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Montag, 15. Januar 2024

Was wird das Jahr 2024 für Papst Franziskus´ Pontifikat bringen?

In seiner heutigen Kolumne für Monday at the Vatican kommentiert A.Gagliarducci die jüngsten Ereignisse im Vatican -speziell unter dem Aspekt der Medienreaktion und der Medienpolitik von Papst Franziskus. Hier geht s zum Original: klicken

        "PAPST FRANZISKUS - TEMPOWECHSEL 2024" 

Argentiniens Juan Domingo Peron dachte, die Menschen seien wie das Parlament. Seiner Meinung nach musste ein Führer, der die Macht behalten wollte, sich an das Volk "anpassen". Peron würde Gesetzgebungspläne kursieren lassen, die Reaktionen beobachten und alles entsprechend angleichen. 

Es ist oft gesagt worden, daß Papst Franziskus ein Peronist ist.

Auf alle Fälle besitzt Papst Franziskus Züge dieser politischen Bewegung. Seine Benutzung von Versuchsballons ist ein solcher Zug.  Auch er schätzt die Reaktionen ab und ändert – manchmal sehr plötzlich – den Kurs, je nachdem, was er sieht. Es geschah oft genug und mit ausreichend großen Problemen, um auch das zu einem Merkmal dieses Pontifikats zu machen.

Denken Sie daran, wie Papst Franziskus mit weiblichen Diakonen umgegangen ist: mit zwei Kommissionen, aber ohne Debatte. In Bezug auf Finanzreformen tanzte er: Mal machte er zwei Schritte vorwärts und einen Schritt zurück, mal zwei Schritte zurück und einen Schritt vorwärts. Sogar der jüngste Prozess im Vatikan war dadurch gekennzeichnet, dass der Papst Anpassungen vornahm:

1. Er forderte Kardinal Becciu auf, auf alles zu verzichten, auch auf die Vorrechte des Kardinals.
2. Er ließ zu, dass dieser Kardinal vor Gericht gestellt wurde.m
3. Er besuchte ihn am Gründonnerstag zu Hause und bat Becciu dann, an öffentlichen Veranstaltungen mit Mitgliedern des Kollegiums teilzunehmen, ohne ihm jemals seine Kardinalsrechte zurückzugeben.

Die große Neuheit dieses letzten Teils des Pontifikats besteht jedoch darin, daß der Papst in diesem Anpassungsprozess von einem Verbündeten, einem Freund und einem Vertrauten begleitet wird: Kardinal Victor Manuel Fernandez, Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre, Inspiration vieler päpstlicher Texte und auch der Theologie des Papstes.

Und es ist Fernandez, der in den letzten Monaten die Rolle des Stellvertreters des Papstes bei "hacer lio“ spielte, das heißt, indem er Lärm machte und dann die Reaktionen sah. Fernandez versäumt es nicht, Interviews zu geben, und zwar viele davon, um seine Position zu erläutern und sogar diejenigen lächerlich zu machen, die bei seinen Entscheidungen doktrinäre und praktische Probleme hervorheben. In einem kürzlichen Interview mit La Stampa ging er sogar so weit zu sagen, daß es nicht Entscheidungen seien, die Spannungen verursachten; sondern daß Entscheidungen Momente der Wahrheit sind, weil sie Spannungen hervorrufen.

Das ist eine Art darauf zu schauen.

Der Fiducia Supplicans Hurrikan diente zwei Zwecken. Einer davon bestand darin, das öffentliche Image des Papstes aufzupolieren, indem man ihm ein paar Tage in den Zeitungen verschaffte. Der andere, wohl wichtigere Zweck war: die Menschen zu zählen, die der päpstlichen Linie treu sind. Wer Reformen will oder die Möglichkeiten dieser neuen Dokumente nutzen will, bittet um Gehorsam gegenüber dem Papst und klagt über Widerstand. Wer stattdessen die Fallstricke hinter diesen neuen Dokumenten erkennt, riskiert, in den Strudel organisierter Gruppen zu geraten, die die Kirche aus der sogenannten "traditionellen Welt“ der Rechten angreifen.

Und in der Mitte ist Papst Franziskus

Wie Fernandez versäumt es auch Papst Franziskus nicht, Interviews zu geben. Er tut es oft (über hundert in den zehn Jahren seines Pontifikats) und mit den Medien und Menschen, denen er vertraut. Manchmal kam die „Anfrage“ für ein Interview direkt von der Domus Sanctae Marthae. Außerdem wird im nächsten Jahr oder so ein Buch in mehreren Sprachen erscheinen, in dem der Papst über sein Leben und die bedeutenden Ereignisse, die es beeinflusst haben, sprechen wird.


Der Papst spricht jedes Mal mit den Medien, wenn er sein Image angesichts der aggressiven öffentlichen Meinung "reparieren“ muss. Wenn nötig, scheut sich der Papst nicht davor, schwierige Entscheidungen zu treffen, die enorme weitreichende Auswirkungen haben. Es geschah 2018 in Chile, einem tatsächlichen Wendepunkt des Pontifikats. Papst Franziskus beschloss, das Thema Missbrauch und vor allem die Probleme im Zusammenhang mit der Ernennung eines Anhängers des Täters, Fernando Karadima, zum Bischof von Osorno nicht anzusprechen. Dann änderte er angesichts der wütenden öffentlichen Meinung sofort seine Meinung, berief die chilenischen Bischöfe zweimal nach Rom, drängte sie zu einem Massenrücktritt und schickte eine Mission unter der Leitung von Erzbischof Charles J. Scicluna.

In der Praxis orientiert sich dieses Pontifikat an der öffentlichen Meinung, bringt spezifische Ideen vor und ist gleichzeitig bereit, diese Ideen zu ändern, wenn die Angelegenheit schwierig wird.

Es geht jedoch darum, zu verstehen, welche öffentliche Meinung dem Papst wichtig ist. Bisher erfreute sich Papst Franziskus vor allem in der säkularen Welt einer großen Presse. Die katholischen Medien übersehen durchaus einige mit dem Pontifikat verbundenen Probleme. Gleichzeitig folgte die katholische Presse selbst oft dem Kielwasser der öffentlichen Meinung.

Das war nicht immer so. Sogar Johannes Paul II. und Benedikt XVI. und – noch weiter zurück in der Zeit – Paul VI. mussten sich mit Kritik, Angriffen und internen Spaltungen auseinandersetzen. Franziskus´Vorgänger mussten sich mit einer ungünstigen öffentlichen Meinung auseinandersetzen.

Der Unterschied zu diesem Pontifikat besteht darin, daß die öffentliche Meinung ein integraler Bestandteil des Modus Gubernandi dieses Papstes wird. Papst Franziskus begründete seine Annahme des Rücktritts eines umkämpften Erzbischofs einst mit einer Anrufung des "Altars der Heuchelei“. Dies war der Fall des Erzbischofs von Paris, Michel Aupetit, dem in den Medien ein unangemessenes Verhältnis zu einer seiner Sekretärinnen vorgeworfen wurde, obwohl diese nie eine Beschwerde eingereicht hatte. Die französischen Behörden entlasteten Aupetit schließlich vollständig.

Aber wie passt dieser Altar der Heuchelei zu Franziskus anderen Entscheidungen? Warum ist da so viel Aufmerksamkeit für die öffentliche Meinung?

Vielleicht, weil der Papst angesichts einiger Entscheidungen, die er treffen könnte, einen Konsens sucht, der dann noch unpopulärer wäre. Wir wissen, daß Gerüchte und Klatsch im Vatikan oft Ausdruck von Angst und nicht einer echten Gefahr sind. Allerdings sind auch die Fixierungen des Papstes bekannt.

Und so gibt es Gerüchte, daß der Papst den Druck auf die traditionelle Welt noch erhöhen möchte, indem er in der Praxis auch die Funktionen der Ecclesia Dei-Kommission aufgehoben hat, die bereits mit der Reform des Dikasteriums für die Glaubenslehre einem anderen Amt zugesprochen worden war. Nach der offiziellen päpstlichen Linie kann die Bevorzugung der traditionellen Messe fast als Ablehnung des Zweiten Vatikanischen Konzils angesehen werden, dessen Umsetzung in liturgischen Angelegenheiten zu den Zielen des neuen Dikasteriums für den Gottesdienst gehört.

Ein anderes Feld ist die Reform des Konklaves , die der Prozedur des Versuchsballons unterworfen wird. Sie könnte eine Reform in zwei Teilen werden.

Der erste Teil wäre, das Gewicht der General-Kongregationen zu reduzieren- d.h. der Treffen im Präkonklave - indem man die Kardinäle in kleine Sprachgruppen mit einem Moderator/ Sekretär aufteilt, wie es bei der Synode geschieht und 2022 beim letzten Konsistorium mit einer Diskussions-Möglichkeit war.

Der zweite Teil ist, das Quorum unter eine bestimmte Zahl von Stimmen zu drücken. Benedikt XVI hatte entschieden, daß für die Wahl eines Papstes mindestens eine 2/3 Mehrheit der Versammlung nötig ist. Wie berichtet wird, möchte Papst Franziskus die Schwelle der zuvor auf 33 Wahlgänge reduzierten Zahl an Abstimmungen auf 12 herabsetzen. Wenn eine Gruppe von Kardinälen mehr als 6 Tage an einem Namen festhält, könnten sie eine gute Chance haben, den Papst zu wählen.

Wir werden sehen, ob die Gerüchte über diese Reformen absichtlich gestreut wurden, um die Reaktionen zu verstehen, oder ob sie sich als wahr herausstellen werden. Inzwischen bereitet der Papst sich auf sein zigstes pop-up-Interview vor. Zur gleichen Zeit hat einer der Journalisten, der bekennt, ihm am nächsten zu stehen, die Entlassung von Kardinal Sarah gefordert, weil er Fiducia Supplicans kritisiert und häretisch genannt hat.

Es ist egal, daß Sarah nicht ganz das sagte, was der Journalist dachte, das er gesagt hätte. Die Entwicklung hat verdeutlicht, wie wichtig das Management der Medienlandschaft durch den Papst wirklich ist. Es dient auch als Maß dafür, wie stark sich das Klima auf dem Gebiet des Vatikans verändert hat.

In der Debatte über Fiducia Supplicans kam es zu einer solchen Spaltung, daß es für den Papst nun schwierig sein wird, einen Ausgleich herbeizuführen. Das ist wichtig, weil jetzt die Lehre der Kirche auf dem Spiel steht.

Wir haben an den Reaktionen auf Fiducia Supplicans gesehen, wie geeint die Kirche in ihrer Lehre ist. Das ist viel kompakter als man denkt. Denn auch bei der Synode führte ein gemeinsamer Beschluss dazu, dass das Akronym LGBTQ+ im zusammenfassenden Dokument nicht verwendet wird. Und es darf nicht vergessen werden, daß die Kritiker dieser Wahl, die mit fast überwältigender Mehrheit getroffen wurde, zu denen gehören, die sich sofort mit einem Fotografen beim Segnen homosexueller Paare filmen ließen.

Tatsächlich gibt es in dieser Debatte einen wichtigen Faktor, der nicht vorkommt: der Glaube. Es ist immer das große Thema. Aber das Handeln des Papstes führt letztlich nicht nur zu Krisen. Es lässt Christus aus der Debatte verschwinden."

Quelle: A. Gagliarducci, Monday at the Vatican

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