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Montag, 12. Juni 2023

Wie geht es mit dem Pontifikat und danach weiter?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican setzt sich A. Gagliarducci anläßlich des aktuellen Krankenhausaufenthaltes von Papst Franziskus mit der Frage der Zukunft seines Pontifikates auseinander. Hier geht´s  zum Original:  klicken

           "PAPST FRANZISKUS -  WELCHE ZUKUNFT?" 

Der erneute  Krankenhausaufenthalt von Papst Franziskus läßt viele Fragen offen. Man fragt sich besonders, welche Initiativen der Papst fortführen und welche er auslassen wird. Man fragt sich, welche Pläne der Papst hat und ob der erneute chirurgische Eingriff die  geändert hat. Man fragt sich vor allem, welches Erbe Papst Franziskus hinterlassen wird. 

Diese Fragen gehen weit über die Frage hinaus, wer der nächste Papst sein wird. Natürlich gibt es schon seit einer Weile eine Diskussion über einen möglichen Nachfolger für Papst Franziskus. Das ist nichts Neues. Das ist immer so gewesen, auch bei früheren Päpsten. Aber die Diskussion über das Erbe des Papstes und was sein Nachfolger tun soll, ist anders

Was ist also in der jetzigen Situation das Erbe von Papst Franziskus? 

Zuerst einmal gibt es ein völlig verändertes Kardinals-Kollegium. Papst Franziskus hat zweidrittel der Kardinäle kreiert, die seinen Nachfolger wählen. Das Kriterium des Papstes war dabei eher auf die Person zu schauen als auf Ämter oder Diözesen. Auf diese Weise gibt es viele Kardinäle, die in Wirklichkeit nicht aus der "Römischen Schule" kamen und sehr wenig über die Kurie wissen. Das wahre Problem jedoch ist, daß die Kardinäle einander nicht kennen. Nur in den ersten zwei Jahren des Pontifikates gab es drei Konsistorien mit Generaldebatten. Die letzte jedoch war eine geschlossene Diskussion, ohne Meinungsaustausch, bei der Ideen außen vor blieben. 

Papst Franziskus hinterläßt ein etwas vereinzeltes Kardinalskollegium, das einen Weg zur Vereinigung finden muß. Der Gedanke ist, daß man das Zentrum von der Peripherie aus besser sehen kann, wie Papst Franziskus zu Beginn seines Pontifikates sagte. Nur gibt es kein Zentrum mehr. 

Zur Zeit gibt es 121 wählende Kardinäle. Ende des Jahres werden es 113 sein. Es gab das anhaltende Gerücht, daß der Papst ein Konsistorium einberufen werde, um dieses Loch zu stopfen, die Zahl der Wähler zu übersteigen und das Kardinalskollegium weiter durch seine Weltsicht zu prägen. Bis jetzt hat der Papst noch kein Konsistorium einberufen. Der Fokus liegt jetzt auf einer neuen Schar  ("Ladung" von Kardinälen im Herbst -aber beim Papst ist alles unsicher. 


Und  dennoch stellt sich eine Frage. Papst Franziskus hat nie die durch die Apostolische Konstitution Universi Dominici Gregis auf 120 festgelegte Höchstzahl von Kardinälen in einem Konklave formal widerrufen. Als Papst Johannes Paul II diese Zahl überschritt, schrieb es, "daß diese Entscheidung von der geltenden Regelung abwich". Papst Franziskus hat nie einen Widerruf erwähnt. Nachdem das der Fall ist, könnte es auch sein, daß das Konklave nur mit 120 wählenden Kardinälen gültig wäre und so die zuletzt kreierten Kardinäle außerhalb des Konklaves bleiben müßten. 

Sind das nur Regel-Themen? Nicht nur. Das Problem mit einem Konklave ist, daß keiner seine Gültigkeit anfechten können sollte. Einerseits geht es dabei nicht um die Zahl der Kardinäle, sondern um die Rolle der Kardinäle als solche. Es sollte also kein Birett-Träger aus dem Konklave ausgeschlossen sein. Dennoch kann das Theme als Gerücht kursieren, weil jemand daran gedacht hat.

Schließlich ist immer noch unbekannt, ob Kardinal Becciu ins Konklave einziehen kann, weil es nur magere Presse-Erklärungen aus dem Presseamt des Hl. Stuhls über seinen Verzicht auf die Vorrechte eines Kardinals gibt. Das Kardinalskollegium hat beispielsweise nicht darüber beraten. 

Und das ist das zweite Erbe von Papst Franziskus: die Reform. Eine Reform, die rechtlich unvollendet geblieben ist und viele Verbesserungen benötigt hat. Papst Franziskus ist nicht nur ein Papst des Gesten. Er ist ein Papst, der viele Gesetze erlassen hat. Aber das hat er vor allem mit leichten juristischen Instrumenten getan, wie den motu proprio und hat seine Entscheidungen so direkt aus seinen eigenen Willen gegründet. Papst Franziskus glaubt, daß der juristische Zeil jederzeit geändert werden kann. Wahrheit ist, daß dieses legale Vakuum diverse Probleme verursachen kann. 

Auf diese Weise bleibt das wohl eine wahrscheinlich unvollendete Reform, oder eine, die auf alle Fälle interpretiert werden muß und das läßt für jedermann Raum, sie zu benutzen, wie es ihm gefällt, Es gibt von Papst Franziskus keine Reform, ganz einfach, weil die Reform aus vielen Einzelstücken besteht, aus Schritten vorwärts und Schritten rückwärts, die enthüllen, daß er keinen Plan gab, sondern nur eine allgemeine Idee. 

Kurz gesagt, der Papst hat viele Mikro-Reformen gemacht, aber das Problem wird sein, sie auszurichten und sie irgendwie haften zu lassen. Beispielsweise weist der Papst einerseits den Bischofskonferenzen eine bedeutendere Rolle zu (er schreibt darüber in Evangelii Gaudium) und überträgt ihnen einige Verantwortlichkeiten für die Übersetzung liturgischer Bücher. Andererseits erscheint der Papst immer noch als der letzte Entscheidungsträger. Dies gilt auch für die Synodale Reise, die offenbar auch ein großes Experiment unter Beteiligung des Volkes Gottes sein soll.

Die Reform des Papstes will den Laien eine wichtigere Rolle zugestehen, und um das zu erreichen, wird alles von der Missio canonica abhängig gemacht. Und wer erteilt die kanonische Mission? Der Papst! Es wird auch gesagt, daß der Bischof seine Rolle als Führer des Volkes Gottes beibehält, auch wenn die Macht nicht mehr aus der Eigenschaft als ordinierter Bischofs resultiert. Es gibt eine ganze Reihe von Widersprüchen, die aufgelöst werden müssen.

Ist es fair zu sagen, daß das Erbe von Papst Franziskus in Gefahr ist, vor allem aus Verwirrung zu bestehen? Ist es zulässig, zu denken, daß es nach diesem Pontifikat nötig werden wird, die Teile wieder an ihren Platz zu setzen und allem eine Form und Struktur zu geben?

Das wahre Problem ist, daß in der vergangenen Jahren das Gefühl der Romanitas, das immer Universalität garantierte, verloren gegangen zu sein scheint. Sogar ein Papst, der sich vorstellt, außerhalb dieser Römischen Idee zu stehen, wird zu einer lokalen und begrenzten Realität. Papst Franziskus´ Gesichtspunkt entstammt seiner persönlichen Erfahrung, ist aber keine Perspektive, die auch die Universale Kirche betrifft. Da ist viel Südamerikanisches in der Art, in der Papst Franziskus die Kurie sieht. 

Und so wird die große Herausforderung nach Papst Franziskus darin bestehen, eine neue universale Perspektive für die Kirche zu finden, die nicht nur soziale Herausforderungen betrifft. Letzteres ist eine politische Angelegenheit, die bei Papst Franziskus weit entwickelt ist. Tatsächlich sind seine bedeutenden Appelle zu Umwelt, Migration, guter Politik und gegen Korruption weit verbreitet und fester Bestandteil seiner Texte, Reden und Enzykliken.

Möglicherweise mangelt es aber an einem universellen Glaubensbegriff, der über Volksfrömmigkeit und Völker hinausgeht und Christus wirklich in den Mittelpunkt stellt. Nicht, daß Papst Franziskus das nicht getan hätte. Aber dem Pragmatismus des Glaubens muss die Idee des alle Strukturen durchdringenden Glaubens hinzugefügt werden.

Stattdessen scheint es eine Trennung zu geben: auf der einen Seite Strukturreformen; auf der anderen Seite soziale Ideen; und schließlich Glaube und Volksfrömmigkeit. Die Überwindung dieser Dichotomien ist wahrscheinlich die größte Herausforderung für die Kirche der Zukunft."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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