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Montag, 12. Dezember 2022

Fr. Hunwicke spricht...

bei liturgicalnotes heute anhand von aktuellen Ereignissen über den Regierungsstil von Papst Franziskus.

"PAPST FRANZIKUS UND DIE POLITIK DES GENAUEN HINSEHENS"

Papst Franziskus liebt besonders den persönlichen Kontakt mit Menschen. Und das nicht nur, wenn er bei der Generalaudienz auf dem Platz ist sondern auch, wenn er in anstrengendere Gespräche eintreten muß.  Statt institutionelle Kontakte zieht er persönliche  Kontakte vor. Lieber als Berichte aus dem Staatssekretariat mag er die Vorschläge einfacher Leute. 

Das ist ein charakteristischer Zug seiner Persönlichkeit, den man in verschiedenen Reden findet. Seit Beginn des Pontifikates hat Papst Franziskus betont, daß "man das Zentrum am besten von der Peripherie aus sehen kann" eine Feststellung, die eine doppelte Bedeutung haben könnte. 

Die erste war, daß die Probleme der Kirche nicht verstanden werden konnten, wenn man im Herzen der Kirchenleitung war und aus diesem Grund mußte man stattdessen in der Peripherie sein mußte. Die zweite Bedeutung war, daß er, der Papst,dervon weitem gekommen war, fähig war, die Themen der Kirche zu verstehen. 

Das war kurz gesagt eine als pastorale Bestätigung verkleidete Regierungserklärung. Und auch das istchrakteristisch für Papst Franziskus, der ein Papst ist, der regiert und der immer darauf bedacht ist, klarzustellen, daß seine Regierung "pastoral" ist. Durch die 49 motu propri, die vielen rescripta ex audientia sanctissimi, die Reform der Kurie, die Reform der Ehe-Prozesse, nicht zu sprechen von anderen Reformen, ist klar, daß Papst Franziskus so etwas wie den Vatican-Codex oder die Finanzreform geerbt und vollendet hat. 

Man versteht Papst Franziskus nicht, wenn man nicht versteht, daß der Papst sein Vertrauen nur in sehr kleine vertraute Kreise von Menschen setzt, die sich ständig verändern. Er wird misstrauisch, wenn ihm eine institutionelle Herangehensweise an die Probleme präsentiert wird. Wenn ihn ein Vatikanbeamter auf etwas hinweist und vielleicht einen Bericht verfasst, dann billigt er das nicht unbedingt. Aber wenn eine Nonne, der der Papst vertraut, die gleiche Antwort gibt, wird er dieser Nonne sicher Folge leisten.

So hat Papst Franziskus eine Agenda von offiziellen Treffen, die morgens im Apostolischen Palast abgehalten werden und dann ein Zeitplan inoffizieller Meetings, die an der Präfektur des Päpstlichen Haushaltes und an den Sekretären des Papstes vorbei gehen und von ihm selbst gemanagt werden. Von diesen Treffen wird wenig offiziell bekannt außer jemand, der daran teilgenommen hat, sie bekannt macht. Das ist das informelle Regieren von Papst Franziskus, der jeden als Informationsquelle benutzt-aber ohne je klare Stellung zu beziehen.

Von diesem Gesichtspunkt aus werden einige Standpunkte von Papst Franziskus klarer. Z.B. scheint der Krieg in der Ukraine mehr von den Gesprächen des Papstes als vom Staatssekretariat oder den Bischöfen in der Ukraine beeinflußt worden zu sein -sowohl des Lateinischen als auch des Griechisch-Katholischen Ritus.

Zum Wendepunkt im Standpunkt des Papstes zum aktuellen Krieg kam es erst nach einem persönlichen Treffen mit Seiner Seligkeit Svjatoslv Shevchuk, Vater und Oberhaupt der Ukrainisch Griechisch Katholischen Kirche. Nachdem er Anfang November für eine Woche nach Rom kam, fing der Papst an eine klare Position zum Krieg einzunehmen, bis dahin, daß er während des Gebetes für Ukraine vor der Statue der Madonnas auf der Piazza di Spagna am vergangenen 8. Dezember bewegt war.

Der Positionswechsel verlief nicht ohne Drehungen und Wendungen. Der Papst will keine Beziehung in die Krise stürzen, sondern gute Beziehungen zu allen pflegen. Deshalb sprang er durch Reifen, um die Nähe zum ukrainischen Volk mit der Behauptung in Einklang zu bringen, daß "die grausamsten Kriegshandlungen nicht das Werk russischer Volksgruppen sind, sondern von Tschetschenen und Burjaten“. Eine Aussage, die bei dem Versuch, die Beziehungen zu Russland zu retten, stattdessen dazu führte, daß sie Ukrainer, Russen, Burjaten und Tschetschenen gleichermaßen verärgerte.

Andere Entscheidungen von Papst Franziskus sind logisch unerklärlich, wenn sie nicht auf eine persönliche Entscheidung zurückgeführt werden können, die auf ein individuelles Anliegen zurückgeht. So entstand beispielsweise der vatikanische Prozess zur Verwaltung der Mittel des Staatssekretariats aus einer Beschwerde von Gianfranco Mammì, Generaldirektor des Instituts für religiöse Werke, den Papst Franziskus sehr schätzt.

Aber sogar die Entscheidung das Management der Fonds des Staatssekretariates zu entlassen, hatte eine persönliche Note, und konnte nur vom Papst vorgeschlagen und getroffen werden: der Papst hat de facto gefordert Geld aus dem Centurion Fonds zu transferieren, ein einzigartiger Punkt in einer Entscheidung, die allgemeiner sein sollte und keinen der anderen Fonds des Staatssekretariates betreffen, als ob das eine spezifische Bestrafung sei.

Papst Franziskus mag kein päpstliches Gericht und hat Angst, dass die Höflinge ihn nur unterdrücken oder in Verlegenheit bringen wollen. Der Vatikan ist jedoch eine kleine Welt, es gibt verschiedene sich überschneidende Interessen, aber sicherlich sind nur wenige daran interessiert, den König zu töten, weil er derjenige ist, der die Güter garantiert. Stattdessen vermeidet die Institution ein übertriebenes Gewicht auf Konsultationen mit Einzelpersonen und schützt so den Papst.

Das ist das Franziskus-Paradoxon. Er hat versucht einen Türhüter zu vermeiden, die über den Zugang zu ihm entscheiden, aber indem er das tat, hat er wenige Leuten erlaubt hochgradig einflußreich zu werden. Und sogar wenn diese Leute in den Augen des Papstes austauschbar sind, bleibt das Risilo, daß sie alles in die falsche Richtung lenken können, wenn sie nahe genug sind.

So stellt sich heraus, dass der Papst der Peripherien das Zentrum nicht versteht. Und das Risiko besteht darin, daß man wegen dieses Verständnis-Mangels alle zuvor geleistete Arbeit, auch die sehr gute, niederreißt, ohne sie zu ersetzen. Denn Nähe führt ja auch zum Fortbestehen bestimmter Beziehungen. Diese Beziehungen bestehen ja außerhalb der Kurie. Aber sie haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Papst."

Quelle: liturgicalnotes, Fr. J. Hunwicke

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