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Montag, 25. September 2023

Unvorhersehbarkeit - das Prinzip von Papst Franziskus

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican analysiert A.Gagliarducci die jüngsten Entscheidungen und Ernennungen von Papst Franziskus.
Hier geht´s zum Original: klicken

"PAPST FRANZISKUS  - UNVORHERSEHBARKEIT ALS KRITERIUM"

Der wahrscheinlich größte Fehler, der gemacht wurde, beim Versuch Papst Franziskus zu interpretieren, ist nach einem Standard-Kriterium für seine Entscheidungen zu schauen. Weil, wenn man auf die Fakten schaut, ist Franziskus´ einziger Standard das Erreichen der Kurzzeit-Ziele, die er sich selbst setzt. Es gibt kein Langzeitkriterium  und keinen definierten modus operandi. Es gibt keine Kontroll-Ideen. Es gibt einen Plan, den Wunsch die Kirche dazu zu bringen, ihre Mentalität zu ändern, ein "Feld-Lazarett" zu werden und eine nach vor blickende  Kirche. Hinter diesem Plan gibt es keine Kontrolle.

Papst Franziskus ist schwer zu verstehe, einfach weil er in keine Kategorie der Vergangenheit paßt, aber auch weil es in Zukunft kaum eine ähnliche Art zu handeln geben wird. Die jüngsten Entscheidungen von Papst Franziskus -zusammen mit den Dingen, von denen er glaubte, daß sie getan werden müßten, aber noch nicht getan wurden, scheinen dieses Bild zu bestätigen. 

Papst Franziskus´ letzte überraschende Ernennung, war die des bekannten Kardinal Americo Aguiar zum Bischof von Setubal. Aguir war Weihbischof von Lissabon und die Ankündigung seiner Ernennung zum Kardinal kam vor seinem Rücktritt aus Altersgründen des Kardinal--Patriarchen von Lissabon Clemente. Papst Franziskus berief den Militär-Ordinarius Rui Manuel Sousa Valerio zum Nachfolger von Clemente in Lissabon. Eine ähnliche Situation könnte in El Salvador entstehen, wo der Weihbischof  Gregorio Rosa Chavez Kardinal war, der Ordinarius aber nicht. Oder Papst  Franziskus hätte Aguiar nach Rom rufen können, ins Dicasterium für die Laien, Familie und Leben, und Kardinal Kevin Farell entlassen, der dieses Jahr die ersten 5 Jahre seines Mandats vollendet. 

Der Papst beschloss statt dessen, Aguiar nach Setubal zu schicken, einer jungen Diözese (1975 gegründet), die nie von einem Kardinal geleitet wurde. Eine Wahl, die den Wunsch des Papstes bestätigt, die frühere Logik bzgl. der Kreierung  von Kardinälen zu durchbrechen, nach der der Titrel des Kardinals nicht an die pastorale Rolle gebunden war und Papst Franziskus keine Klasse "A und Klasse B- Diözesen hat. Der Papst bedenkt nicht, daß ein Kardinal in dem Land, die Stimme des Papstes ist, weswegen es oft der Erzbischof der wichtigsten Diözese war, der zum Kardinal ernannt wurde. Der Papst scheint den Kardinal als Berater zu betrachten, irgendwie nicht mit dem Titel oder der Rolle verbunden und so auch an seinen institutionelle Wirkung. 


Am selben Tag wie die Ernennung von Aguiar für Setubal, hat Paepst Franziskus einen neuen Bischof für eine Diözese in Süd-Italien, Oppido Mamerina-Palmi ausgewählt. Diese Wahl fiel nicht auf einen Bischof der Gegend oder einer benachbarten Region, sondern auf einen Priester aus Nord-Italien, aus einem völlig anderen kulturellen Kontext, aber mit dem Verdienst, ein zeitlajng ein Fidei-Donum-Missionar in Equador gewesen zu sein. 

Das ist nicht die erste Ernennung dieser Art von Papst Franziskus. Es genügt, zu sagen, daß er für die Diözese Rom Baldassare Reina, der aus Sizilien  kommt, als Weihbischof und Vizeregent und Michele de Tolve aus Mailand zum Weihbischof und Rektor des Seminars,  auswählte. Die römische Realität wird von Kardinal Angelo de Donatis repräsentiert, dem Vikar des Papstes  befindet sich zunehmend außerhalb der Entscheidungsfindung. 

In der vergangenen Woche hat Papst Franziskus Erzbischof José Rodriguez Carballo getroffen, der seine 5-jährige Amtszeit als Sekretär des Dicasteriums für Religiöse Vereinigungen beendet und hat ihn als Co-Adjutor-Erzbischof für die Erzdiözese Merida-Badajoz in Spanien ernannt. Tatsächlich hat Papst Franziskus nicht gezögert,,wen auch immer nach Ablauf der fünf- oder zehnjährigen Amtszeit  zu ersetzen, wie es Kardinal Gerhard Müller passierte, aber auch mit seinem Sekretär Yoannis Gaid. In einigen Fällen, wurde die Norm der 5-jährigen Amtszeit stattdessen als Ausweg benutzt, um eine Kontroverse zu vermeiden, wie es im Fall von Kardinal George Pell geschah, als der den Kardinals-Rat  verließ. 

Diese Beispiele zeigen, daß es keine kohärente Linie bei der Handhabung des Themas päpstlicher Mandate und Ernennungen. Dennoch kann Carballo für Spanien auch den Wunsch des Papstes bedeuten, einen seiner Getreuen in der Spanischen Bischofskonferenz im Augenblick des Übergangs und während der neue Bischof sein  Amt aufnimmt, zu haben. 

Zuletzt ist Erzbischof Carballo einer derer, die immer den Willen des Papstes ausgeführt haben, sogar wenn es darum ging, eine harte Linie gegen einige Kongregationen durchzusetzen. 

Schließlich wurde Fr. Antonio Spadaro zum Untersekretär des Kultur-und-Erziehungs-Dicasteriums ernannt, eine Ernennung über die es viele Spekulationen gegeben hat. Am Ende scheint die Erklärung einfach zu sein: nacb 12 Jahren haben die Jesuiten beschlossen der Civiltà Cattolica eine neue Ausrichtug zu geben. Fr. Spadaro, der in den vergangenen Jahren als einer der prominenten Interpreten des Denkens des Papstes angesehen wurde, wurde also mit dem Vatican übereingestimmt, als er gerufen wurde, seine Erfahrung dieser Jahre dorthin zu bringen. 

Das Problem ist, daß jede Entscheidung zu tausend Spekulationen führt, und nicht alle richtig sind. Das Denken von Papst Franziskus ist sehr schwer zu lesen. Aber wenn es keinen aktuellen modus operandi gibt, was plant Papst Franziskus? 

Wie erwähnt, scheint der Papst in Kurz-Zeit-Zielen zu denken, was ihm erlaubt, eine Entscheidung zu treffen und dann seine Zugehensweise komplett zu verändern. Auch das  ist in verschiedenen Fällen passiert. Z.B: verteidigte der Papst zuerst den chilenischen Episkopat beim Thema Mißbrauch in Chile,  Dann berief er die chilenischen Bischöfe ein zweites mal, was im Rücktritt des gesamten Episkopates endete.  Oder was das Responsum der Glaubenskongregation, das die Möglichkeit verneinte homosexuelle Paare zu  segnen, angeht so stimmte der Papst dem zuerst zu und stellte dann fest, daß er einen weichere Zugang vorgezogen hätte.

Das ist die Idee der sogenannten Reform im Gehen. Das Ziel des Papstes besteht nicht darin, die Lehre formal zu ändern. Tatsächlich gehört Formalität nicht zum kulturellen Gepäck von Papst Franziskus. Die für die Entscheidungsfindung am häufigsten verwendeten Dokumente sind die Motu proprio, die beliebtesten für die Übermittlung von Botschaften sind die Apostolischen Exhortationen und die für schnelle Entscheidungen am häufigsten verwendeten Dokumente sind die Reskripte. Papst Franziskus hört jedem zu, aber bei seiner Entscheidungsfindung gibt es keine Synodalität des Zuhörens. Oft werden seine Entscheidungen vom Instinkt diktiert; sie entstehen aus einem Gespräch, aber oft nicht aus einer Abwägung aller Standpunkte. Die Situation kann kontraproduktiv sein. Die Reformen bleiben auf Eis, bis der Papst entscheidet, weil es schwierig und riskant ist, selbstständig zu entscheiden. Im Vatikan herrscht wenig Initiativgeist, was die Vitalität der Institution widerspiegelt. Der Verdacht besteht auch, weil Papst Franziskus häufig zwei Situationen vergleicht, parallele Kanäle nutzt und verschiedene Gesprächspartner in Konkurrenz zueinander stellt.

Obwohl es in gewisser Weise sinnvoll ist, führt es sicherlich zu einer unvorhersehbaren Situation. Wer hinter den Kulissen agiert, nutzt es aus und hat keine Skrupel. Eines Tages, wenn die Geschichte geschrieben wird, werden wir verstehen, warum der Papst wollte, dass das derzeitige Gerichtsverfahren im Vatikan über die Verwaltung der Mittel des Staatssekretariats stattfindet, bei dem bereits zahlreiche Widersprüche aufgetreten sind. Eines Tages, wenn Geschichte geschrieben wird, werden wir verstehen, warum es im Fall Rupnik keine Koordination zwischen den Jesuiten, dem Vikariat und dem Dikasterium für die Glaubenslehre gab, nicht nur bei der Verwaltung des Falles, sondern auch bei der Kommunikation des Falles. Und eines Tages, wenn Geschichte geschrieben wird, werden wir verstehen, warum die Synode der Kirche in Deutschland trotz der Warnungen des Papstes selbst voranschreitet, ohne ein Komma zu ändern, und direkt auf ihr Ziel zusteuert.

Aber Papst Franziskus wird die Situationen Schritt von Fall zu Fall entscheiden- gemäß der Logik der Unterscheidung, die er auch bei der Beiche angewandt haben möchte. Bei der Beichte aber steht man Menschen aus Fleisch und Blut gegenüber, oftmals verwirrt, die einen Neuanfang und ihre Fehler hinter sich lassen möchten. Statt dessen besteht die Gefahr, wenn das herrschend Realitätsprinzip angewendet wird, Verwirrung zu schaffen.

Viele sprechen von der finalen Phase des Pontifikates, die Jahre dauern kann. In dieser finalen Phase beschleunigt Papst Franziskus die Reformen und den Aufbai eines Teams von Getreuen. Die Ankunft von Victor Fernández in Rom als Präfekt des Glaubesndicateriums ist ein Beispiel dafür. Papst Franziskus´ Reformen müssen beschützt, gestützt und erklärt werden. Der Plan des Papstes jedoch scheinen einen Bruch mit der Vergangenheit zu sein, ein neues Modell einer weniger institutionellen Kirche einzuführen, dichter bei den Menschen und vor allem einen geliebten Führer. Die Idee, das Narrativ zu verändern, wurde in dem Konklave geboren, das ihn wählte. Aber wird die Änderung des Narrativs genügen, um der Kirche dabei zu helfen, sich selbst zu reformieren? Was wird am Ende von diesem etwas unvorhersehbaren Pontifikat bleiben? "

Quelle: A.Gagliarducci, Monday at the Vatican

 

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