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Dienstag, 3. Oktober 2023

Die Antwort des Papstes auf die Dubia vom 11. Juli

Marco Tosatti veröffentlicht bei Stilum Curiae die Antwort des Papstes auf die Dubia der 5 Kardinäle. Hier geht´s zum Original:  klicken  

Das auf der Website des Dikasteriums für die Glaubenslehre (HIER) veröffentlichte Dokument unterscheidet sich vom Original, das sich in unserem Besitz befindet und das wir unten veröffentlichen und ist unvollständig : auf der ersten Seite 1, die ersten beiden Absätze auf Seite 2 und die Letzte Hoffnung, daß mit den gegebenen Antworten die Fragen beantwortet werden können.
Im Folgenden veröffentlichen wir mit Genehmigung die Übersetzung der vollständigen und eigenhändigen authentischen Fassung von Papst Franziskus ins Italienische (auch in englischer, französischer, deutscher, portugiesischer und polnischer Übersetzung).
 
Die Herausgeber
Vatikanstadt, Santa Marta, 11. Juli 2023

Sehr geehrte Eminenzen und Herren Kardinäle
Walter BRANDMÜLLER
Raymond Leo BURKE

Liebe Brüder!
Ich schreibe Ihnen in Bezug auf Ihren Brief vom 10. Juli. Darin wollten Sie mich auf einige dubia aufmerksam machen, die Ihrer Meinung nach in gewissem Maße mit dem Prozess zusammenhängen, der im Hinblick auf die bevorstehende Bischofssynode zum Thema Synodalität im Gange ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich einige sehr wichtige Aspekte mit Ihnen teilen. Mit der bevorstehenden Synode wollte ich unbedingt einen Prozeß in Gang setzen, an dem ein wirklich bedeutender Teil des ganzen Gottesvolkes teilnimmt.
Auf diesem Weg konnten wir mit der Hilfe und Inspiration des Heiligen Geistes »die Freuden und Hoffnungen, die Leiden und Ängste der Menschen von heute, besonders der Armen und aller Leidenden«, sammeln, und wir konnten erneut erfahren, dass diese Freuden, diese Hoffnungen, diese Sorgen und Ängste «sie sind auch die Freuden und Hoffnungen, die Leiden und Ängste der Jünger Christi, und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen Widerhall findet« (Gaudium et spes, 1).
Um all dem gerecht zu werden, umfasste dieser Prozess, der bis Oktober 2024 dauern wird, auch Fragen und Konsultationen über die Struktur (Teilhabe und Gemeinschaft) und die Sendung der Kirche in der Zeit, in der wir leben.
Mit großer Aufrichtigkeit sage ich Ihnen, daß es nicht sehr schön ist, Angst vor diesen Fragen und diesen Fragen zu haben. Jesus, der Herr, der Petrus und seinen Nachfolgern unermüdlichen Beistand bei der Sorge um das heilige Volk Gottes versprochen hat, wird uns auch dank dieser Synode helfen, immer mehr im ständigen Dialog mit den Männern und Frauen unserer Zeit und in ganzer Treue zum heiligen Evangelium zu bleiben.
Auch wenn ich es nicht immer für angemessen halte, die Fragen, die direkt an mich gerichtet werden, direkt zu beantworten (weil es unmöglich wäre, sie alle zu beantworten), scheint es mir in diesem Fall aufgrund der Nähe der Synode angemessen, dies zu tun. 
Besonders:

Frage 1
a) Die Antwort hängt davon ab, welche Bedeutung Sie dem Wort "umdeuten" beimessen. Wenn Sie beabsichtigen, "besser zu interpretieren", ist der Ausdruck gültig. In diesem Sinne hat das II. Vatikanische Konzil bekräftigt, daß es notwendig ist, daß durch die Arbeit der Exegeten – ich füge Theologen hinzu – »das Urteil der Kirche reift« (II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 12).
b) Wenn es also wahr ist, daß die göttliche Offenbarung unveränderlich und immer verbindlich ist, muß die Kirche demütig sein und anerkennen, daß sie ihren unergründlichen Reichtum nie erschöpft und in ihrem Verständnis wachsen muß.
c) sie reift also auch im Verständnis dessen, was sie selbst in ihrem Lehramt bekräftigt hat.
d) Kulturelle Veränderungen und neue Herausforderungen in der Geschichte verändern die Offenbarung nicht, aber sie können uns dazu anregen, einige Aspekte ihres überfließenden Reichtums, den sie immer mehr bietet, deutlicher zu machen.
e) Es ist unvermeidlich, daß dies zu einem besseren Ausdruck einiger früherer Aussagen des Lehramtes führen kann, und das ist in der Tat im Laufe der Geschichte so gewesen.


f) Andererseits ist es wahr, daß das Lehramt dem Wort Gottes nicht überlegen ist, aber es ist auch wahr, daß sowohl die Texte der Heiligen Schrift als auch die Zeugnisse der Überlieferung einer Interpretation bedürfen, die es ermöglicht, ihre immerwährende Substanz von der kulturellen Bedingtheit zu unterscheiden. Dies zeigt sich zum Beispiel in den biblischen Texten (wie Ex 21,20-21) und in einigen lehramtlichen Eingriffen, die die Sklaverei tolerierten (vgl. Nikolaus V., Bulle Dum diversas, 1452). Diese Frage ist nicht zweitrangig, weil sie eng mit der immerwährenden Wahrheit der unveräußerlichen Würde der menschlichen Person verbunden ist. Diese Texte müssen interpretiert werden. Dasselbe gilt für einige neutestamentliche Überlegungen über Frauen (1 Kor 11,3-10; 1 Tim 2,11-14) und für andere Texte der Heiligen Schrift und Zeugnisse der Tradition, die heute materiell nicht wiederholt werden können.
g) Es ist wichtig zu betonen, daß sich nicht ändern kann, was »zum Heil aller Völker« geoffenbart worden ist (II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Dei Verbum, 7). Die Kirche muß daher ständig unterscheiden zwischen dem, was für das Heil wesentlich ist, und dem, was zweitrangig ist oder nicht unmittelbar mit diesem Ziel zusammenhängt. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Worte des hl. Thomas von Aquin erinnern: »Je mehr man in das Besondere hinabsteigt, desto mehr nimmt die Unbestimmtheit zu« (Summa Theologiae I-II, Nr. 94, Art. 4).
h) Schließlich kann eine einzige Formulierung einer Wahrheit niemals angemessen verstanden werden, wenn sie allein gefunden wird, isoliert vom reichen und harmonischen Kontext der ganzen Offenbarung. Die »Hierarchie der Wahrheiten« bedeutet auch, jede Wahrheit in einen richtigen Zusammenhang mit den zentralsten Wahrheiten und mit der Gesamtheit der Lehre der Kirche zu stellen. Dies kann letztlich dazu führen, daß dieselbe Lehre auf unterschiedliche Weise dargelegt wird, auch wenn "dies denjenigen, die von einer monolithischen Lehre träumen, die von allen ohne Nuancen verteidigt wird, als eine unvollkommene Zerstreuung erscheinen mag. Aber in Wirklichkeit trägt diese Vielfalt dazu bei, die verschiedenen Aspekte des unerschöpflichen Reichtums des Evangeliums besser zu erkennen und zu entwickeln« (Evangeli gaudium, 40). Jede theologische Linie birgt ihre Risiken, aber auch ihre Chancen.

Frage 2
a) Die Kirche hat eine sehr klare Auffassung von der Ehe: eine ausschließliche, beständige und unauflösliche Verbindung zwischen Mann und Frau, die von Natur aus offen ist für die Generation der Kinder. Nur eine solche Verbindung nennt es "Ehe". Andere Formen der Verbindung tun dies nur "in teilweiser und analoger Weise" (Amoris laetitia 292), weshalb sie nicht als "Ehe" im engeren Sinne bezeichnet werden können.
b) Es ist nicht nur eine Frage der Namen, sondern die Wirklichkeit, die wir Ehe nennen, hat eine einzigartige wesentliche Konstitution, die einen ausschließlichen Namen erfordert, der auf andere Realitäten nicht anwendbar ist. Es ist sicherlich viel mehr als nur ein "Ideal".
c) Aus diesem Grund vermeidet die Kirche jede Art von Ritus oder Sakrament, die dieser Überzeugung widersprechen könnte, indem sie deutlich macht, daß etwas, das keine Ehe ist, als solche anerkannt wird.
d) In unseren Beziehungen zu den Menschen dürfen wir jedoch nicht die pastorale Liebe verlieren, die alle unsere Entscheidungen und Haltungen durchdringen muß. Die Verteidigung der objektiven Wahrheit ist nicht der einzige Ausdruck dieser Nächstenliebe, die sich auch aus Freundlichkeit, Geduld, Verständnis, Zärtlichkeit und Ermutigung zusammensetzt. Wir können daher nicht zu Richtern werden, die sich darauf beschränken, zu leugnen, abzulehnen, auszuschließen.
e) Die pastorale Klugheit muß daher hinreichend unterscheiden, ob es Segensformen gibt, die von einer oder mehreren Personen erbeten, die nicht eine falsche Auffassung von der Ehe vermitteln. Denn wenn um einen Segen gebeten wird, dann ist es eine Bitte um Hilfe von Gott, eine Bitte um ein besseres Leben, ein Vertrauen in einen Vater, der uns helfen kann, besser zu leben.
f) Andererseits verlangt die pastorale Liebe, auch wenn es Situationen gibt, die objektiv gesehen nicht moralisch vertretbar sind, daß wir andere Personen, deren Schuld oder Verantwortung durch verschiedene Faktoren, die die subjektive Zurechenbarkeit beeinflussen, gemildert werden können, nicht einfach als »Sünder« behandeln (vgl. Hl. Johannes Paul II., Reconciliatio et paenitentia, 17).
g) Entscheidungen, die unter bestimmten Umständen Teil der pastoralen Klugheit sein können, müssen nicht zwangsläufig zur Norm werden. Mit anderen Worten, es ist nicht angebracht, daß eine Diözese, eine Bischofskonferenz oder irgendeine andere kirchliche Struktur ständig und offiziell Verfahren oder Regeln für jede Art von Frage genehmigt, da alles, was »Teil einer praktischen Unterscheidung angesichts einer bestimmten Situation ist, nicht zur Norm erhoben werden kann«, weil dies »zu einer unerträglichen Kasuistik führen würde« (Amoris laetitia). 304). Das kanonische Recht darf und kann nicht alles abdecken, und die Bischofskonferenzen können dies auch nicht mit ihren verschiedenen Dokumenten und Protokollen für sich in Anspruch nehmen, denn das Leben der Kirche und das Leben der Kirche verläuft über viele Kanäle hinaus über die normativen.

Frage 3
a) In Anerkennung der höchsten und vollen Autorität der Kirche wird entweder vom Papst kraft seines Amtes oder vom Bischofskollegium zusammen mit seinem Oberhaupt, dem Papst, ausgeübt (vgl. Konzentration. Ökuum. Mehrwertsteuer. II, Konst. Dogm. Lumen gentium, 22), aber mit diesen dubia bekundet ihr selbst euer Bedürfnis nach Teilnahme, freier Meinungsäußerung und Mitarbeit, und deshalb beansprucht ihr eine Art »Synodalität« in der Ausübung meines Amtes.
b) Die Kirche ist ein »Geheimnis der missionarischen Gemeinschaft«, aber diese Gemeinschaft ist nicht nur affektiv oder ätherisch, sondern setzt notwendigerweise eine wirkliche Teilhabe voraus: daß nicht nur die Hierarchie, sondern das ganze Volk Gottes auf unterschiedliche Weise und auf verschiedenen Ebenen seine Stimme erheben und sich als Teil des Weges der Kirche fühlen kann. In diesem Sinne können wir mit Erfolg sagen, daß die Synodalität als Stil und Dynamik eine wesentliche Dimension des Lebens der Kirche ist. Zu diesem Punkt hat der heilige Johannes Paul II. in Novo Millennio Ineunte sehr schöne Dinge gesagt.
c) Es ist eine andere Sache, eine bestimmte synodale Methodik, die einer Gruppe gefällt, zu sakralisieren oder aufzuzwingen, sie zur Norm und zum obligatorischen Kanal für alle zu machen, denn das würde nur dazu führen, den synodalen Weg zu "erstarren", wobei die unterschiedlichen Merkmale der verschiedenen Teilkirchen und der vielfältige Reichtum der Universalkirche ignoriert würden.

Frage 4
a) »Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen und das Amtspriestertum unterscheiden sich wesentlich« (II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 10). Es ist nicht zweckmäßig, einen Unterschied im Grad beizubehalten, der impliziert, das gemeinsame Priestertum der Gläubigen als etwas "zweiter Kategorie" oder von minderwertigem Wert ("niedrigerer Grad") zu betrachten. Beide Formen des Priestertums erleuchten und unterstützen sich gegenseitig.
b) Als der heilige Johannes Paul II. lehrte, daß die Unmöglichkeit, Frauen die Priesterweihe zu erteilen, "endgültig" bejaht werden müsse, verunglimpfte er keineswegs die Frauen und übertrug den Männern die höchste Macht. Der heilige Johannes Paul II. hat auch andere Dinge gesagt. Wenn wir zum Beispiel von der priesterlichen Macht sprechen, »befinden wir uns im Bereich der Funktion, nicht der Würde oder der Heiligkeit« (Johannes Paul II., Christifideles laici, 51). Das sind Worte, die wir nicht ausreichend erhalten haben. Er hat auch klar gesagt, daß der Priester zwar allein der Eucharistie vorsteht, die Aufgaben aber »nicht die Überlegenheit des einen über den anderen hervorrufen«; (Hl. Johannes Paul I., Christifideles laici, Fn. 190; vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Inter insigniores, V). Er bekräftigte auch, daß die priesterliche Funktion, auch wenn sie "hierarchisch" ist, nicht als eine Form der Herrschaft zu verstehen ist, "aber dennoch ganz auf die Heiligkeit der Glieder Christi ausgerichtet ist". (Hl. Johannes Paul II., Mulieris dignitatem, 27). Wenn dies nicht verstanden wird und die praktischen Konsequenzen dieser Unterscheidungen nicht gezogen werden, wird es schwierig sein zu akzeptieren, daß das Priestertum nur Männern vorbehalten ist und daß die Rechte der Frauen oder die Notwendigkeit, daß sie auf verschiedene Weise an der Leitung der Kirche teilnehmen, nicht anerkannt werden können.
c) Auf der anderen Seite erkennen wir, um streng zu sein, an, daß eine klare und maßgebliche Doktrin über das genaue Wesen einer "endgültigen Aussage" noch nicht erschöpfend entwickelt wurde. Es ist keine dogmatische Definition, aber sie muss von allen respektiert werden. Niemand kann ihr öffentlich widersprechen, aber sie kann Gegenstand des Studiums sein, wie im Fall der Gültigkeit der Weihen in der Anglikanischen Gemeinschaft.

Frage 5
a) Die Reue ist für die Gültigkeit der sakramentalen Absolution notwendig und impliziert die Absicht, nicht zu sündigen. Aber hier gibt es keine Mathematik, und ich muss Sie noch einmal daran erinnern, daß der Beichtstuhl kein Brauch ist. Wir sind keine Herren, sondern demütige Verwalter der Sakramente, die die Gläubigen nähren, denn diese Gaben des Herrn sind mehr als Reliquien, die es zu bewahren gilt, sondern Helfer des Heiligen Geistes für das Leben der Menschen.
b) Es gibt viele Möglichkeiten, Reue auszudrücken. Bei Menschen mit schwer verletztem Selbstwertgefühl ist es oft grausame Folter, sich schuldig zu bekennen, aber allein der Akt, sich der Beichte zu nähern, ist ein symbolischer Ausdruck der Reue und der Bitte um göttliche Hilfe.
c) Ich möchte auch daran erinnern, daß »es uns manchmal viel kostet, in der Seelsorge der bedingungslosen Liebe Gottes Raum zu geben« (Amoris laetitia, 311), aber wir müssen lernen, dies zu tun. In Anlehnung an den hl. Johannes Paul II. behaupte ich, daß wir von den Gläubigen nicht erwarten dürfen, dass sie allzu präzise und sicher beschließen, die am Ende abstrakt oder gar egolatrisch sind, sondern dass selbst die Vorhersehbarkeit eines neuen Sturzes »die Authentizität des Ziels nicht beeinträchtigt« (Hl. Johannes Paul II., Brief an Kardinal William W. Baum und an die Teilnehmer des jährlichen Kurses der Apostolischen Pönitentiarie, 22. März 1996, 5).
d) Schließlich muss klar sein, dass alle Bedingungen, die üblicherweise mit der Beichte verbunden sind, nicht allgemein anwendbar sind, wenn sich die Person in einer Situation der Qual oder mit sehr begrenzten geistigen und psychischen Fähigkeiten befindet.
Liebe Brüder, ich glaube, daß ihr mit diesen Antworten eure Fragen beantworten könnt.
Bitte vergesst nicht, für mich zu beten. Ich tue es für euch.

Brüderlich, Franziskus

Quelle: M. Tosatti, Stilum Curiae

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