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Mittwoch, 24. August 2022

Der Vatican-Prozess, die Vatican-Finanzen, die Kurien-Reform und der Papst

Sandro Magister kommentiert den Stand der Dinge im Vatican-Prozess um die Londoner Immobilie nachdem das Londoners Revisionsgericht dem Finanzberter Mincione in allen Belangen Recht gegeben und festgestellt, daß das Staatssekretariat sich im Verfahren vor der Rota nicht länger als "neutral" bezeichenen kann, sondern als Partei zu betrachten ist. 

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"SCHLECHTE NEUIGKEITEN AUS LONDON FÜR DEN PAPST. DER PROZESS LEGT IHM DIE DAUMENSCHRAUBEN AN" 

Es gab zwei praktische Aufgaben, die die Kardinäle Jorge Mario Bergoglio anvertraut haben, als die ihn 2013 zum Papst gewählt haben: die Kurienreform und die Neuorganisation der Vatican- Finanzen. 

Maßgebend für den ersten Programmpunkt ist die am 19. August 2022 erlassene Apostolische Konstitution "Praedicate Evangelium“. Für den zweiten Punkt die Veröffentlichung der vatikanischen Bilanzen 2021 zu Beginn dieses Monats August .

Die Kurienreform wird beim Konsistorium bewertet werden, das Papst Franziskus für den 29. und 30. August einberufen hat. Bzgl. der Vatican-Finanzen ist jedoch keinerlei Beratung geplant. Aber gerade da, wo bereits -weder wenig noch unbedeutende -Kritik an der Reform aufgekommen ist, passiert das selbe auch mit der Neuorganisation der Konten.

Gerade die Art, wie die Bilanz veröffentlicht wurde, entsprach nicht den Erwartungen. Es gab keine Pressekonferenz zur Präsentation mit Gelegenheit für Fragen, Widerspruch und Klärung. Die Veröffentlichung der Dokumente wurde lediglich von zwei institutionelle Interviewsmit dem Präfekten des Wirtschafts-Sekretariats, dem Jesuiten Antonio Guerrero und mit dem Präsidenten der ASPA , Erzbsichof Nunzio Galantino, in den Vaticanmedien begleitet.

Der Rückwärtsschritt in der Kommunikation ist bemerkenswert - im Hinblick darauf, was einige Zeit zuvor schon mit dem Jahresbericht der AIF (Finanzautorität) passierte, als Präsident René Bruelhart und Direktor Tommaso Di Ruzza sich im Presseraum der- zum Teil beißenden Kritik- der Journalisten stellten.

In diesen Tagen werden di Jahresberichte der ASPA,- die inzwischen den Namen in ASIF (Autorität der Supervision von Information und Finanzen) geändert hat- wie des IOR, der Vatican-Bank- veröffentlicht, ohne Fragen der Journalisten zuzulassen. Mit einem Vorbehalt, der in eklatantem Gegensatz zum überbordenden Kommunikations-Stil von Papst Franziskus und seiner unaufhaöltsamen Flut von Interviews zu stehen scheint..

Der vielleicht wichtigste neue Zug des Budget des Hl. Stuhls von 2021 ist die Einbeziehung von gut 92 Posten- gegenüber den 60 des vergangenen Jahres. Aber die Guthaben und Verpflichtungen jeder diesen Postens bleiben unbekannt, untergegangen in der Gesamtbilanz . Mich würde interessieren, z.B. die aktuellen Kosten der einzelnen Vatican-Medien zu kennen. deren Ausgaben viel höher sind als ihre Einnahmen- besonders für den Osservatore Romano.


Bei einigen Institutionen gab es Verhsuche die Kosten einzudämmen, aber bei anderen ist das Gegenteil passiert. Der Gerichtshof der Römiscen Rota, der sich in der Vergangenheit mit seinen Prozessen selbst finanzierte, hat jetzt ein Defizit, weil Papst Franziskus ihn allen zugänglich gemacht hat, "um zu verhindern, daß Gerechtigkeit nur jenen zur Verfügung steht, die sie bezahlen können". Mit dem Resultat- sagte Fr. Guerrero in dem Interview, das die Veröffentlichung der Finanz-daten begleitete- daß, um über die Runden zu kommen , "der Hl. Stuhl durchschnittlich Vermögenswerte von 20-25 Millionen Euros jährlich verloren gegeben müsse" bei einem Netto-Vermögen von heute 1,6 Milliarden Euros.

Zu bemerken ist, daß das Budget des Hl. Stuhls für 2021 nicht das der APSA einschließt, deren Budget getrennt veröffentlicht wurde und das den größten Teil der beweglichen und unbeweglichen Vermögensgüter des Hl. Stuhls darstellt - einschließlich derer, die bis vor einem Jahr beim Staatssekretariat lagen, wobei der Immobilienbesitz aus mehr als 4000 Gebäuden in Italien und mehr als 1000 im Ausland besteht- mit wertvollem Eigentum in London, Paris, Genf und Lausanne.

Außerdem gibt es seit 2015 unerklärlicherweise keine Veröffentlichung des Governatoratos des Vatican-Staates mehr, der dank aller Einkünfte der Museen immer einen erheblichen Beitrag zu den Einkünften des Hl. Stihls geleistet hat.

Und am Horizont droht der Zusammenbruch der Pensionen- im Hinblick darauf, wie Fr. Guerrero zugab, daß "wir mehr versprechen, als wir uns wirklich leisten können"- ohne die nötigen Korrekturmaßnahmen ergriffen zu haben.

Das zeigt, daß viel zu tun übrig geblieben ist, um Ordnung, Transparenz und Nachhaltigkeit in den Vatican-Konten zu schaffen. wie die aufmerksamen Beobachter beklagen.

Aber was heute dem administrativen und finanziellen Ansehen des Heiligen Stuhls am meisten schadet, ist etwas, das über die Bilanzen hinausgeht. Es ist die Affäre um die Immobilie in London, Sloane Avenue 60, die nicht nur im Vatikan die Gerichtssäle beschäftigt und selbst die höchsten Autoritäten der Kirche, einschließlich des Papstes, in immer größere Gefahr bringt.

Settimo Cielo hat bereits ausführlich dokumentiert, wie Papst Franziskus im laufenden Prozess im Vatikan als Regisseur, Drehbuchautor und Schauspieler fungiert. Er war es – und er hat das selbst gesagt – der den Prozess gewollt und in Gang gesetzt hat. Er ist es, der ihn nach seinem Geschmack gelenkt hat, mit vier aufeinanderfolgenden "Rescripta“, die die Regeln während des laufenden Verfahrens geändert haben. Er war es, der den berühmtesten der Angeklagten, den unglücklichen Kardinal Giovanni Angelo Becciu, im Voraus und ohne Beweise verurteilte und ihn sogar von einem zukünftigen Konklave ausschloss. Er war es, der die Fäden in den Verhandlungen gegen den Finanzier Gianluigi Torzi gezogen hat, um zu einem hohen Preis – einem Preis, den das Staatssekretariat weiterhin als Erpressung wertet – das letzte entscheidende Aktienpaket für das Londoner Gebäude zurückzukaufen. ( Judge and Defendant. The Pope’s Two Bodies, in the Trial of the Century).

Aber jetzt ist da mehr. Der im Vatikan laufende Prozess steht kurz vor einem Duplikat in London, der erste Hinweis darauf kam am 26. Juli mit dem Urteil des Zivilberufungsgerichts von England und Wales, das – anders als das Urteil der Vorinstanz – Raffaele Mincione, dem britischen Finanzier, der die erste Phase des Kaufs des Londoner Gebäudes durch das Staatssekretariat verwaltete, einstimmig Recht gab, der sich gegen die Anschuldigung des Staatssekretariats an ein englisches Zivilgericht gewandt hatte, um die Richtigkeit und den guten Glauben seines Handelns festzustellen zu lassen, weil das Staatssekretariat ihn gezwungen habe, die Liegenschaft zu weit über dem Marktpreis liegenden Preisen zu erwerben.

Nicht nur das. Indem es sich auf die Seite Minciones stellte, hat das Englische Appellationsgericht anerkannt, daß das Staatssekretariat in der Affäre Partei ist und sich selbst nicht länger als "neutral" betrachten, weil es sich im aktuellen Prozess im Vatican als Zivilkläger gegen die Angeklagten dargestellt hat. Und es hat es angewiesen, die Gerichtskosten der Revision des Finanzberaters zu bezahlen. mit einer Vorauszahlung von 200.000 Pfund bei geschätzten Gesamtkosten von rund einer halben Million.

Durch den Ausschluss der "Neutralität“ des Staatssekretariats haben sich die englischen Richter unter anderem auf die Klagen von Kardinal Pietro Parolin und von Papst Franziskus selbst über Schadensersatz wegen des angeblichen Fehlverhaltens gestützt.

Und natürlich haben sie nicht versäumt, darauf hinzuweisen, daß Alberto Perlasca, der Prälat, dem das Staatssekretariat die Operation anvertraut hatte, mit Mincione einen Vertrag unterzeichnet hat, der der englischen Gerichtsbarkeit die ausschließliche Zuständigkeit für denselben Vertrag einräumte.

Es ist daher schwierig, das Ende dieser Geschichte vorherzusehen, die von Papst Franziskus im Namen der Neu-Organisation und Säuberung selbst kühn in Gang gesetzt wurde.

Einen Versuch den Ruf der Kirche vor dem "heuchlerischen Skandal wegen der Londoner Immobilie" zu schützen, hat Nunzio Galantino am 6. August in einem Interview unternommen, mit dem er die Veröffentlichung des APSA-Finanz-Status begleitete.

Galantino erinnerte daran, daß der Hl. Stuhl Teile des Geldes, das er 1929 vom Italienischen Staat als Kompensation für die im 19. Jahrhundert konfiszierten Besitztümer erhielt, in den Erwerb von wertvollem Grundbesitz in England, Frankreich und in der Schweiz ausgegeben, genau mit dem Ziel, diese Ressourcen zu sichern und im Weiteren die Mission der Kirche in der Welt und ihre caritativen Werke zu unterstützen.

Und dafür waren die APSA-Budgets der früheren Jahre ein gutes Beispiel. 

"Teilweise Dank der eingenommenen marktüblichen  Mietpreise für wertvolle Immobilien in Paris und London,  konnte der Päpstliche Almosiniere die kostenfreie Nutzung eines Gebäudes wie des Palazzo Migliori in der Nähe der Colonnaden von St. Peter ermöglichen, so wie die Aufnahme der Obdachlosen durch die Freiwilligen der Gemeinschaft von Sant´ Egidio. Außerdem ermöglichte der Verkauf eines Besitzes nahe dem Arc de Triomphe in Paris - dank der Vermittlung von Sopridex - dem Verkäufer, einen Teil des Erlöses aus diesem Geschäft für den Bau einer Kirche in einem Pariser Vorort zu verwenden."

"Es ist ein anderes Thema" fuhr Galantino im Interview fort und spielte auf den Londoner Fall an- "ob es dank von Irrtümern oder kriminellen Verhaltens zu Fehlinvestitionen gekommen ist."

Das Problem für Papst Franziskus ist, daß auch er bis zum Hals in dieser unglücklichen Affäre steckt, alles wußte und jedem Schritt zugestimmt hat. "

Quelle: S. Magister, Settimo Cielo

 

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