateralen Beziehungen zu vielen Ländern in der Welt, seine besondere Souveränität einem Zugeständnis von Paschalis II verdankt. Eine religiöse Körperschaft ist der Orden nur in Bezug auf seine geweihten Mitglieder aber nicht in seiner Leitung, die gemäß der Verfassung nur geweihten Personen anvertraut ist. 

Papst Franziskus hat nicht nur entschieden, daß der für eine erneuerbare einjährige Amtszeit amtierende Leutnant des Großmeisters, Fra´ Marco Luzzago, im Amt bleibt bis der Reformprozess vollendet ist. Nach Fra´ Luzzagos plötzlichem Tod ernannte der Papst sofort und persönlich  Fra´ Dunlap zum neuen Leutnant des Großmeisters  und trampelte dabei auf den internen Regeln des Ordens herum  die eine dreimonatige Interimslösung durch den Großmeister und dann Neuwahlen vorsehen. 

Auf diese Weise hat Papst Franziskus die Souveränität des Ordens massiv bedroht und Voraussetzungen für ein internes Schisma innerhalb des Ordens selbst geschaffen, wenn die Reformen dann dazu führen, die Ritter einfach nur als religiösen Orden zu behandeln. 

Der Malteser Orden hat nichtsdestotrotz die Entscheidung des Papstes akzeptiert, die nach der Begegnung mit dem Delegierten des Papstes beim Malteser Orden, Kardinal Silvano Maria Tomasi und dem designierten Kardinal Gianfranco Ghirlanda getroffen wurde. 

Ghirlanda hatte weder eine wirkliche Aufgabe noch einen Grund, um bei dem Treffen anwesend zu sein. Seine Anwesenheit ist der Beweise, daß der Papst keine Probleme damit hat, seine Entschlüsse zu formalisieren. Er verläßt sich auf Personen, denen er vertraut und gibt ihnen auch ohne offizielle Ernennung Gewicht.


Nicht nur. Indem er Ghirlanda den Kardinalshut gibt, hat Papst Franziskus jeden möglichen Widerstand gegen seine Reform blockiert, die nur aus dem vaticanischen Staatssekretariat kommen könnte. Welche Möglichkeit zur Abweichung hat Parolin, wenn Ghirlanda wie er, Staatssekretär Parolin,  Kardinal ist?

Aber das ist der modus operandi von Papst Franziskus. Der nimmt denen Macht, die sie formal hätten und gibt sie informell denen, die mehr mit seiner Art zu denken, überein stimmen. Er denkt nicht über die Konsequenzen nach sondern über das Handeln. Er entscheidet und wenn seine Entscheidungen verhindert oder auch nur in Frage gestellt werden, stellt er sicher, daß es keine Hindernisse gibt. 

Das ist eine Argumentation die auch für die Kurienreform gilt, die über Monate verborgen blieb. Ihre Ankündigung war -nur drei Monate vor ihrer Durchführung- eine Überraschung. Aber Papst Franziskus hat so auch beim letzten Konsistorium agiert, das auch erst drei Monate vor seinem Beginn angekündigt wurde, wie üblich ohne irgendwem irgendetwas zu sagen, nicht einmal den Kardinälen.

So kam es, daß der designierte Kardinal Lucas van Looy, Erzbischof em. von Gent und Freund von Papst Franziskus, darum bat, wegen fortbestehender Anschuldigungen, Fälle von sexuellem Mißbrauch vertuscht zu haben, nicht zum Kardinal kreiert zu werden. Für ihn würde das nicht viel ändern, weil er über 80 Jahre alt ist und deshalb nicht am Konklave teilnehmen darf. Die Bischofskonferenz hat diese Bitte unterstützt. Der Papst hat sie akzeptiert. 

Zum ersten mal in der Neuzeit weigert sich ein Kardinal, vor seiner Kreierung Kardinal zu werden. In der Vergangenheit haben die Päpste die direkt Betroffenen von ihrer Ernennung zum Kardinal informiert, die dann im Geheimen ablehnen konnten. Jetzt sagt der Papst niemanden, was er in seinem Herzen plant und die Kardinäle erfahren von ihrer bevorstehenden Kreierung erst nach der öffentlichen Ankündigung. Deshalb könnten immer mehr Kardinäle, die vielleicht unterschätzte Probleme haben, daran denken, sich weigern. 

Es ist jedoch verblüffend, daß der Papst einen solchen Verzicht akzeptiert und so einen weiteren Bischof auf dem Altar der Heuchelei opfert, nachdem er den Rücktritt des Erzbischofs von Paris Michel Aupetit aus dem selben Grund angenommen hat. In der Praxis hat die Kirche Angst davor, Entscheidungen zu treffen, wann immer die Öffentliche Meinung ein Faktor ist. Und die Kirche kann sie nicht treffen, u.a. weil sie es schwierig findet, die Pläne des Papstes zu verstehen. 

Alles ist deshalb miteinander verbunden. 

Das personalistische Management des Papstes führt zu einem Mangel an Organisation und zu Kurzzeit-Visionen. Der Grund, neue Kardinäle zu kreieren, ist auch persönlich, sogar bis dahin, daß der Papst die neuen Rothüte nicht warnt, sondern Entscheidungen trifft, ohne die Möglichkeit davon Abstand zu nehmen. Hier verzichtet ein designierter Kardinal sogar bevor er den Roten Hut empfängt und schafft so für die Kirche und den Papst selbst ein Glaubwürdigkeitsproblem (warum verzichten, wenn er nichts getan hat?  Warum hat der Papst ihn zum Kardinal kreiert, ohne zu prüfen, ob es Probleme geben könnte?

Das selbe geschieht bei der Behandlung des Malteser Ordens, wo der Papst die Dinge in die eigenen Hände genommen und entschieden hat, daß der Orden als Religiöser Orden geführt werden soll. Er hat dem Rat einiger vertraut, aber vor allem ist er seinen eigenen Instinkten gefolgt. Und indem er das tat, hat er den Graben innerhalb des Ordens vertieft. Durch seine Aktionen besteht das Risiko, daß der Orden schrittweise seine internationale Anerkennung verliert. Im Gegenteil- die Organisationen des Ordens, die es leid sind, übergangen zu werden, werden sich von einem Orden lösen, der nicht mehr das selbe Gewicht hat wie zuvor. 

Der Papst mag erreicht haben, was er will, aber zu welchem Preis? Er weiß, daß das selbe mit dem Hl. Stuhl passiert. Ängstlich bemüht gegen Korruption und Karrierismus vorzugehen, ließ der Papst ein Schnellverfahren einleiten, hat in den Prozess eingegriffen und die Vorrechte des Heiligen Stuhls gefährdet. 

Aber das ist, was er generell tut, wenn er leicht dahin spricht, den Gedanken ankündigt nach Moskau zu fahren, aber gleichzeitig Patriarch Kyrill als Putins Ministranten brandmarkt, über private Unterhaltungen mit Staatsoberhäuptern berichtet oder ohne jede diplomatische Sensibilität oder die übliche Vertraulichkeit seine Meinungen bekannt gibt.

Es verblüfft auch, daß der Papst, um Gewaltakte zu rechtfertigen, immer darauf zurückgreift, Ausnahmefälle zu zitieren, in denen das Handling die Art, wie er operiert, zu unterstützen scheint. Z.B. hat die Entscheidung zum Malteser Orden ein Vorwort, das daran erinnert, wie andere Päpste in die Leitung des Ordens eingegriffen haben. Er hat das auch bei anderen Gelegenheiten so gemacht und sich auf die Kirchenväter oder andere Regierungsentscheidungen berufen. 

Außerordentliche Entscheidungen schaffen keine Normen. Sie sind nur außerordentliche Entscheidungen. Sie können nicht benutzt werden, um ein personalistisches Management zu rechtfertigen, das eher stilistischer Art ist, als die natürlich Frucht einer Überlegung. Der Papst wollte das tun, was er getan hat und er hat nach einer Rechtfertigung für diese Entscheidung gesucht, die in den Augen der Welt nicht allzu harsch erscheinen sollte. Nach allem hat der Papst, wenn er in eine Richtung führt, nicht einmal Angst davor, die Regeln zu brechen und dann jene massiv zu konfrontieren, die seinem Willen widersprechen- denken Sie nur an die Bitterkeit des Papstes gegenüber der traditionalistischen Welt, die er mit Traditionis Custodes schwer getroffen hat. 

Am Ende ist jede Aktion des Papstes eine persönliche Sache. Der Papst regiert und ist überzeugt, daß dieser Weg der richtige ist. Er hat keine Angst davor, Regeln zu  brechen oder das Kanonische Recht zu ändern, wenn es sein muß. Er denkt nicht über die Langzeit-Wirkung nach, weil er überzeugt ist, daß die Wirklichkeit über Ideen steht und die Dinge hier und jetzt getan werden müssen. 

Sein Handeln beim Malteser Orden ist ein Spiegel seiner Aktionen beim Hl. Stuhl. Die Frage des Verzichts Van Looys ist eine Konsequenz der persönlichen Entscheidungen und Ernennungen des Papstes, die mehr symbolsicher als substantieller Art sind. Dann verzichtete er darauf, sie zu verteidigen, genau weil ihr Beitrag nur symbolisch war. 

Über die Jahre ist jedoch die ganze Unzulänglichkeit seiner Handlungsweise zutage getreten. Es gibt ein Ende-der-Welt-Klima, das für viel Verwirrung sorgt, das aber - vor allem- auf Dauer den Papst in Schwierigkeiten bringen wird."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday in the Vatican

 

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