Gefunden bei Summorum Pontificum: Michael Charlier hat für seinen blog einen Beitrag zum Alter der Alten Messe verfasst, den auch Rorate Caeli veröffentlicht hat.
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"WIE ALT IST DIE ALTE MESSE" ?
Zur Zeit von Papst Gregor (.590-. 604) waren viele Teile der römischen Liturgie bereits so alt, dass niemand sich an ihre Einführung erinnern konnte oder überhaupt davon gesprochen hätte, sie seien eingeführt worden. Von Gregors Vorgängern werden Damasus I (344 384) und Gelasius (492-496.) als Päpste genannt, die auf die eine oder andere Weise ordnend in die Liturgie eingegriffen haben. Damasus z.B. dadurch, daß er den mehr oder weniger spontan ablaufenden Übergang von der griechischen zur lateinischen Liturgiesprache durch Anregung einer verbindlichen Übersetzung der Septuaginta regulierte – so entstand die später so genannte Vulgata. Um einem naheliegenden Mißverständnis vorzubeugen: Dieser Übergang bedeutete keinesfalls einen vom Streben nach „Verständlichkeit für alle“ getriebenen Versuch zur Einführung der „Umgangssprache“ in die Liturgie. Das Latein der frühesten bekannten liturgischen Gebete war nicht die gesprochene Sprache, sondern ein klassisches, stellenweise geradezu archaisierendes Latein, das von Anleihen bei der (immer auch religiös geprägten) Amtssprache des kaiserlichen Hofes und der Kunst der Rhetoren geprägt war.
Allgemein galt schon in diesen frühesten Zeiten die Überzeugung, die römische Liturgie gehe in ihren Grundzügen auf die Zeit der Apostel zurück. Unterschiede zwischen den Liturgien verschiedener Patriarchate wurden nicht als problematisch empfunden, führten diese Patriarchate sich doch auf verschiedene Apostel als Begründer ihrer je eigenen Tradition zurück. Viel stärker war das Bewußtsein von der all diesen Liturgien gemeinsamen Grundstruktur – ein starkes Indiz dafür, daß die Eucharistie ihre wesentliche Gestalt bereits im Kreis der Apostel empfangen hatte, bevor diese sich zur ihrer Missionsarbeit in alle drei damals bekannten Erdteile trennten.
Grundlage dieser Einheit war stets die Einheit des Glaubens.Die frühen Konzilien befassten sich nicht mit liturgischen Fragen, sondern sicherten die Einheit des Glaubens. Solange diese gegeben war beziehungsweise soweit diese in oft schmerzhaften Auseinandersetzungen erreicht werden konnte, galten rituelle Unterschiede als unerheblich. Genau darin liegt der entscheidende Unterschied gegenüber der Epoche der mit Luther einen ersten Höhepunkt erreichenden Glaubensspaltung, die jetzt mit der päpstlicherseits behaupteten Unvereinbarkeit des in der „alten Liturgie“ ausgedrückten „alten Glaubens“ mit dem angeblich auf dem 2. Vatikanum grundgelegten „modernen Glaubens“ erneut im Zentrum der Kirche aufgebrochen ist.
Doch zurück zu den Ursprüngen. Schon in apostolischer Zeit war die ursprünglich in Erinnerung – nicht in wesentlicher Weiterführung – an das „letzte Abendmahl“ bestehende Verbindung von gemeinsamem Sättigungsmahl und Eucharistiefeier ( Korinther 11) problematisch geworden und wurde zumindest an einigen Orten bereits zu Ende des ersten, Anfang des zweiten Jahrhunderts nicht mehr praktiziert. Aus der Mitte des 2. Jahrhunderts ist dann in den Schriften des Kirchenlehrers Justins des Märtyrers der Ablauf einer sonntäglichen Liturgiefeier überliefert, der bereits die Grundelemente und Reihenfolge der römischen Liturgie erkennen läßt: Einen Wortgottesdienst mit Lesungen aus dem alten und neuen Testament, Schriftauslegung Fürbittengebete und schließlich das Eucharistische Segensgebet über Brot und Wein mit anschließendem Kommunionempfang.
Nun wird man gerne einräumen, daß diese Grundstruktur auch in der „neuen Messe“ Pauls VI. wieder zu erkennen ist. Dieses Zugeständnis muß sich freilich mit der peinlichen Frage verbinden, warum denn wohl die gesamte nachfolgende Entwicklung und Entfaltung von Lehre und Liturgie in mehr als anderthalb Jahrtausenden buchstäblich verworfen werden soll – wenn nicht mit dem Ziel, diese ganze Entwicklung abzustoßen und unter vorgeblicher Anknüpfung an eine uns doch nur in den gröbsten Zügen bekannte angebliche „reine Urgestalt“ eine neue, unserem heutigen Geschmack besser entsprechende Interpretation anzustoßen. Und dieses ganz unverkennbar verbunden mit einer Relativierung und Reduzierung des Glaubensbestandes, der in den frühen Jahrhunderten der Kirche von den Kirchenlehrern erklärt und den ökumenischen Konzilien festgestellt worden ist.
Das eucharistische „Segensgebet“ aus der Zeit Justins ist nicht überliefert. Der Versuch der Liturgiereformer, den aus dem frühen 3. Jahrhundert stammenden angeblichen „Kanon des Hyppolitus“ für ihre „neue Messe zu vereinnahmen“, muß aus mehreren Gründen als gescheitert gelten: Zum einen, weil dieses Weihegebet wohl nicht aus dem Kontext einer Eucharistiefeier, sondern aus einer Bischofsweihe stammt. Dann weil es ursprünglich gar nicht aus Rom, sondern aus einer orientalischen Tradition stammt. Und in der Hauptsache deshalb, weil die Reformer umfangreiche Kürzungen, Veränderungen bis hin zu Verfälschungen am überlieferten Text vorgenommen haben, um ihn ihren „zeitgemäßen“ Ideen anzupassen. Daher kann sich der 2. Kanon der neuen Liturgie in keiner Weise auf diesen angeblichen „Vorläufer“ berufen.
Tatsächlich wird das eucharistische Weihegebet erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts in römischen Aufzeichnungen für uns fassbar – nachvollziehbarer Weise also mit einigem zeitlichen Abstand zu den letzten Christenverfolgungen und der staatlichen Anerkennung. Und dieses eucharistische Hochgebet entspricht schon in vielen Einzelheiten dem römischen Kanon, der dann in den folgenden Jahrhunderten im ganzen Abendland verbreitet wurde.
Es ist also ungeschickt, wenn nicht sogar irrtumsfördernd, heute von der „tridentinischen“ Liturgie zu sprechen. Der römische Kanon und viele weitere, weniger zentrale Elemente der lateinischen Liturgie und auch des römischen Kalenders finden sich fast wörtlich übereinstimmend im Missale der römischen Kurie des 13. Jahrhunderts oder den Franziskanischen „Reisemissalen“ des 14. Jahrhunderts. Tatsächlich sind diese „Reisemissale“ aus dem Bedürfnis der wandernden Bettelbrüder entstanden, alle für die Messfeier erforderlichen Gebete und Lesungen in leicht transportabler Form mit sich führen zu können. Bis dahin benutzte man für die Liturgie in Klöstern, und Bischofskirchen eine ganze Kollektion von „Sakramentaren“. „Lektionaren“, „Antiphonarien und sonstigen „Ritualien“.
Das „Missale Romanum“ selbst, das den Grundbestand der Messtexte in einem Buch zusammenfasst, ist zwar nicht älter als 800 Jahre – aber der in diesem Missale überlieferte Römische Ritus mit seinen Gebeten, Festtagen und Zeremonien ist tatsächlich bis zurückgehend in die Zeit Gregors des Großen dokumentierbar. Das bezeugen nicht nur die mittelalterlichen Sakramentare und die zum Teil spätantiken „Ordines“, sondern auch die Messerklärungen von Amalar von Metz † 850, Rupert von Deutz †1130, oder Durandus von Mende † 1296. Diese Erklärungen waren teilweise zwar schon zu ihrer Entstehungszeit wegen ihres allegorisch-pastoralen Erklärungsansatzes umstritten, aber in ihrer Beschreibung des Ritus und dessen Zurückführung auf die Zeit Gregors stimmen sie weitestgehend überein.
Mehr noch als der „Gregorianische Choral“ – dessen Melodik sich im Lauf des Mittelalters beträchtlich von ihren spätantiken Ursprüngen fortentwickelte – kann also die römische Liturgie mit vollem Recht als „Gregorianischer Ritus“ oder auch als „Die göttliche Liturgie des heiligen Gregor“ bezeichnet werden."
Quelle:M. Charlier, Summorum Pontificum
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